Ich heiße Udi Segal, bin 19 Jahre alt und komme aus dem Kibbuz Tuval im Norden Israels. Vor einigen Monaten habe ich den Brief der Kriegsdienstverweigerer aus Gewissensgründen für das Jahr 2014 unterzeichnet (siehe Seite 9), der von insgesamt 130 VerweigerInnen an den Premierminister Israels gesandt worden ist. In diesem Brief erklären wir unsere Weigerung, in der israelischen Armee zu dienen.
Der wichtigste Grund ist die Besetzung der Gebiete und die fortgesetzte Unterdrückung der palästinensischen Bevölkerung, die sich in ungleichen Sozialsystemen, der Missachtung ihrer Rechte und dem fortgesetzten Mord von mehr als 600 Personen bei der jüngsten Militäroperation in Gaza ausdrückt [Stand am 30. Juli 2014; Red.]. Außerdem trägt der Militärdienst zum israelischen Militarismus bei. Ich zum Beispiel bin als Mann und aschkenasischer Jude (1) jemand, der Einfluss auf die israelische Gesellschaft nehmen kann und es auch bei Widerspruch leichter hat davonzukommen. Denn ich komme aus dem herrschenden sozialen Milieu, das sehr zur Unterstützung des israelischen Militarismus neigt – einem Milieu, dem ich mich mit aller Kraft widersetze.
Auch wenn es die Besetzung der palästinensischen Gebiete nicht gäbe, würde ich den Dienst in der Armee verweigern, denn er hält ein politisches System aufrecht, das nationalistisch und kapitalistisch ist, von dem nur einige Wenige profitieren und an dem ich nicht teilnehmen will.
Ich bin nicht der Meinung, dass ich durch die derzeit laufende Militäroperation in Gaza beschützt werde. Die Militäroperationen werden mich auch in Zukunft nicht schützen und sie werden nur neuerliche Militäroperationen nach sich ziehen, wie es bereits bei der Operation „Gegossenes Blei“ (2008-2009) der Fall war, die nur wieder zu der Operation „Säulen der Verteidigung“ (November 2012) geführt hat. Heute setzt sich das mit der Operation „Schutzlinie“ fort, die dann wahrscheinlich wieder zu weiteren Militäroperationen führen wird. Was wirklich schützen würde, das wäre ein gerechter Friede, der die Ungerechtigkeiten anerkennt, die man den PalästinenserInnen angetan hat. Man kann keinen Frieden verwirklichen, solange man Land besetzt, eine Bevölkerungsgruppe unterdrückt und mit einer Mauer umgibt.
Diese Bevölkerung hat ihren Wunsch nach Freiheit nicht aufgegeben und sie vertraut nicht einem eventuellen Mitleid derer, die sie besetzen – darum sollten auch Sie nicht darauf vertrauen, in solch einer Situation in Sicherheit leben zu können. All denjenigen, die trotzdem meinen, dass sie mich in solch einer Situation militärisch verteidigen, sage ich: Wenn der für die Sicherheit zu zahlende Preis 600 [Anm. d. S.: mittlerweile über 2100] Tote in Gaza sein soll, dann bin ich an einer solchen Form der Sicherheit nicht interessiert.
Meine Verweigerung des Militärdienstes wird für meine Familie schwierig werden. Mein Bruder ist in der Armee und es ist möglich, dass er sich in Gaza befindet, während ich im Gefängnis sein werde. Ich hoffe, dass das keine unlösbaren Konflikte hervorruft. Jenseits dessen werden die Leute meine Eltern und meine Brüder mit Misstrauen betrachten.
Ich bin der Meinung, dass ich zur israelischen Gesellschaft beitrage, aber es erscheint mir wichtig klarzustellen, dass meine Aktion nicht Teil einer patriotischen oder zionistischen Utopie ist, sondern Teil einer globalen Utopie, einer Globalität, die Israel mit einschließt. Ich bin der Meinung, dass die Besetzung dafür ein Hindernis darstellt und dass sie den israelischen BürgerInnen schadet.
Viele FreundInnen meines Alters sind in die Armee eingetreten. Ich selbst bin in einem militaristischen Milieu aufgewachsen, meine Schule hat einen der höchsten Rekrutierungsprozentsätze im Land. (2) Ja, es gibt zahlreiche Personen, die aufgehört haben, mit mir zu reden und die mich aufgrund meiner Entscheidung ausgrenzen. Aber es handelt sich dabei vielleicht um eine heilsame Reduzierung meiner Freundschaften, denn es gibt auch FreundInnen, die sich zur Armee gemeldet haben und meine Freunde geblieben sind. Ich habe mich dafür entschieden, ins Gefängnis zu gehen, denn unglücklicher Weise hört die israelische Öffentlichkeit eher jenen zu, die bereit zum Opfer sind und dazu, den Preis für ihre Aktion zu bezahlen.
Das Gefängnis wird mir die Freiheit nehmen. Es wird mir schwer fallen, damit umzugehen, denn ich kenne bis jetzt nur das Leben draußen, in einer gleichwohl relativen Freiheit. Hinzu kommt, dass die Haftbedingungen für diejenigen, die die Besetzung der Gebiete ablehnen, ganz besonders streng werden können. Das zeigt zum Beispiel der Fall von Uriel Ferera, der kürzlich gefangengenommen worden ist. Er hat es abgelehnt, die Uniform zu tragen und musste aufgrund seiner Herkunft aus einem orthodoxen Umfeld Demütigungen erleiden.
Das Ziel meiner Kriegsdienstverweigerung ist das Ende der Besetzung. Aber in der gegenwärtigen Lage zählt vor allem, dass die israelischen BürgerInnen ihre Augen öffnen, dass sie über den Sinn der Besetzung nachdenken und darüber, was es bedeutet, in der Armee zu dienen – und dass darüber besonders Heranwachsende nachdenken, die sich dem wehrpflichtigen Alter nähern.
Was die laufende Militäroperation in Gaza anbetrifft, so rufe ich die SoldatInnen und die ReservistInnen dazu auf, Befehle zu verweigern und nicht am Massaker teilzunehmen.