die falsche aktion

Der lange Marsch der 68er zur nationalen Rechten

| Harold the Barrel

Der lange Marsch durch die Institutionen nach der Revolte 1968 war ein Marsch in den Reformismus, rein ins System – das wußten AnarchistInnen schon lange. Und heute hat es sich bestätigt: 68er stellen viele Posten in der Regierung bis hin zum Regierungschef und Außenminister.

So weit, so schlecht. Es geht aber auch noch schlimmer: unter altlinken APO-Machos ist nun gar ein Streit um rechtsextreme Aktivitäten ausgebrochen. Bei manchen machte der Marsch im System gar nicht mehr halt, sondern ging gleich weiter durch zur rechtsextremen „Systemkritik“.

Daß Klaus Reiner Röhl, als „Konkret“-Chef zur Zeit Meinhofs ein Vorgänger Gremlizas, heute in der „Jungen Freiheit“ vornehmlich rüde antifeministische Artikel schreibt, daß Rainer Zitelmann aus den Reihen des Kommunistischen Bundes stammt, war schon länger bekannt. Auch daß Horst Mahler, ein Mitbegründer der Roten Armee- Fraktion, ideologisch schon länger durchgedeht ist, mußte nicht erst durch seinen Aufruf im „Focus“, er wolle eine „nationale Sammlungsbewegung“ (vgl. taz, 17.2.99) gründen, bewiesen werden.

Schlimm allerdings nun, daß ein nicht unwichtiger 68er wie Bernd Rabehl, heute – nach seinem Marsch durch die Institutionen – immerhin Soziologieprofessor an der Freien Universität Berlin, sich jetzt dafür einsetzte, daß ein solcher Wirrkopf wie Mahler einen Lehrauftrag am Otto- Suhr-Institut (OSI) der FU bekommen sollte. Absurderweise verhinderte nun eine Initiative eher liberaler Professoren mit nationalismuskritischer Haltung (Funke, Stöss) dieses nationalistische Protegieren des „Altlinken“ Rabehl und damit Mahlers Anstellung (vgl. FR, 18.2.).

Die politische Realität, das möchte ich an dieser Stelle einmal fast schon verzweifelt anmerken, ist allzuoft besonders schizophren und ich frage mich tatsächlich manchmal, ob wir gewaltfreien AnarchistInnen nicht vielleicht überhaupt noch die einzig vernünftig denkenden Menschen in diesem Lande sind.

Rabehl tritt inzwischen gar als Referent bei rechtsextremen Burschenschaften wie der Danubia/München auf. Dort sagte er unter dem Titel „1968 – Symbol und Mythos“ zum Beispiel: „Der Zuzug hochorganisierter und gleichzeitig religiös oder fundamentalistisch ausgerichteter Volksgruppen bedroht den ethischen und moralischen Zusammenhalt der zentraleuropäischen Völker.“ (zit. nach FR) Die Deutschen würden sich dagegen noch nicht mal wehren, so Rabehl, weil sie aufgrund der Verbrechen im Zweiten Weltkrieg an einen „Schuldpranger“ gestellt worden und zu einem „Volk ohne Kultur“, d.h. mit von außen kommender US-Kultur, herabgesunken seien. Damit nicht genug, interpretiert Rabehl die 68er Geschichte um in einen nationalen Aufstand, der hauptsächlich antiamerikanisch wie auch antirussisch gewesen sei. Dieser nationalrevolutionäre Aufstand habe sich, so Rabehl, legitimerweise sowohl auf Marx/Engels wie auch auf den SPD-Nachkriegs-Chef Schumacher berufen können. Sogar Rudi Dutschke habe die nationale Frage bejaht (alles nach FR).

Mit diesen Thesen könnte sich Rabehl direkt neben die CDU-Stände mit ihrer rassistischen Unterschriftensammlung stellen oder in die publizistische Einheitsfront zur Ausweisung aller hier lebenden KurdInnen einreihen.

