Lou Marin

Rirette Maîtrejean

Attentatskritikerin, Anarchafeministin, Individualanarchistin

16,90 

Attentatskritikerin, Anarchafeministin, Individualanarchistin im französischen Milieu libre vor dem Ersten Weltkrieg: Diese Biographie mit einer Auswahl übersetzter Artikel bietet die Möglichkeit, sich mit Leben und Werk der bisher im deutschsprachigen Raum unbekannten Rirette Maîtrejean auseinanderzusetzen.

Beschreibung

Lou Marin
Rirette Maîtrejean
Attentatskritikerin, Anarchafeministin, Individualanarchistin

262 Seiten,16,90 Euro
ISBN 978-3-939045-26-7

Rirette Maîtrejean (1887-1968), Anarchafeministin und Individualanarchistin im französischen Milieu libre vor dem Ersten Weltkrieg, wandte sich in ihren Souvenirs d’anarchie (1913) entschieden gegen anarchistische Attentate und Raubüberfälle, von denen besonders die „Affäre Bonnot“ bis heute erinnert wird.

Die daraus entstandenen konfliktgeladenen Diskussionen führten zur Schwächung der anarchistischen Massenbewegung beim Kriegseintritt Frankreichs 1914. Die staatliche Repressionswelle traf nicht nur das vielfach von Anarchafeministinnen geprägte lebensreformerische und individualanarchistische Milieu, sondern zwang auch alle anderen anarchistischen Strömungen (u.a. Syndikalismus, kommunistischer Anarchismus) dazu, Stellung zu beziehen.

Rirette Maîtrejean argumentierte in den Zwanziger- und Dreißigerjahren gegen ihren ehemaligen Lebenspartner und Gesinnungsgenossen Victor Serge, als dieser als Konsequenz aus dem gescheiterten „Illegalismus“ den Staatsterror der jungen Sowjetunion befürwortete. Während und nach dem Zweiten Weltkrieg begegnete sie Albert Camus, der ihre Erfahrungen in seiner Kritik des Nihilismus ausformulierte.

Diese Biographie mit einer Auswahl übersetzter Artikel bietet die Möglichkeit, sich mit Leben und Werk der bisher im deutschsprachigen Raum unbekannten Rirette Maîtrejean auseinanderzusetzen.

Inhalt

Einleitung: Von der „Propaganda der Tat“ zur „Bande à Bonnot“

I. Kapitel: Die Abrechnung

Rirette Maîtrejeans Flucht vor Zwangsheirat; die „Causeries populaires“, die Zeitung l’anarchie, ihre anarchafeministischen Positionen zur freien Liebe; ihre Rolle als individualanarchistische Attentatskritikerin. Die Bonnot-Affäre und der Prozess von 1913. Rirette Maîtrejeans Abrechnung in den Souvenirs d’anarchie.

II. Kapitel: Die Reaktionen

Das „Milieu“ libre und der zeitgenössische Anarchafeminismus; Syndikalismus, kommunistische AnarchistInnen und deren Stellungnahmen zu Rirette Maîtrejean. Repressionsangst als Hauptgrund für das Scheitern eines wirksamen Kriegswiderstands am Vorabend des Ersten Weltkriegs.

III. Kapitel: Die Schlussfolgerungen

Solidarität und zeitweiliger Bruch mit Victor Serge; Pierre Ruff und die Zwanzigerjahre; Rückblick auf die Zeit der Bonnot-Affäre in den Dreißigerjahren. Begegnungen mit Albert Camus und dessen theoretische Ausformulierung der Attentatskritik Rirette Maîtrejeans nach dem Zweiten Weltkrieg.

Anhang (Originalartikel, übersetzt von Andrea Schärer und Lou Marin)

Rirette Maîtrejean: Das Zusammenleben (1909) Rirette Maîtrejean: Unanständigkeit, Prüderie (1911) Rirette Maîtrejean: Und die Unseren? (1912) Rirette Maîtrejean: Eine schlechte Tat (1931) Rirette Maîtrejean: Pierre Ruff (1948) Rirette Maîtrejean: Von Paris nach Barcelona (1959)

