Ralf Höller: Das Wintermärchen - Schriftsteller erzählen die bayerische Revolution und die Münchner Räterepublik 1918/1919, Edition Tiamat, Berlin 2017, 287 Seiten, 20 Euro, ISBN 978-3-89320-221-8
Der Historiker und Journalist Ralf Höller schildert in „Das Wintermärchen“ in beeindruckender Manier den Verlauf der Novemberrevolution in Bayern und insbesondere München aus der Sicht von berühmten und/oder berüchtigten SchriftstellerInnen.
Höller, der bereits das Buch „Der Anfang, der ein Ende war“ (Berlin 1999) über diese leider wenig bekannte Episode der jüngeren deutschen Geschichte vorgelegt hatte, nimmt sich erneut der Geschehnisse der Novemberrevolution und der Münchner Räterepublik an. Im Stil einer Reportage schildert er en détail, wie – angefangen mit konspirativen Treffen in einem Münchner Wirtshaus (wo sonst?) – Bayern als erstes Fürstentum im Reich seinen Monarchen loswurde, ein sozialistischer, pazifistischer, jüdischer und intellektueller Preuße erster Ministerpräsident wurde, eine zunächst anarchistisch, später kommunistisch geprägte Räterepublik entstand und letztlich doch die Konterrevolution siegte. Hierbei nutzt er eine Besonderheit der bayerischen Novemberrevolution: wohl niemals zuvor oder danach waren derart viele SchriftstellerInnen an einer Revolution beteiligt. Von lediglich beobachtenden AutorInnen wie Thomas Mann oder Victor Klemperer, über Heinrich Mann und Rainer Maria Rilke, die den Geschehnissen positiv gegenüberstanden und sie unterstützten, bis hin zu Kurt Eisner, Erich Mühsam, Ernst Toller und Ret Marut (später B. Traven), die aktiv die Revolution respektive die Räterepublik auf den Weg brachten, sind viele bekannte SchriftstellerInnen vertreten. Weitere AutorInnen, die ebenfalls zu Wort kommen, sind etwa Ricarda Huch, Oskar Maria Graf, Lion Feuchtwanger, Gustav Landauer, Anette Kolb und Ernst Niekisch. Da Höller die Ereignisse durch die SchriftstellerInnen erzählen lässt, gelingt es ihm – man verzeihe mir die Phrase – Geschichte lebendig werden zu lassen. Nur selten hat mich ein historisches Buch derart begeistert. Dem Buch vorangestellt ist unter anderem ein Zitat von Rilke: „Einen Augenblick hoffte man“. Gewiss, es verging nicht sehr viel Zeit zwischen der Abdankung Ludwigs III. und der gewissenlosen und brutalen Niederschlagung der Räterepublik durch die SPD unter Zuhilfenahme der rechtsextremen Freikorps.
Aber dennoch:
Dass so ein Versuch im erzkatholischen und eigentlich reaktionären Bayern geschah, macht Mut. Was einmal geschah, kann auch erneut passieren. Auch Höllers Wintermärchen ist ein Mutmacher, den wir alle in Zeiten wie diesen benötigen. Wer schon ein wenig über die bayerische Novemberrevolution Bescheid weiß, dem sei dieses Werk wärmstens ans Herz gelegt.