Die französische Regierung will in Bure, Lothringen, ein atomares Endlager für hoch- und mittel-radioaktiven Atommüll in tiefen geologischen Schichten errichten. Das Bauvorhaben heißt Cigéo. Die Andra, die staatliche Agentur zur Entsorgung von radioaktivem Müll, ist Bauherrin. Der Bauantrag soll 2019 gestellt werden. Vorarbeiten haben bereits begonnen, ein Gesetz wurde in Anwesenheit von 20 Abgeordneten verabschiedet. Es regt sich Widerstand dagegen.
Umweltminister Nicolas Hulot posierte noch 2016 mit einem Plakat gegen Cigéo vor den Kameras. Heute schickt er die Militärpolizei in die Dörfer, um den Widerstand niederschlagen zu lassen. Überwachung, Polizeigewalt, Hausdurchsuchungen, Demonstrationsverbote, Verhaftungen und Prozesse gehören inzwischen zum Alltag der Bevölkerung.
Vorläufiger Höhepunkt der Auseinandersetzungen ist der aktuelle Kampf um den Bois Lejuc. Die Andra startete 2016 überraschend die Bauarbeiten im Wald, obwohl sie dafür weder eine Rodungs- noch eine Baugenehmigung besaß. Die Andra wollte eine vier Kilometer lange und drei Meter hohe Mauer rund um die 221 Hektar Wald errichten, um Bohrungen für die künftigen Luftschächte des Endlagers durchzuführen – abgeschirmt vom Protest der Projektgegner*innen. Die Bauarbeiten ruhen seit dem 1. August 2016 in Folge eines gerichtlich verhängten Baustopps, der Zerstörung des begonnenen Mauerwerks durch Projektgegner*innen und der Besetzung des Waldes (siehe GWR 420). Die Besetzung wurde im Laufe der Zeit größer, es wurden zahlreiche Hütten und Baumhäuser gebaut, die „Eulen“ von Bure, wie die Aktivist*innen genannt werden, sind zum Symbol des Widerstandes gegen das atomare Endlager geworden. Die Regierung fürchtete eine dauerhafte Verankerung des direkten Widerstandes. Die Militärpolizei rückte am 22. Februar 2018 mit 500 Mann in den Wald und räumte die Waldbesetzung. Die Eulen geben sich nicht geschlagen. Denn es gibt zahlreiche Gründe, gegen Cigéo zu kämpfen.
„Déchets nucléaires : Arrêter d’en produire et ne surtout pas enfouir!“
„Atommüll: Produktionsstopp und vor allem keine tiefe Einlagerung!“ Das ist eine Forderung der meisten Atomkraftgegner*innen in Frankreich. Die Einlagerung des Atommülls ist keine Lösung und birgt große Gefahren. Atomkraftgegner*innen sind erst bereit, sich mit den Verantwortlichen über den Verbleib des Atommülls zu unterhalten, wenn die Produktion von Atommüll gestoppt wird und die Auseinandersetzung ernst gemeint ist, die Zivilgesellschaft nicht lediglich fürs Image ins Boot geholt wird.
Die Regierung betont, sie sei für Gespräche mit den „legalen“ Projektgegner*innen offen. Von offenen Gesprächen kann aber keine Rede sein, da für den Staat der Standort Bure nicht zur Debatte steht. Unklar ist außerdem wer die „legalen“ Projektgegner*innen denn sind. Die Räumung der Waldbesetzung erfolgte am 22. Februar 2018 ohne Vorwarnung und Rechtsgrundlage. Dabei wurden nicht nur die Wohnungen von Menschen, die in Hütten und Baumhäusern zu Hause waren, zerstört, sondern auch der Verein Eodra (Association des Elus de Lorraine et Champagne-Ardenne Opposés à l’enfouissement des Déchets RAdioactifs) aus dem Wald vertrieben, obwohl dieser eingetragene Verein, der Abgeordnete, gewählte Bürgermeister*innen und Kommunalvertreter*innen gegen Cigéo vereint, im November 2017 seinen Vereinssitz offiziell in den Wald verlegt hatte.