Anmerkungen

Französische Filme mit und über Rirette Maîtrejean

Einleitung

Von der „Propaganda der Tat“ zur „Bande à Bonnot“

Im Hinblick auf islamistische individuelle Attentate seit dem 11. September 2001 meinte der 2009 verstorbene anarchistische Archivar, Publizist und geistige Vater des gescheiterten Kommuneprojekts „Projekt A“, Horst Stowasser, im Jahre 2005 in einem Interview: „Das ‚Terrorismus‘-Etikett haben ja jetzt andere, und wie ich meine, mit Recht.“ (1) Darin ist ein Aufatmen herauszuhören, jedoch noch keine Analyse, warum die in der öffentlichen Diskussion und den bürgerlichen Medien lange Zeit, ausgehend von der anarchistischen Attentatswelle in den Neunzigerjahren des 19. Jahrhunderts, gelungene Inszenierung des Schreckens vor dem Anarchismus nunmehr, angesichts der Attentatswelle des islamistischen Terrorismus einer Inszenierung des Schreckens vor dem Islam gewichen ist. Wenig bekannt ist, dass die anarchistische „Propaganda der Tat“ bereits von ZeitgenossInnen aus den eigenen Reihen kritisiert wurde, die mit Entschlossenheit und Klarsicht die Praxis der individuellen Attentate öffentlich verurteilten und mit den Prinzipien des Anarchismus für unvereinbar erklärten. Die in diesem Buch vorgestellte Anarchafeministin und Individualanarchistin Rirette Maîtrejean (1887-1968) gehört zu diesen Selbstheilungskräften der Anarchie. Und da sie ihre Erfahrungen an Albert Camus (1913-1960) weitergegeben hat, wird sie dessen Blick auf den historischen Anarchismus und vor allem seine Kritik des individuellen Terrors mit beeinflusst haben. Aber ist nicht jede Form des Terrorismus notwendig freiheitsfeindlich? Der Terror dient der Unterwerfung, er erzwingt Zustimmung durch Angst und Schrecken. Oder er erzeugt wiederum Reaktionen der Abwehr, die ebenfalls unterdrückerisch, oft terroristisch sind. Jegliche freie Überzeugung, jede Freiwilligkeit überhaupt wird so bekämpft. Die moderne Geschichte des Terrorismus beginnt laut Gilles Ferragu mit dem Staatsterror, auf den das individuelle Attentat folgt. Beispielhaft dafür steht die Adelige Charlotte Corday während der Französischen Revolution, die 1793 als Mitglied der „Girondisten“ den aus ihrer Sicht Hauptverantwortlichen der staatlichen Schreckensherrschaft, den „Jakobiner“ Jean Paul Marat, mit einem Küchenmesser in seiner Badewanne ermordete. (2) AnarchistInnen können mit diesem Ausgangspunkt des Terrorismus als Staatsterror übereinstimmen: Der Staatsterror ebenso wie die Antwort darauf, das individuelle Attentat, verbreiten Angst, Schrecken und Rachephantasien im Sinne eines Herrschaftswillens. Mit ihrer Intention einer erzwungenen Anpassung sind sie aus anarchistischer Sicht Fleisch vom selben Fleische: Oft ist der Terror des individuellen Attentats der Staatsterror in spe, ausgeführt von Individuen oder Gruppen, die noch nicht an der Macht sind, deren angewandte Methoden aber bereits vom künftigen Staatsterror künden. Der Staatsterror seinerseits bewirkt wiederum individuellen Terrorismus als angebliches Mittel zu seiner Bekämpfung. Wirklicher Anarchismus, wie ihn Rirette Maîtrejean verstand, hatte nichts mit diesen beiden Seiten autoritärer und staatlicher Politik zu tun. Sie kritisierte daher neben dem Staatsterror und der Staatsrepression auch den individualistischen Terror ihrer Zeit und ihrer Bewegung. Als maßgebliche Beteiligte der anarchistischen Bewegung, vor allem der individualistisch-anarchistischen Strömung in Frankreich vor dem Ersten Weltkrieg, veröffentlichte sie die heute im französischen anarchistischen Milieu bereits berühmt-berüchtigte „Abrechnung“ aus dem Jahre 1913 unter dem Titel Souvenirs d’anarchie (Erinnerungen an l’anarchie; der Titel verweist auf die gleichnamige Wochenzeitung; Rirette Maîtrejean beanspruchte nicht, mit Anfang Zwanzig ihre Memoiren zu schreiben, daher im Sinne von: Erinnerungen an die Zeitung l’anarchie). Diese „Abrechnung“ wird im Mittelpunkt dieser biographischen Skizze stehen. Rirette Maîtrejean ließ nichts an der Politik der individuellen und kollektiven Attentate gelten. (3) In dieser, ihr weiteres Leben prägenden Phase von 1911 bis 1913, war Rirette Maîtrejean bereits mit der historisch zweiten Welle anarchistischer Attentate innerhalb der französischen anarchistischen Bewegung konfrontiert, die nun schon nicht mehr „Propaganda der Tat“, sondern „Illegalismus“ genannt wurde. In dieser Zeit fanden die kollektiven, bewaffneten Überfälle der sogenannten „Bande à Bonnot“ (Bonnot-Bande) statt, über die es in Frankreich bis heute viele Mythen und Legenden gibt. Die bürgerlichen Boulevard-Blätter trugen seinerzeit mit ihren Berichten über bedrohliche Schreckensszenarien zu dieser Legendenbildung bei. Ein kurzer Rückblick auf die erste Welle anarchistischer Attentate, die eigentliche Zeit der „Propaganda der Tat“, und ihren Höhepunkt von 1892-1894, ist deshalb notwendig, bevor ich in die Biographie von Rirette Maîtrejean einsteigen kann. Die für diese erste Welle bekannt gewordene Formulierung „Propaganda der Tat“, die fast identisch mit individuellen Attentaten gebraucht wurde – was von der Wortbedeutung her keineswegs notwendig der Fall war, ließen sich doch unzählige „Taten“ auch als Streiks oder Sabotage, als Boykott, als gewaltfreie Aktion, als ziviler Ungehorsam, das heißt ohne Tötung oder Tötungsabsicht begründen – stammte vom italienischen Anarchisten Andrea Costa (1851-1910) und wurde in den Siebzigerjahren des 19. Jahrhunderts von der französischen anarchistischen Presse (die Zeitungen hießen damals u.a.: Le Drapeau noirLa Révolte, Le Pére peinard, La Lutte sociale) aufgegriffen. Der Anarchosyndikalist Fernand Pelloutier (1867-1901) beschrieb die Ursachen: „Die französische Sektion der Internationale [1864-1872] war aufgelöst, die Revolutionäre [der Pariser Commune von 1871] waren erschossen worden, in Gefangenenlagern der Kolonialgebiete oder dazu verdammt, ins Exil zu gehen (…), der Staatsterror zwang die wenigen Leute, die dem Massaker [der Massenerschießungen nach dem Ende der Commune] entkommen waren, sich ins Private zurückzuziehen.