Nein, Barack Obama hat sein mehrmals wiederholtes Wahlkampfversprechen, den berüchtigten US-Folterknast Guantanamo auf Kuba zu schließen, in seinen acht Amtsjahren als US-Präsident nicht eingelöst.
Nein, er hat den von seinem Vorgänger, dem Kriegsverbrecher George W. Bush, angefangenen und von ihm selbst ausgeweiteten Drohnenkrieg, dem unzählige Menschen vor allem in Afghanistan und Pakistan zum Opfer gefallen sind, nicht gestoppt.
Nein, er hat die Todesstrafe in den USA nicht abgeschafft. Weder hat er eine Amnestie für den im Moskauer Exil verharrenden Whistleblower Edward Snowden erlassen noch hat er die seit Jahrzehnten aufgrund rassistischer Gerichtsurteile inhaftierten politischen Gefangenen Leonard Peltier und Mumia Abu-Jamal entlassen.
Trotzdem hat Obama, drei Tage vor der Machtübergabe an den Rassisten, Sexisten und narzisstischen Milliardär Donald Trump, etwas gemacht, über das sich wohl weltweit alle Menschenfreundinnen und Menschenfreunde gefreut haben.
Er hat noch als amtierender US-Präsident am 17. Januar 2017, unter lautem Protest von US-Militärs und Republikanern wie John McCain, die Reststrafe der Whistleblowerin Chelsea Manning umgewandelt, so dass sie am 17. Mai 2017 Fort Leavenworth verlässt und wieder ein freier Mensch sein wird. Eine Reduzierung der Haft kann vom neuen Präsidenten Trump nicht zurückgenommen werden.
Manning war noch als Bradley ein Geheimdienstanalyst der US-Armee. Chelsea Manning ist heute für alle emanzipatorisch denkenden Menschen eine „Heldin der Aufklärung“.
Weil sie aus Gewissensgründen Zivilcourage zeigte und Geheimdokumente, die grausame Kriegsverbrechen von US-Militärs im Irak zeigen, an Wikileaks weitergegeben hatte, wurde sie gefoltert und von einem US-Militärgericht zu einer Haftstrafe von 35 Jahren verurteilt. Die durch die Filme identifizierten US-Soldaten wurden dagegen für ihre Verbrechen gegen die Menschlichkeit nicht belangt.
Über Mannings Situation wurde oft vor allem in alternativen Medien, auch in der „Graswurzelrevolution“, berichtet.
Jeff Paterson, Mitbegründer des „Chelsea Manning Support Network“ (Netzwerk zur Unterstützung von Chelsea Manning), erklärte zur bevorstehenden Freilassung der Menschenrechtsaktivistin: „Die fantastische Neuigkeit folgt einer lang geäußerten Forderung auf Verbesserung der brutalen Behandlung von Chelsea, der sie unrechtmäßiger Weise im Gefängnis der Marines in Quantico im Vorfeld ihres Verfahrens ausgesetzt gewesen war. Es ist tragisch, dass Chelsea sieben Jahre in Haft saß für die Weiterleitung von Dokumenten, die nie als geheim hätten eingestuft werden dürfen und die eindeutig im öffentlichen Interesse sind.“ (1)
Das „Chelsea Manning Support Network“ wurde in den Wochen nach Chelseas Verhaftung im Irak im Mai 2010 gegründet. Es übernahm alle Verfahrenskosten im Zusammenhang mit dem Vorverfahren, dem Militärstrafverfahren sowie einen großen Teil der Kosten für die Berufung. An vielen Tagen war der Gerichtssaal voller UnterstützerInnen, die T-Shirts mit der Aufschrift „Truth“ (Wahrheit) trugen. Rainey Reitman, Mitbegründer des Netzwerks: „In den letzten Jahren lernte ich Chelsea als eine sehr intelligente, sensible Frau kennen, die es nicht verdient hat, über Jahrzehnte im Gefängnis zu sitzen. Oft hatte ich Angst, dass eine längere Haft vernichtend für Chelsea sein würde, vielleicht sogar tödlich, insbesondere, wenn der als Präsident gewählte Trump die Regierungsgeschäfte übernimmt. Bald wird sie die Möglichkeit haben, das Leben zu führen, das ihr nun schon seit bereits sieben Jahren verwehrt wird.“
Neben dem Fundraising arbeitete das Netzwerk daran, Aufmerksamkeit für Chelseas Fall zu erreichen. Die Menschenrechtsorganisation führte weltweit Hunderte Mahnwachen durch, von San Francisco bis London. Chelseas UnterstützerInnen nahmen regelmäßig an den „Pride Parades“ der letzten Jahre teil. Zudem plakatierte das Netzwerk auf Reklametafeln z.B. in Los Angeles und Kansas City, schaltete eine einseitige Anzeige in der „New York Times“ und trug dazu bei, dass weltweit über eine Million Unterschriften für die Freilassung von Chelsea gesammelt wurden.
„In Gesprächen, die ich mit Chelsea im Gefängnis hatte, erfuhr ich, dass sie nicht nur von Prinzipien angetrieben wird, sondern auch von ihrem Glauben an das Fundament einer amerikanischen Regierung. Sie träumte davon, ein Gymnasium zu besuchen und bei Forschungen zu helfen, wie eine Regierung die Technologien nutzen könne, um Transparenz und öffentliche Beteiligung zu ermöglichen. Was auch immer sie nun tun will, die Welt wird besser sein mit einer klugen jungen Person, die frei ist, ein sinnvolles Leben zu leben“, so die ehemalige Campaign Managerin Emma Cape.
Chelsea Manning hat gezeigt, dass Menschen mutig sein und ihrem Gewissen folgen können, wenn es darum geht, Verbrechen gegen die Menschlichkeit aufzudecken. Whistleblower wie Manning und Snowden klären auf über staatliche Verbrechen, über Macht- und Herrschaftsverhältnisse. Wir brauchen sie.
Und sie brauchen eine solidarische Bewegung von unten, die sie vor der Rache der Herrschenden schützt.
Mehr als drei Millionen Menschen, die am 21. Januar 2017 beim Women’s March gegen Trumpismus in Washington, New York, Los Angeles, Boston, Chicago, London, Paris, Istanbul, sowie in vielen anderen Städten der USA und weltweit demonstriert haben (2), machen Hoffnung. Ebenso ist der Erfolg der globalen Solidaritätsbewegung für Chelsea Manning ein Grund zur Freude, gerade in Zeiten wie diesen, in denen Autokraten, Sexisten und NationalististInnen die sozialen Errungenschaften massiv gefährden.
(1) Alle Zitate aus: Chelsea Manning Support Network: President Obama Commutes Chelsea's Sentence! 17.1.2017, www.chelseamanning.org. Übersetzung: Rudi Friedrich (Connection e.V.), http://connection-ev.de/article-2370
(2) Siehe Kommentar auf Seite 2 dieser GWR: "Die Menschheit am Scheideweg? Der größte Protesttag in der US-Geschichte: 21. Januar 2017".