Die Projektgegner*innen lassen sich nicht in gute „legale“ und böse „illegale“ Gegner*innen spalten. Sie bezeichnen die Gesprächsangebote der Regierung als heuchlerisch. Staatssekretär Lecornu hatte die Vereine zu Gesprächen über Cigéo für den 23. Februar eingeladen, wohl wissend, dass am Tag zuvor 500 Militär-Polizisten den Wald gewaltsam räumen würden. Die Vereine sagten das Treffen mit Lecornu nach der Räumung mit einem kämpferischen Offenen Brief ab und mobilisierten statt dessen zu einem lange geplanten Treffen dezentraler Bure-Unterstützungskomitees Anfang März.
„Bure ist überall“
Rund 400 Menschen kamen am 3. und 4. März 2018 nach Bure, um sich über die künftige Gestaltung des gemeinsamen Widerstands auszutauschen. Am 16. Juni 2018 soll eine Großdemonstration gegen das Atomklo statt finden. Die dezentralen Unterstützungskomitees wurden im September 2017 nach Hausdurchsuchungen im Widerstandshaus Bure Zone Libre (BZL) und in weiteren Lebensorten von Atomkraftgegner*innen ins Leben gerufen (siehe GWR 422). Nach der Räumung der Waldbesetzung am 22. Februar fanden in ganz Frankreich über 70 Solidaritäts-Kundgebungen vor den Präfekturen statt – mehrheitlich durch dezentrale Unterstützungskomitees organisiert. Damit soll der Parole „Bure ist überall“ Rechnung getragen werden. In Deutschland hat sich ein Unterstützungskomitee im Wendland gegründet und es gibt eine bundesweite Mailingliste zum Austausch von Informationen über Bure auf Deutsch, die jede-r abonnieren darf. (1)
Wachsende Repression
Die Repression wächst, weil die Regierung die Verankerung eines soliden radikalen Widerstandes (insbesondere den Widerstand durch direkte Aktionen und Besetzungen) verhindern will: Hausdurchsuchungen, Dauerstationierung der Militärpolizei in der Gegend, Überwachung mit Hubschraubern, Straßensperren und -kontrollen, Demonstrationsverbote, Polizeigewalt, Strafprozesse und Knast.
Der Alltag wird für die Einwohner*innen zunehmend beschwerlich. Bei vielen von ihnen herrscht Resignation. „Die Polizei kontrolliert und überwacht alles, wir haben kein Leben mehr, aber was sollen wir dagegen tun? Sie haben die Waffen, wir haben nur unsere Höfe“, erzählt ein älterer Bauer. „Wenn ich zu Hause koche, stehen die Gendarmen vor der Tür und filmen uns. Das gehört inzwischen zu unserem Alltag. Das ist ein seltsames Gefühl, wir sind in einem Dorf mitten im Nirgendwo, werden aber dauerhaft beschattetet und ständig kontrolliert“, berichtet ein Aktivist, der seit ein paar Monaten in einem neuen Wohnprojekt in Mandres-en-Barrois wohnt. Drei Häuser wurden in dem 150 Einwohnerdorf abgekauft. Die Menschen bauen bäuerliche landwirtschaftliche Betriebe auf und wollen mit ihrem Wohnprojekt den Widerstand vor Ort dauerhaft unterstützen.
Robin hat am 15. August 2017 bei einer Demo gegen das Atomklo einen Fuß durch die Explosion einer aus ca. 100 Meter Entfernung kommenden Polizeigranate, verloren. Die Granate verursachte einen ca. 50cm großen Krater im Ackerboden und zerstörte Robins solide Leder-Wanderschuhe. Der Schuh explodierte und schmolz zum Teil in die offene Fuß-Wunde, er hinterließ Knochenteile im Acker. Die Polizei behinderte die Rettung des Aktivisten durch Rettungssanitäter*innen und drangsalierte den mit Schmerzmitteln vollgepumpten Aktivisten anschließend auf seinem Krankenhausbett mit einem Verhör. Bei der Demonstration gab es mehrere durch Polizeigranaten schwer verletzte Demonstrant*innen.