“ (4) Bei dieser historischen Lagebeschreibung wird bereits die Tendenz individueller Attentate als relativ perspektivlose Verzweiflungs- oder Rachetat und als Antwort auf den Staatsterror in Krisenzeiten der Bewegung angedeutet. Trotzdem wurde die Tendenz damals von großen Teilen der internationalen anarchistischen Bewegung geteilt, wofür schon die Abschlussresolution des anarchistischen Kongresses der Internationalen Arbeiter-Assoziation (IAA) im Juli 1881 in London zeugte. Dort wurde die bisher in Wort und Schrift betriebene Propaganda für ineffizient erklärt – gerade so, als seien dies die einzig möglichen Protestformen – und zur „Propaganda der Tat“ mittels Attentaten sowie zum direkten gewaltsamen Aufstand, der „Insurrektion“ aufgerufen: „Weil die technischen und chemischen Mittel der revolutionären Sache bereits Dienste erwiesen haben (…), empfiehlt der Kongress den Organisationen und Individuen der IAA, dem Studium und der Anwendung dieser Wissenschaften als Mittel sowohl zur Verteidigung wie zum Angriff große Aufmerksamkeit zuzuwenden.“ (5) Beeinflusst wurden die „Propagandisten der Tat“ im Frankreich der Neunzigerjahre dann auch durch Nachrichten aus dem zaristischen Russland und die Attentate der russischen NihilistInnen, u.a. dasjenige im Jahre 1878 von Wera Sassulitsch (1849-1919) gegen den General Treptow sowie das von Sofia Perowskaja (1853-1881) und Ignati Grinevitchki erfolgreich verübte Attentat auf den Zaren Alexander II. im Jahre 1881. Nahezu zeitgleich, 1878, versuchten im Deutschen Kaiserreich Max Hödel (1857-1878) und Karl Nobiling (1848-1878) Kaiser Wilhelm I. zu töten. Das Attentat misslang, der Kaiser wurde nur verletzt. Reichspräsident Bismarck nutzte es als Legitimation für die von 1878 bis 1890 geltenden „Sozialistengesetze“. Sehr verbreitet war die „Propaganda der Tat“ schließlich in Italien, wo der Anarchist Giovanni Passannante (1849-1910) gegen König Umberto I. von Italien ebenfalls 1878 ein Attentat mit einem Säbel durchführte, das den König nur leicht verletzte. Umberto wurde schließlich am 29. Juli 1900 durch Revolverschüsse des Anarchisten Gaetano Bresci (1869-1901) ermordet. Hier war bereits eine neue Qualität durch den Einsatz moderner Technik zu beobachten, die später bei der „Affäre Bonnot“ durch den Gebrauch von Autos noch gesteigert werden sollte. Am Anfang der Welle der französischen individuellen Attentate von 1892 bis 1894 stand der durch die damalige, bürgerliche Sensationspresse berühmt gewordene Name „Ravachol“ (1859-1892). Es war das Pseudonym von François Claudius Königstein, der wegen seines Nachnamens öfter als „Sohn eines Deutschen“ beschimpft worden war. Sein Motiv war bereits Rache für den Urteilsspruch eines Richters, der zwei anarchistische Demonstranten nach der Mai-Demonstration 1891, bei der es zu einer Schießerei mit der Polizei gekommen war und der Anarchist Louis Léveillé (geb. 1857, Todesjahr n. bek.) verletzt wurde, zu einer langen Gefängnisstrafe verurteilt hatte. Am 11. März 1892 brachte Ravachol einen Kochtopf mit Dynamitstangen vor der Wohnung des Richters zur Explosion; es gab keine Toten, aber der Sachschaden war groß. Am 27. März desselben Jahres explodierte eine weitere seiner Bomben vor dem Haus des Staatsanwalts, der im Prozess die Todesstrafe gefordert hatte – auch hier nur Sachschaden. Bei seinem ersten Prozess im April 1892 nahm Ravachol das Recht, sich als Rächer zu sehen, in Anspruch. Ravachol wurde zunächst zu lebenslanger Zwangsarbeit verurteilt, doch schnell holte ihn seine Vergangenheit ein: Er war in ärmlichen Verhältnissen aufgewachsen und bereits als Jugendlicher kriminell geworden. Ganz ähnlich sehen übrigens die frühen Lebenswege heutiger islamistischer Attentäter aus, etwa derjenigen, die das Attentat auf die Satirezeitschrift Charlie Hebdo am 7. Januar 2015 und die Anschlagsserie vom 13. November 2015 in Paris verübten. (6) Neben Einbrüchen hatte Ravachol bereits am 18. Juni 1891 einen vermeintlich reichen Eremiten in einer Kirche des Ortes Chambles getötet. Diesen Mord gestand er bei seinem zweiten Prozess im Juni 1892 mit der Begründung, er habe das Geld für Zwecke der anarchistischen Sache benötigt. Hier ist bereits die fatale Verbindung von Einbruch, Raub oder Raubmord – zur Geldbeschaffung – und individuellem Attentat gegen Menschen aus der herrschenden Klasse für die gute Sache der sozialen Freiheit angelegt, die in der Folge immer wieder in verschiedenen Formen als ideologische Legitimation auftreten wird. Ravachol wurde zum Tode verurteilt und am 11. Juli 1892 hingerichtet. In der bürgerlichen Presse wurde behauptet, er sei ein gutes Beispiel für die Gültigkeit der physiognomischen Theorien des „verbrecherischen Menschen“ von Cesare Lombroso – eine angebliche wissenschaftliche Theorie, die in Wirklichkeit rassistisch war und die Grundlage für die Pseudotheorie des „wissenschaftlichen Rassismus“ der Nazis bilden sollte. Aber auch in anarchistischen