Die nationalrevolutionäre Vereinnahmung Dutschkes durch Rabehl rief nun ehemalige GenossInnen wie Ekkehart Krippendorff, Hanna Kröger oder Gisela Richter auf den Plan, die einen Aufruf lancierten, in dem sie sich von der nationalistischen Umdeutung der 68er-Geschichte durch Rabehl distanzierten.

In einem Interview mußte allerdings selbst Gretchen Dutschke-Klotz, Ehefrau und Biographin von Rudi Dutschke, zugeben, daß es nationalistische Tendenzen bei Dutschke gegeben hat. Zwar wehrt auch sie sich gegen Vereinnahmung und meint, mit Chauvinismus habe Dutschke nichts im Sinn gehabt, aber sie zitiert gleichwohl eine Passage, in der Dutschke zur Beschreibung der ökonomischen Verhältnisse in Deutschland von „Amerikanisierung und Russifizierung“ sprach, die den Deutschen „nach dem Zweiten Weltkrieg in verschiedenster Art und Weise aufgepfropft“ worden seien. Außerdem bezeugt sie, daß sich Dutschke damals keineswegs mit der Shoah auseinandersetzte, sondern die damals üblichen und heute doch recht platt anmutenden Erklärungsansätze eines Zusammenhangs des deutschen Nationalsozialismus mit „dem Monopolkapital“ vertrat (vgl. taz, 17.2.).

Es gibt heute einen in weiten Kreisen kulturhegemonialen rechten Diskurs. Noch vor einem Jahr mußte Rainer Zitelmann seine These von der „selbstbewußten Nation“ und sein von der bürgerlichen Presse kritisiertes Buch als randständige Position betrachten, heute benutzt Schröder in seinen Reden diesen Begriff auf nahezu selbstverständliche Weise.

Es hat einmal eine autoritär-linke Kritik zur Frage gegeben, wo denn die Anteile sozialer Bewegungen am wachsenden Nationalismus liegen: manche gingen dabei auf 1989 zurück, spürten nationalistische Tendenzen bei der Vereinigungsbewegung auf – zu Recht – und verdammten dabei pauschal die gewaltfreie Massenbewegung, die zum Sturz Honeckers führte: zu Unrecht. Andere meinten bei der Friedensbewegung der 80er Jahre fündig zu werden – zu Recht – und sprachen ihr damit jeglichen emanzipatorischen und oppositionellen Charakter ab: zu Unrecht. An die 68er-Bewegung selber hat aber noch kaum jemand gedacht, weil von dort die autoritären Kritiker meist selber herkamen. Ihre eigene Bewegung war ihnen sakrosankt – zu Unrecht. Es geht nun keineswegs darum, die 68er Bewegung pauschal als nationalistisch zu verdammen und damit Mahler, Rabehl und Konsorten nachträglich noch Recht zu geben, es geht aber sehr wohl um eine selbstkritische Aufarbeitung derjenigen Tendenzen, die schon damals nationalistisch, elitär, rassistisch waren – über die wenigstens halbwegs inzwischen zugestandenen patriarchalen Tendenzen hinaus. Zum Beispiel gibt es diesen Widerspruch, daß die Infragestellung von Auschwitz angeblich mit der 68er Generation begonnen habe, daß sich allerdings von einer wirklichen theoretischen Auseinandersetzung mit Antisemitismus und mit der politischen Dimension von Auschwitz in den Schriften ihrer Haupttheoretiker bis in die 70er Jahre hinein kaum etwas findet. Konjunktur hatten dagegen die Monopolkapitalismus- Erklärungsansätze oder bald auch ein antizionistischer Rassismus in der internationalen Palästina-Solidarität. Die tatsächliche Aufarbeitung der Shoah kam erst später und zum Teil sogar von anderen Spektren. Wie ist das zu erklären? Welche ideologischen Versatzstücke haben die 68er in die politische Kultur eingebracht, die von vorneherein antiemanzipatorisch waren? Und warum? Das sind die Fragen, die sich die kritischen KritikerInnen (von Pohrt über Elsässer zu Ditfurth und Tolmein), die immer triumphalistisch meinten, bei der westdeutschen Friedensbewegung oder bei 1989 den Beginn des linken Nationalismus aufgedeckt zu haben, einmal selbst stellen sollten.