Anfang 2018 wurde die erste Gefängnisstrafe gegen einen Projektgegner verhängt, der Aktivist soll Widerstand geleistet haben, als er mit Gewalt durch Beamten bei der Durchsuchung des Hauses des Widerstandes aus seinem Bett um sechs Uhr morgens geholt wurde. Andere standen am 13. Februar vor Gericht, sie sollen an der Zerstörung der illegal eingerichteten Mauer der Andra im bois Lejuc beteiligt gewesen sein, das Urteil steht noch aus. Seit der Räumung der Waldbesetzung befinden sich zwei Menschen in U-Haft. Ihnen wird Widerstand vorgeworfen. Sie haben ihre Aburteilung in einem Schnellverfahren, ohne Möglichkeit sich zu verteidigen, abgelehnt und müssen bis zu ihrem Prozess im Gefängnis bleiben. Andere Prozesse stehen an, unter anderem wegen einer „pelle à tarte“. Der Tortenheber wurde zusammen mit zwei Opinels und einer Kabeltrommel bei der Kontrolle eines Fahrzeuges im Auto eines Projektgegners beschlagnahmt. Der Vorwurf lautet Verstoß gegen das Waffengesetz.
Ansporn für den weiteren Widerstand
Ironie der Geschichte ist, dass die zunehmende Repression in und um Bure den Widerstand erstarken lässt und in ganz Frankreich bekannt gemacht hat. Es werden immer mehr dezentrale Unterstützungskomitees gegründet. Die Aktivist*innen ließen sich weder durch die Räumung der Waldbesetzung noch durch die willkürlichen Verfügungen der Präfektur für das Wochenende vom 3. und 4. März beeindrucken.
Unbeugsame Eulen hatten schon am Tag nach der Räumung der Waldbesetzung einige Bäume wieder besetzt. Einige Aktivist*innen wurden erneut geräumt. Das Katz- und Maus-Spiel kann noch lange dauern. Die Aktivist*innen freuen sich über Sachspenden für die Besetzung (Kletterausrüstung, Kocher, Decken, etc.)
Die Präfektur verfügte für das Wochenende vom 3. und 4. März ein vollständiges Demonstrationsverbot. Straßensperrungen sowie Park- und Fahrverbote wurden erlassen. Die Polizei durfte nach Lust und Laune Personalien feststellen. Die Demonstrationsverbote wurden durch die Präfektur damit begründet, dass Atomkraftgegner*innen sich treffen wollten, um über den Widerstand gegen Cigéo zu beraten. Außerdem sei mit gewalttätigen Demonstrant*innen zu rechnen. Etwa 400 „Eulen“ (viele Demonstrant*innen trugen eine Eulenmaske) machten sich trotz Verbot auf dem Weg zum bois Lejuc mit dem Ziel, eine Dauermahnwache am Waldrand auf einem Privatgrundstück zu errichten. „Hulot m’a radicalisée“, stand auf dem Front-Transparent: „Umweltminister Hulot hat mich radikalisiert“. Die Menschen näherten sich dem Wald, konnten ihre Mahnwache aufgrund des Dauerbeschusses mit Tränengasgranaten durch die Polizei allerdings nicht errichten. Sie machten sich nach zwei Stunden auf den Weg nach Mandres-en-Barrois, wo die Debatten der Unterstützungskomitees organisiert wurden. Am Tag darauf wurde jede auch nur kleine Ansammlung im Dorf mit einer Salve Tränengas bis in die Privatgärten aufgelöst. Die Eulen geben nicht auf, die Mahnwache soll zu einem späteren Zeitpunkt errichtet werden.
Die jüngsten Ereignisse haben Bure und das Thema Atommüll in die Schlagzeilen gebracht. Mit dem positiven Effekt, dass auch über die Hintergründe und die Kritik am Vorhaben der Regierung berichtet wurde. Dies kommt im Atomland Frankreich selten vor und ist der langjährigen Arbeit von Bürgerinitiativen zu verdanken. Sie leisten nicht nur Widerstand auf der Straße, sondern setzen sich auch mit dem Projekt Cigéo und seine Gefahren auseinander. Seit über 20 Jahren geben sie Studien in Auftrag, veröffentlichen Analysen und Berichte, organisieren Konferenzen mit kritischen Wissenschaftler*innen. Sie decken die schleichende Atomifizierung der Region auf sowie die Machenschaften der Regierenden, die mit Geldsegen und Stimmungsmache Akzeptanz für das Endlager schaffen wollen.