Kreisen wurde Ravachol mystifiziert, heroisiert: Es entstand ein vor Rachegedanken triefendes Lied, La Ravachole, und die anarchistische Wochenzeitung von Émile Pouget (1860-1931), Le Père peinard (etwa: der bequeme, eine ruhige Kugel schiebende Vater), unterstützte ihn propagandistisch. (7) Eine Hinrichtung wie die Ravachols wurde wiederum gerächt: Am 9. Dezember 1893 verübte der sich ebenfalls als Anarchist bezeichnende Auguste Vaillant (1861-1894) einen Anschlag auf das Parlament. Er warf eine Bombe mit Nägeln, Zink- und Eisenstücken von der Zuschauertribüne in die Abgeordnetenversammlung und verletzte dadurch ungefähr 50 Menschen, niemanden tödlich. Trotzdem wurde Vaillant am 5. Februar 1994 hingerichtet. Erklärtermaßen als Rache für Ravachol und Vaillant gelang es dem italienischen Anarchisten Santo Geronimo Casiero (1873-1894) am 24. Juni 1894 in Lyon, auf den in offener Kutsche fahrenden Präsidenten der französischen Republik, Sadi Carnot, mit einem Messer einzustechen. Carnot erlag wenige Stunden nach dem Attentat an seinen Verletzungen. Schließlich darf bei der Aufzählung der Attentäter dieser Welle der „Propaganda der Tat“ auch der Name Emile Henry (1872-1894) nicht fehlen, an dessen Tat der unmittelbare und nicht mehr rückgängig zu machende Übergang vom immerhin direkt auf Herrschende abzielenden Attentat zum simplen Angriff auf irgendwelche, zufällig ausgewählte Personen aus der Zivilbevölkerung festzumachen ist. Dadurch geriet bereits damals die Kategorie der „unschuldigen Opfer“ erstmals ins Blickfeld, mit der sich Rirette Maîtrejean in der zweiten Welle der Attentate von 1911 bis 1913 zentral auseinandersetzen musste. Emile Henry kam im Gegensatz zu Ravachol aus wohlhabenden bürgerlichen Kreisen und hatte bereits eine brillante Studienkarriere hinter sich. Mit dieser Mischung aus bürgerlichen Intellektuellen und prekär aufgewachsenen Außenseitern sollte es auch Rirette Maîtrejean zu tun bekommen. Zum Ablauf des Attentats von Henry genauer: Am 12. Februar 1894 „schlenderte der junge Mann die Avenue de l’Opéra [in Paris] entlang, auf der Suche nach einem ausreichend frequentierten Café, um dort eine Bombe hineinwerfen zu können. Wir müssen dabei notieren, dass er – laut seiner eigenen Aussage – seine Bombe in seinem Gürtel versteckt hat, ‚wie Vaillant‘. Die beredte Bezugnahme auf den Attentäter des Bourbonen-Palasts [das ist das Parlamentsgebäude] unterstreicht die gegenseitigen Einflussnahmen innerhalb der terroristischen Dynamik.“ (8) Henri hielt das Café Terminus in der Nähe des Bahnhofs Saint-Lazaire für geeignet und warf die Bombe. Rund 20 Personen wurden verletzt, eine davon starb später an ihren Verletzungen. Nach seiner Festnahme, am 23. Februar 1894, bekannte sich Henry außerdem zu dem Bombenanschlag auf das Pariser Büro einer Bergbaugesellschaft der südwestfranzösischen Stadt Carmaux vom 8. November 1892. Die dort deponierte Bombe war allerdings nicht losgegangen, wurde gefunden und aufs Polizeirevier gebracht, wo sie dann unerwartet und verspätet explodierte und fünf Polizeibeamte tötete. Henrys Prozess fand Ende April 1894 statt, er wurde am 21. Mai 1894 hingerichtet. Vor Gericht sagte er aus, der Streik in Carmaux habe pazifistisch geendet und zeige die Unfähigkeit der Arbeiterklasse, sich gewaltsam zu verteidigen. Diesen Angriff auf nicht-gewaltsame Aktionsformen der Arbeiterklasse verband er mit folgender Argumentation: „Wenn der Innenminister nach dem Attentat von Vaillant alle Anarchisten en bloc verfolgen will, nun dann werde er, Henry, die ‚Bürger‘ des Café Terminus ebenfalls en bloc verfolgen, jene ‚tierische und eingebildete Masse, die sich immer auf die Seite des Stärkeren schlägt, diese alltäglichen Gäste im Café Terminus und anderer großer Cafés‘, auf die er ‚blindlings einschlägt‘ und so ‚die Verfolger verfolgen‘ wolle.“ (9) Für Émile Henry gab es somit keine Unschuldigen in der bürgerlichen Klassenherrschaft mehr. Und im Prozess fiel auch der für die anarchistische Attentatspolitik verhängnisvolle Satz: „Ich wollte töten, und zwar so viele Leute wie möglich.“ (10) Hier war die Selbstlegitimation für individuelle Attentate nun innerhalb von zwei Jahren bei einer Dynamik des Terrors und der Verurteilung willkürlicher Massen im Namen des Anarchismus angekommen, die sich formal nicht mehr von der phänomenologischen Form einer Attentatspolitik à la Al-Qaida oder des Islamistischen Staates (IS), etwa bei den Pariser Attentaten vom Januar und November 2015, unterscheidet, sondern nur noch vielleicht in ostentativer Brutalität und im quantitativen Ausmaß der Letzteren. Aber die Form – und das gilt für jede gewaltfrei-libertäre Analyse seit langem – ist auch gleichzeitig Inhalt. Im Rahmen dieser Dynamik setzte der Staat – wie immer seitdem – eine Gegendynamik in Form von Repression und Gesetzesverschärfungen in Gang, die damals von ihren GegnerInnen die „lois scélérates“ (niederträchtige Gesetze) genannt wurden. Sie umfassten das erste Gesetz vom 12. Dezember 1893 mit einer äußerst restriktiven Neuinterpretation der Pressefreiheit; das zweite Gesetz vom 18. Dezember 1893 über „kriminelle Vereinigung“, eine sehr extensiv ausgelegte Komplizenschaft, verbunden mit der Aussetzung von Belohnungen für Denunziation; sowie ein drittes Gesetz vom 28. Juli 1894, ein Ausnahmegesetz, durch das jede anarchistische Propaganda und Werbung, durch welches Mittel auch immer, unter Strafe gestellt wurde. Insbesondere erlaubte es das dritte Gesetz den Gerichten, ein Verbot der Veröffentlichung von Gerichtsdebatten zu verhängen und damit der Nutzung des Gerichtsverfahrens als Tribüne für die Staatskritik durch die Angeklagten den Boden zu entziehen. Rirette Maîtrejean sollte während ihrer Agitation zur Zeit der zweiten Welle individueller Attentate mit genau diesen Gesetzen konfrontiert werden. Obwohl nach dem Zweiten Weltkrieg in Frankreich so kaum mehr angewandt, sind diese Gesetze aus dem französischen Gesetzbuch erst am 23. Dezember 1992 gestrichen worden. Dafür wurden schon 1958 im Algerienkrieg, und seither immer wieder bis hin zu den unmittelbaren staatlichen Reaktionen auf die Attentate des 13. November 2015 in Paris in vergleichbarer, aber anderer Weise Notstandsgesetze flächendeckend umgesetzt. Zurück zur Zeit der „Propaganda der Tat“: Es zeigte sich allerdings schnell, dass dieser juristische Furor der Regierenden in der Praxis schwer aufrechterhalten werden konnte. Nach einer sechs Monate andauernden Verhaftungswelle fand am 6. August 1894 der „Prozess der Dreißig“ statt. Den Angeklagten wurde „Komplizenschaft“ vorgeworfen, das heißt, terroristische Attentate ideologisch unterstützt zu haben. Unter anderem befanden sich wichtige zeitgenössische anarchistische Publizisten auf der Anklagebank, etwa Jean Grave (1854-1939), der Herausgeber der einflussreichen Zeitschrift La Révolte (Die Revolte); Sébastien Faure (1858-1942), der 1895 zusammen mit der bekannten Anarchistin Louise Michel (1830-1905) die traditionsreiche Zeitschrift Le Libertaire (Der Libertäre) gründen sollte und der von der Anklage als „Handlungsreisender in Sachen Anarchismus“ bezeichnet wurde; aber auch ein anarchistischer Aktivist, Léon Ortiz (geb. 1868, Todesjahr n. bek.), dem die Gründung eines Kollektivs, einer „Ortiz-Bande“ unterstellt wurde. Andere wie Émile Pouget oder Paul Reclus (1858-1941) waren nach London geflüchtet und wurden in Abwesenheit verurteilt. Besonders aufgrund einer überzeugenden Verteidigungsrede von Sébastien Faure endete der Prozess jedoch mit einem differenzierten Urteil: Die meisten der dreißig Angeklagten wurden freigesprochen, die Aktivisten und die Abwesenden wurden zwar zu langen Jahren Zwangsarbeit verurteilt, alle Urteile aber durch eine Generalamnestie wenige Monate später aufgehoben. Ferragu: „Es war wie ein ‚Frieden der Tapferen‘, auf die Libertären zugeschnitten, mit dem Ziel, die Diskussionen zu beruhigen und die Logik der Blutrache zu durchbrechen. Außerdem fiel dieses befriedende Urteil zeitlich mit der Einschätzung der Anarchisten selbst zusammen, die ‚Propaganda der Tat‘ sei gescheitert.“ (11) In der Tat hatte sich Peter Kropotkin (1842-1921) zwar seit 1881 für das Prinzip der „Propaganda der Tat“ ausgesprochen. Dabei war sogar positiv von „unseren Vorfahren von 1793-1794“, also der Phase der Terreur während der Französischen Revolution, die Rede, doch ab 1891 gab er in La Révolte zu, dass sich ein „Gebäude, das in Jahrhunderten der Geschichte errichtet wurde, nicht einfach mit ein paar Kilo Sprengstoff zerstörten lässt.“ (12) Im Rückblick haben sich einige heutige Anarchismusforscher dieses selbstkritische Fazit Kropotkins zu eigen gemacht. So schrieb der englische Anarchismusforscher David Berry in dessen Einleitungskapitel zu seinem 2002 erschienenen Überblickswerk A History of the French Anarchist Movement (Eine Geschichte der französischen anarchistischen Bewegung): „Insgesamt hatte die terroristische Epoche sehr wenig positive Auswirkungen. Diese Strategie erreichte keine große Unterstützung in der Bevölkerung und konnte eine Zeit lang nur durch die sich aufschaukelnde Logik von Märtyrertum und Rache vorherrschendes Thema werden. (…) Die zur Verfügung stehenden Dokumente lassen in Wirklichkeit eher das Gegenteil vermuten: So hat die terroristische Epoche nichts anderes als die Isolierung der AnarchistInnen produziert, die zunehmende Feindschaft anderer Tendenzen des Sozialismus, eine gesteigerte Repression und ein negatives und gewaltsames Bild, das die AnarchistInnen seit dieser Zeit kaum wieder loswerden konnten. Dies hatte schon Jean Maitron, der Autor des Buches Histoire du mouvement anarchiste en France (1880-1914) [Geschichte der anarchistischen Bewegung in Frankreich, 1880-1914] bestätigt, der diesen Zeitabschnitt als ‚Kinderkrankheit des Anarchismus‘ bezeichnete.“ (13) Doch zurück zu den unmittelbar zeitgenössischen Schlussfolgerungen der anarchistischen AktivistInnen aus dem unmittelbaren Scheitern der „Propaganda der Tat“: Eine erste, noch halbherzige Konsequenz zogen daraus in den Jahren 1899-1903 die sogenannten „Travailleurs de nuit“ (Nachtarbeiter), ein in mehreren Gruppen organisiertes, oft an verschiedenen Orten gleichzeitig zuschlagendes Netzwerk von Dieben und Einbrechern um den aus Marseille stammenden Anarchisten Alexandre Marius Jacob (1879-1954). Die „Nachtarbeiter“ waren gut ausgerüstet und raubten Villen und Landhäuser von reichen Kapitalisten, Bankbesitzern, Adeligen und manchmal auch reichen Witwen aus, die sie vorher intensiv ausgekundschaftet hatten. Sie behaupteten, auf diese Weise den populären Spruch Pierre-Joseph Proudhons (1809-1865), „Eigentum ist Diebstahl“, in die Tat umzusetzen. Sie bezeichneten ihre Einbrüche als „individuelle Expropriation“, als Enteignung dieses realen Diebstahls der Kapitalisten, oder auch als „reprise individuelle“ (individuelle Wiederaneignung). Zehn Prozent der Beute wurde anarchistischen Hilfsbedürftigen und Familien, Projekten und Zeitungen gespendet. In ihrer Hochzeit, Anfang 