Schleichende Niederlassung der Atomlobby
Die Andra arbeitet bereits seit 25 Jahren daran, Akzeptanz für ein Endlager in Bure zu schaffen. Die Gegend ist strukturschwach und dünn besiedelt. Die Bevölkerungsdichte im Dreieck St. Dizier, Nancy und Chaumont mit Bure in der Mitte liegt bei sechs Einwohner*innen pro km². Zahlreiche Politiker*innen ließen sich von den Geldern des Investitionsfonds GIP (Gruppement d’Intérêt Public) locken. Die Produzenten von Atommüll zahlen in einen Fond ein, der Kommunen, die Teile des Cigéo-Projektes werden, für ihre wirtschaftliche Entwicklung zur Verfügung steht. Derzeit erhalten die betroffenen Départements Meuse und Haute Marne jeweils 30 Millionen Euro jährlich. Die Kommunen in einem Umkreis von zehn Kilometern erhalten zudem durchschnittlich 500 Euro Pro Einwohner*in und Jahr. (2) Die Dörfer in der Umgebung haben somit schöne Fassaden. Das Dorf Bure zählt ca. 90 Einwohner*innen und verfügt über ein überdimensioniertes Gemeindehaus sowie auffällige neue Hightech-Straßenlaternen.
Die Atomlobby lässt sich in der Gegend mit diversen Anlagen im Zusammenhang mit Cigéo schleichend nieder. Dazu zählen ein riesiges Gebäude für das industrielle Archiv des staatlichen Stromkonzerns Edf, eins für das Archiv von AREVA (seit Anfang 2018 in Orano und Framatome ungenannt), mehre Standorte für die Wartung von AKW-Bauteilen, ein Umschlagplatz für AKW-Bauteile und AKW-Brennstoff in Void-Vacon (siehe GWR 391). Neue Lehrgänge, u.a. in Zusammenarbeit mit AREVA wurden in Schulen eingeführt. Geplant ist weiter die Niederlassung einer „Blanchisserie“. Dort sollen künftig die verstrahlten Arbeitskleidungen der Arbeiter*innen der 58 französischen Atomreaktoren dekontaminiert werden.
Zum Bauvorhaben Cigéo gehören auch zahlreiche Bauwerke, Lagerplätze sowie eine 15 Kilometer lange Castor-Bahn samt Umschlagbahnhof an der Erdoberfläche. Auf der weltweiten atomaren Messe in Paris 2015 stellte die Atomlobby eine Karte mit einem großen Kreis von 80 Kilometer Durchmesser vor. Das ist die Fläche, die Cigéo in Anspruch nehmen soll. Die Gegner*innen nennen dies die „Atomifizierung“ der Gegend.
Ein paar Zahlen zu Cigéo
An dieser Stelle seien ein paar Zahlen genannt, um eine ungefähre Vorstellung des gigantischen Ausmaßes des Vorhabens zu bekommen.
80.000m³ Atommüll sollen eingelagert werden. Das entspricht 3% des bis heute produzierten Atommüllvolumens und 99% der Radioaktivität. Bei dem Müll, der eingelagert werden soll, handelt es sich um mittel- und hochradioaktiven Abfall. Besonders problematisch sind die 74.370 bitumierten Atommüll-Fässer (18% des Volumens), die das Brandrisiko erheblich beeinflussen.
Das Lager soll 100 bis 120 Jahre lang betrieben werden. Das entspricht 100 Castortransporte à 10 Castoren 100 Jahre lang, im Durchschnitt wird alle 80 Minuten ein LKW runter fahren. Danach wird es für immer verschlossen. Allein für den Castoren-Umschlagplatz und die „Descendrie“ (Zugänge zum Lager) ist eine Fläche von 110 Hektar vorgesehen. Die Installationen auf der Erdoberfläche im direkten Zusammenhang mit der Einlagerung sollen 680 Hektar in Anspruch nehmen.