1901, machten diese Gruppen, bei einem Einbruch jeweils zu dritt vorgehend, rund 20 Diebstähle pro Woche in ganz Frankreich. Insgesamt wurden den „Nachtarbeitern“ im Nachhinein über 1000 Einbrüche zugeschrieben, gerichtlich nachgewiesen werden konnten ihnen ungefähr 150. Alexandre Marius Jacob sprach hier in damals typischem Modernisierungsglauben von einer „Industrialisierung des Diebstahls“ – die Einbrecher-Gruppe fuhr mit dem Abendzug zum Ort des Einbruchs und bereits mit dem ersten Morgenzug wieder fort. Ihnen kam die damalige Rückständigkeit der nachrichtendienstlichen Behörden zugute, die Listen von Verurteilten und Verdächtigen nicht von einem Departement ins andere zum Daten- und Informationsabgleich weitergeben konnten; es fehlte an einer landesweiten Kriminaldatei. Doch entscheidende Bestandteile der „Propaganda der Tat“ blieben bei Alexandre Jacob erhalten: Ebenso wie der Anarchist Charles Malato (1857-1938) kritisiere er zwar die Bombenattentate der Neunzigerjahre, doch gemeinsam stellten sie weiter Sprengstoff und Bomben her, diesmal zur Hortung und Rücklage für die letztlich doch anvisierte gewaltsame Revolution, deren Vorbereitung einstweilen per Diebstahl finanziert werden sollte. Und die „Nachtarbeiter“ waren bei ihren Einbrüchen immer bewaffnet. Wurden sie von zufällig doch anwesenden Hausmeistern oder Eigentümern oder auch NachbarInnen, die die Polizei holten, ertappt, machten sie bei ihrer Flucht wahllos von der Waffe Gebrauch und töteten vor allem mehrere Gendarmen. Die letzten beiden am 21. April 1903, als der erschöpfte Jacob schließlich verhaftet wurde. Trotz anfänglicher anarchistisch-moralischer Rigidität Jacobs und seiner GenossInnen schlichen sich in seine Gruppen auch zunehmend reine Egoisten mit vorwiegend kriminellem Hintergrund ein. Dies führte dazu, dass die Abgaben für die Sache zunehmend kritisiert wurden, dass Beuteanteilsentwendungen, interne Streits, schließlich beim Prozess auch Spitzelaussagen ehemaliger FreundInnen vorkamen und zur zunehmenden Selbstzerfleischung der Gruppe und zur Ermordung von VerräterInnen, etwa einer langjährigen Freundin eines Vertrauen Jacobs, Gabrielle Damiens, beitrugen. Dieses „Intermezzo“ der „Nachtarbeiter“ um Marius Jacob, zeitlich zwischen der „Propaganda der Tat“ von 1892 bis 1894 und der „Bonnot-Affäre“ von 1911 bis 1913 gelegen, machte einerseits erstmals den Begriff des „Illegalismus“ weithin populär, der nun zunehmend anstatt dem der „Propaganda der Tat“ für Einbruch und Raubüberfall benutzt wurde. Das Intermezzo zeigte andererseits aber auch durch die Verurteilung von Jacob im nächsten großen Massenprozess nach dem „Prozeß der Dreißig“, mit nunmehr 23 Angeklagten, der vom 8. bis 22. März 1905 in Amiens stattfand, dass der Preis für das Scheitern von Aktionen des Illegalismus sehr hoch war: Jacob zum Beispiel wurde zu lebenslanger Zwangsarbeit in den Kolonialstraflagern (Bagne) Guyanas verurteilt, wo er nach einem langen Überlebenskampf, der die gesamte zweite Phase seines Lebens ausmachte, als einer der wenigen Gefangenen 23 Jahre lang überlebte und dann noch einmal zwei Gefängnisjahre in Frankreich verbringen durfte, bevor er frei kam. (14) Ein Preis für das Risiko des Illegalismus, den Rirette Maîtrejean, das werden wir im Folgenden sehen, immer als zu hoch erachtete. Der kommunistische Anarchist Daniel Guérin (1904-1988) schlug in seinem Buch Ni Dieu ni maître (Weder Gott noch Herr) im Jahre 1965 vor, die AnarchistInnen täten wohl daran, „nicht immer nur die Abwege [des Anarchismus] wie den Terrorismus, das individuelle Attentat, die Propaganda durch Sprengstoffe dem Vergessen zu entreißen und für sie die Werbetrommel zu rühren.“ (15) Mit dem Versuch, gerade die Kritik der Anarchafeministin und Individualanarchistin Rirette Maîtrejean an dieser Politik der anarchistischen Attentate in den Vordergrund zu stellen, das heißt die unmittelbar ebenfalls vorhandene anarchistische Fähigkeit zur Selbstkritik und damit die Selbstheilungskraft des Anarchismus, wird hier diesem Vorschlag nachgekommen. Dabei wird deutlich werden, dass Rirette Maîtrejean auch nicht den späteren Weg ihres damaligen Lebensgefährten Victor Serge (1890-1947) und damit den Weg vieler französischer AnarchistInnen nach dem Ende des Ersten Weltkriegs und in den Zwanzigerjahren einschlug, der in einen noch gewaltsameren, weil massenhafte Gewalt und marxistisch-leninistischen Staatsterror befürwortenden Kommunismus oder Bolschewismus mündete. Denn die Kritik an den individualanarchistischen Attentaten vor dem Ersten Weltkrieg wurde von zwei einander entgegengesetzten Seiten her geführt: Von der trotz allem weiter individualistisch argumentierenden Gewaltkritik in der Folge Rirette Maîtrejeans und vom revolutionären Syndikalismus, der die Kritik der individuellen Attentate mit einer unmittelbaren Apologie der revolutionären Gewalt der Arbeitermassen verknüpfte. Als sich das Scheitern der historischen Phase der „Propaganda der Tat“ abzeichnete und am Ende des Prozesses von Amiens gegen die „Nachtarbeiter“ von 1905 wurde Rirette Maîtrejean, die eben in diesem Jahr 1905 in Paris eintraf, also mit dem anarchistischen Milieu in Frankreich bekannt. Als Teil dieser Bewegung wurde sie dann mit einer modernisierten Variante und der zweiten Welle anarchistischer Attentate von 1911 bis 1913 konfrontiert: Den mit einem Auto durchgeführten Raubüberfällen der Gruppe um Jules Bonnot (1876-1912), die damals in den bürgerlichen Hetzmedien „Bande à Bonnot“ genannt wurde.

Anmerkungen

(1) Horst Stowasser: „Projekt A / Plan B“, in: Graswurzelrevolution, Nr. 304, Dezember 2005.

(2) Gilles Ferragu: Histoire du Terrorisme (Geschichte des Terrorismus), Éditions Perrin, Paris 2014, S. 12f.

(3) Rirette Maîtrejean: Souvenirs d’anarchie (Erinnerungen an die Anarchie), 1913, Éditions La Digitale, Quimperle 1988, hier Auflage Baye 2005.

(4) Fernand Pelloutier, zit. nach Gilles Ferragu: Histoire du Terrorisme, a.a.O., S. 103.

(5) Wortlaut der Resolution des IAA-Kongresses vom Juli 1881 in London, zit. nach: Gilles Ferragu: ebenda, S. 104f.

(6) Lou Marin: „Frankreichs hausgemachter Terror“, in: Hintergrund, Franfurt/M., Nr. 1/2016, S. 37ff.

(7) Zum Fall Ravachol vgl. Gilles Ferragu: Histoire du Terrorisme, a.a.O., S. 107-112.

(8) Gilles Ferragu, ebenda, S. 115f.

(9) Émile Henry, referiert nach: Gilles Ferragu, ebenda, S. 117.

(10) Émile Henry, zit. nach: Gilbert Guilleminault, André Mahé: L’épopée de la révolte (Das Heldenepos der Revolte), Éditions Denoël, Paris 1963, S. 122.

(11) Gilles Ferragu, ebenda, S. 112ff. sowie S. 121ff., Zitat S. 122.

(12) Peter Kropotkin, zit. nach Ferragu, ebenda, S. 101 und S. 122.

(13) David Berry: A History of the French Anarchist Movement, 1917-1945 (Eine Geschichte der französischen anarchistischen Bewegung, 1917-1945), Greenwood Press, Westport/Connecticut, London 2002, S. 15. Inzwischen ist die Übersetzung ins Französische erschienen: Le Mouvement anarchiste en France, 1917-1945, Ko-Edition von Éditions Noir et Rouge und Les Éditions libertaires, Paris 2014.

(14) Alle Informationen zu Alexandre Marius Jacob vgl. Michael Halfbrodt: Alexandre Marius Jacob – Lebensgeschichte eines anarchistischen Diebes, Syndikat-A Medienvertrieb, Moers 1994 sowie die jüngst erschienene deutsche Übersetzung eines biographischen Romans von Bernhard Thomas: Die vielen Leben des anarchistischen Diebes Alexandre Jacob, Roman, Verlag Edition AV, Lich 2015. Die wichtigsten französischsprachigen Biographien zu Jacob stammen von Jean-Marc Delpech: Alexandre Jacob, l’honnête cambrioleur (Alexandre Jacob, der ehrbare Einbrecher), Ateliér de Création libertaire, Lyon 2008 sowie ders.: Alexandre Marius Jacob. Voleur et anarchiste (Alexandre Marius Jacob. Dieb und Anarchist), Nada Éditions, Paris 2015. Jüngst erschien ein umfassender Graphic-Novel-Band zu Alexandre Jacob von den Zeichnern Vincent und Gaël Henry: Alexandre Jacob. Journal d’un anarchiste cambrioleur (Alexandre Jacob. Tagebuch eines anarchistischen Einbrechers), Éditions Sarbacane, Paris 2016.

(15) Daniel Guérin, zit. nach André Bernard: „De la folie très raisonnable d’un ouvrier syndicaliste libertaire bavarois“ (Über die sehr vernünftige Verrücktheit eines libertären bayrischen Gewerkschafters und Arbeiters), Teil 1, in: Le Monde libertaire, Nr. 1765, 12.-18. Februar 2015, S. 14-15, hier S. 15; es handelt sich um eine Besprechung der in französischer Sprache erschienenen Broschüre von Fritz Oerter: Gewalt oder Gewaltlosigkeit?, Verlag Cerny, Wien/Leipzig 1920, wiederabgedruckt in: Graswurzelrevolution, Nr. 125, 1988, jetzt übersetzt erschienen beim Atelier de création libertaire, Lyon, Januar 2015, 32 Seiten.

I. Kapitel

Die Abrechnung [Auszug]

Rirette Maîtrejeans Flucht vor Zwangsheirat; die „Causeries populaires“, die Zeitung l’anarchie, ihre anarchafeministischen Positionen zur freien Liebe; ihre Rolle als individualanarchistische Attentatskritikerin. Die Bonnot-Affäre und der Prozess von 1913. Rirette Maîtrejeans Abrechnung Souvenirs d’anarchie.

Anna Henriette Estorges wurde am 14. August 1887 geboren und starb am 11. Juni 1968. Im Colombarium, oder wie despektierlich gesagt wird: Taubenschlag, dem Gebäude zur Aufbewahrung von Urnen nach der Einäscherung, des Pariser Friedhofs Père Lachaise, auf dem so viele RevolutionärInnen begraben sind und auf dem an einer Mauerstelle an die ermordeten KommunardInnen der Pariser Commune von 1871 erinnert wird, gibt es ein Kästchen mit der Nr. 2439. Darauf ist eingraviert: „Anna Estorges, genannt Rirette Maîtrejean, geboren am 14. August 1887 und gestorben am 11. Juni 1968“. Die französische studentische Revolte im Mai 1968 hatte sie weder bewusst miterleben noch verarbeiten können, obwohl sie wohl bei ihr auf Sympathie gestoßen wäre.