Der Müll soll in 500 Meter Tiefe in einer wasserhaltigen Tonschicht des Callovo-Oxfordien eingelagert werden. Dem unabhängigen Geologen Antoine Godinot zu Folge besteht diese Schicht jedoch mehr aus Kalkstein als aus Tonstein. Sie ist instabil, wie der tödliche Unfall im 1999 errichteten „Forschungslabor“ der Andra im Januar 2016 zeigte. Ein Arbeiter wurde bei Bohrarbeiten unter einer Tonne Gestein begraben, obwohl die Höhle an der Stelle bereits durch Stahlriemen und lange Bolzen befestigt worden war. Diese Eigenschaften des Gesteins sind problematisch, weil das Entstehen von Rissen beim Graben der Höhlen vorprogrammiert ist und somit die unkontrollierte Verbreitung der Radioaktivität.
Hinzu kommt, dass das geothermische Potential vernachlässigt wurde. Die Andra negierte es zunächst, bevor sie später nach Veröffentlichung von einer unabhängigen Studie das Potenzial einräumen musste – die Andra behauptet jedoch, das liege nicht direkt unterhalb des geplanten Atommülllagers. Laut Gesetz darf kein Endlager gebaut werden, wenn nicht ausgeschlossen werden kann, dass künftige Generationen aus Versehen ins Lager hinein bohren, um an die sich darunter befindlichen Erdressourcen zu gelangen. In Bure wird sich darüber hinweg gesetzt.
300 Kilometer unterirdische Stollen sollen entstehen. Der Müll wird dann in 100 und 500 Meter lange Höhlen hinein geschoben. Aus finanziellen und Platzgründen wird auf Castorbehälter verzichtet, es ist nicht vorgesehen, dass die verwendeten Container die Radioaktivität von der Umgebung abschirmen. 8 Millionen Kubikmeter Gestein werden dafür ausgeschachtet. Die Befestigung der unterirdischen Gänge erfordert Millionen Tonen Stahl und 275.000m³ Beton.
Die Regierung hat für Cigéo 25 Milliarden Euro veranschlagt, der Rechnungshof hält dagegen 41 Milliarden Euro für realistisch – ohne Unfall! (2)
Die geologischen Bruchlinien von Cigéo
Der unabhängige Wissenschaftler Bertrand Thuillier hat sich mit den Gefahren von Cigéo intensiv beschäftigt. In Konferenzen klärt er Bürger*innen über die Gefahren auf. Nach seiner Auffassung birgt die Einlagerung von Atommüll in tiefen geologischen Formationen grundsätzlich enorme Gefahren. Das Explosions- und Brandrisiko wurde nicht ausreichend berücksichtigt.
Er bezeichnet Cigéo als eine Hydrogenfabrik. Das Gestein enthält Wasser. Das Wasser fließt nicht, spielt aber eine große Rolle, denn per Radiolyse des Wassers (Einwirkung der ionisierten Strahlung auf das wasserhaltige Gestein) und Korrosion der Fässer entstehen ca. 5000m³ Hydrogen. In einigen Fässern, die organische Materie enthalten, bildet sich auch Hydrogen. Diese können aufgrund des Drucks, der dadurch höher wird, explodieren. Die Geräte und Batterien, die eingesetzt werden sollen, sind auch eine Gefahrenquelle, sie produzieren auch Hydrogen. Das Gas trägt weiter zur Entstehung von Rissen im Gestein bei (hier auch aufgrund des Drucks) und birgt enorme Explosionsgefahren. Bei einer Konzentration von 4% Hydrogen und einer defekten Lüftung kann es schnell zur Explosion kommen.
Das Brandrisiko ist sehr hoch. Die Höhlen müssen zur Verhinderung von Explosionen mit einer Lüftung ausgestattet werden. Die Kombination von Hydrogen, Sauerstoff, bitumierten Abfällen (entspricht insgesamt 10.000 Tonnen Bitumen) ist aber äußerst ungünstig. Es reicht ein kleiner Funke für eine Katastrophe. Selbst die atomare Aufsichtsbehörde ASN sieht diese Gefahren – sie fordert die Andra dazu auf, ihr Konzept noch vor Beantragung der Baugenehmigung zu verbessern.
Es ist zu befürchten, dass aufgrund der Länge der Höhlen ein Unfall erst zeitverzögert registriert werden würde. Bei einem Unfall in der Waste Isolation Pilot Plant (WIPP) in New Mexiko (USA) 2014 – bis zu diesem Zeitpunkt durch die Andra als Vorzeigeprojekt für Bure angepriesen -, wo die US-Regierung schwach radioaktiven Atommüll aus militärischen Quellen in 655 Meter Tiefe eingelagert hat, wurde der Unfall erst entdeckt, nachdem Radioaktivität an der Erdoberfläche gemessen wurde. Ein Atommüllfass war nach einer chemischen Reaktion in Brand geraten. Ursache war menschliches Versagen und die Idee Kosten zu sparen, indem in den Höhlen ein Mineralgemisch durch ein organisches Gemisch ersetzt wurde. Arbeiter*innen konnten sich erst nach sieben Wochen der Unfallstelle nähern. Bei einem früheren Unfall, dem Brand eines LKW, der ein Atommüllfass unterirdisch beförderte, wurde die fehlerhafte Verpackung des Mülls als Ursache für den Brand ausgemacht. Aktuell steht die Anlage still, der Betrieb soll 2021 wieder aufgenommen werden. Die Kosten des Unfalls werden auf zwei Milliarden US-Dollar geschätzt. Beim WIPP ging es um schwach radioaktivem Müll. Das Problem mit den großen Mengen Hydrogen stellt sich, anders als in Bure, nicht.
Die Höhlen sollten 10 000 Jahre dicht halten. Sie sind es nach wenigen Jahren nicht mehr, Decken stürzen ab und der Müll ist nach dem Unfall auch nicht mehr rückholbar. Selbst unter besseren Voraussetzungen als in Bure, ereignete sich im WIPP ein Unfall, der laut den Verantwortlichen statistisch gesehen alle 200.000 Jahre vorkommen können soll. (2)
Unterstützung
Sowohl der aktive Widerstand auf der Straße als auch Gegenexpertise verlangen den Projektgegner*innen viele Ressourcen ab. Sie freuen sich über Unterstützung. Bure ist überall!
Geld- und Sachspenden sind eine wichtige Form der Unterstützung (3). Du kannst den Widerstand aber auch durch die Gründung eines Unterstützungskomitees fördern, du kannst dich in die Mailingliste zum Austausch von Informationen auf Deutsch eintragen lassen (1). Solifotos von Infos über Solidaritätsaktionen nach Bure schicken (das wird auf de.vmc.camp veröffentlicht) oder den Widerstand vor Ort persönlich unterstützen, zum Beispiel bei der angekündigten Demo am 16. Juni. (4)
Du kannst auch bei der bundesweiten Kampagne gegen Atomtransporte mitmachen und dazu beitragen, dass Atommüll verhindert wird, bevor er entsteht. (5)
Die Autorin dieses Beitrages steht außerdem für einen Vortrag über Bure in deiner Stadt zur Verfügung. (6)
Eichhörnchen
(1) Siehe: http://de.vmc.camp/2017/09/22/aufruf-dezentrale-unterstuetzer-komitees-fuer-bure-zu-organisieren/
(2) Siehe "L'opposition citoyenne au projet Cigéo" sous la direction de Pierre Ginet, Géographe, Edition L'Harmattan, ISBN 978-2-343-11881-9 - Die Zahlen wurden aus dem Buch entnommen, darin sind Beiträge der kritischen Wissenschaftlern Godinot und Thuillier enthalten.
Vortrag von Bertrand Thuillier: http://burestop.free.fr/spip/IMG/pdf/cige_o_et_dossier_de_su_rete_andra_irsn_-_b.thuillier_12.08.2017_final.pdf
(3) Spendenkonten:
Für Material
Association les amis des affouages
IBAN: FR76 1027 8020 0100 0211 0990 168
BIC: CMCIFR2A
Betreff: Soutien anti-cigeo
Für die Prozesskosten
CACENDR
IBAN: FR76 1027 8040 2600 0200 8130 287
BIC: CMCIFR2A
Betreff: Soutien anti-cigeo
(4) Infos gibt es dann auf http://de.vmc.camp
(6) Vortragsanfrage bitte an: vortrag@eichhoernchen.fr richten.
Literaturhinweis
Cécile Lecomte: "Kommen Sie da runter!" Kurzgeschichten und Texte aus dem politischen Alltag einer Kletterkünstlerin, Verlag Graswurzelrevolution, 189 Seiten, 25 Abbildungen, 16,90 Euro, ISBN 978-3-939045-23-6, www.graswurzel.net/verlag/eichhoernchen.php