Anna Estorges kam noch während ihrer frühen Kindheit zu dem Spitznamen „Rirette“, den sie ein Leben lang beibehalten sollte und der eine Art Mischung aus Kosenamen und Abkürzung ihres zweiten Vornamens Henriette darstellt. Sie wurde auf dem Bauernhof ihrer Familie, dem Anwesen des Vaters Martin Estorges und der sechs Jahre jüngeren Mutter Jeanne Brunie, in dem Marktflecken Saint-Mexant im Departement Corrèze im südwestlichen Frankreich geboren. Offenbar reichte die Landwirtschaft nicht mehr zum Leben, die Familie war verarmt und zog kurze Zeit nach Rirettes Geburt in die nahe gelegene Stadt Tulle. Dort fand der Vater eine Arbeit als Maurer und konnte nach einigen Jahren ein Bauunternehmen eröffnen. Die Familie war damit aus dem Elend gerettet und für Rirette, die frühzeitig einen unabhängigen und regen Geist an den Tag legte, konnte sogar an ein Studium gedacht werden. Als Rirette nach Absolvierung der Grundschule den Wunsch äußerte, Lehrerin zu werden, stimmte der Vater zu und schrieb sie in eine höhere Mädchenschule ein, die sie für diesen Berufsweg absolvieren musste. Doch kurz danach, im Mai 1903, erkrankte ihr Vater an einer chronischen Magen-Darm-Grippe, kam ins Krankenhaus von Tulle und starb Ende Oktober desselben Jahres. Dies ließ die Familie wieder in die Armut stürzen, denn die Großväter sowohl väter- wie mütterlicherseits waren bereits gestorben und hatten ihnen nichts hinterlassen. Die Mutter, Jeanne, konnte kaum mehr das Überleben sichern. Rirette hätte am Ende ihrer Ausbildung ab einem Alter von 18 Jahren eine Klasse als Lehrerin übertragen werden können, doch sie war erst 16. Sie war bereits zu gebildet und zu stolz, um irgendwo als Haushaltshilfe zu arbeiten, zu selbstbestimmt, um eine Lehre zu machen und damit ihre Ausbildung abbrechen zu wollen. Die Mutter warf ihr das vor und sah keinen anderen Ausweg als zu versuchen, Rirette früh zu verheiraten. Aus Sicht der Mutter war sie eine Schönheit und mit ihrer Bildung hätte sie im kleinbürgerlichen Milieu eine gute „Partie“ abgegeben. Das Umfeld der Mutter bestärkte Jeanne in ihrer zunehmenden Borniertheit, Rirette die Heirat aufzuzwingen. Die spätere Ablehnung der Zwangsinstitution Ehe und ihr Bekenntnis zur freien Liebe hatten in dieser elementaren Zwangssituation Rirette Maîtrejeans ihren Erfahrungshintergrund.

Rirette setzte den Plänen ihrer Mutter einen hartnäckigen Widerstand entgegen. Sie sah, so bemerkt ihre französische Biographin Anne Steiner, „in dieser Konzeption der Heirat nur eine Variante der Prostitution“ (1) und verweigerte entschieden jedem von ihrer Mutter organisierten und vorgeführten potenziellen Ehemann die Zustimmung. Dadurch verschlechterte sich die Beziehung der Mutter zu ihrer Tochter gravierend und Rirette dachte mehr und mehr an eine Flucht aus dem Elternhaus. Dazu kam es bald und sie kam allein und mittellos im Winter 1904 im Pariser Bahnhof Austerlitz an.

Die „Causeries populaires“ und Albert Libertad

Rirette ging von dort ins 11. Arrondissement, wo es billige Zimmer und Arbeitsmöglichkeiten gab. Sie fand Arbeit im Bekleidungsgewerbe und ein Auftraggeber versorgte sie mit Stoff und Nähmaschine. Aber Rirette war bereits ausreichend gebildet, um sich nach weiterer Geistesnahrung zu sehnen und begab sich in die „Ideenkooperative“ im Pariser Vorort Saint-Antoine, wo es eine der damals bereits rund 200 Volksuniversitäten (Universités populaires) Frankreichs gab. Die Volksuniversitäten waren 1899 vom Anarchisten und Holzbildhauer Gorges Deherme (1870-1937) und dem Philosophie-Professor an der Sorbonne, Gabriel Séailles (1852-1922), gegründet worden und dienten zur autodidaktischen Bildung der Arbeiterklasse. Sie waren ein voller Erfolg und bestehen nach Phasen von Unterbrechungen in Frankreich heute noch. Es gab dort Bildungsvorträge, die engagierte Intellektuelle oder Universitätsprofessoren unendgeldlich durchführten, eine Leihbibliothek, Sprachkurse sowie regelmäßige juristische Beratung oder kostenlose medizinische Untersuchungen. Rirette traf dort zwei Schreiner, die sie bald zu nicht weit davon stattfindenden sogenannten Causeries populaires (Volkstümliche Diskussionsveranstaltungen) im individualanarchistischen Milieu von Paris mitnahmen. Diese „Causeries“ waren 1902 vom damals bekanntesten Individualanarchisten, Albert Libertad (1875-1908), einem Menschen mit Behinderung, der sich jedoch behände mit Holzkrücken bewegte, ins Leben gerufen worden und weitaus weniger formell, ja manchmal tumultös, als die Vorträge an den Volksuniversitäten waren. Bei den Causeries gab es weder Beitragszahlungen noch Statuten, jeder und jede konnte frei und ohne Anmeldung teilnehmen oder selbst reden. Libertad gründete auch im Jahre 1905 die Wochenzeitschrift l’anarchie, die schnell eine Auflage von 6000 Exemplaren erreichte und die im unmittelbar weiteren Verlauf des Lebens von Rirette Maîtrejean vor dem Ersten Weltkrieg zu deren politischer Heimat werden sollte. Die Kleinschreibung des Zeitungstitels ging auf die damalige Lebensgefährtin von Libertad, Anna Mahé (1882-1922), zurück, die in ihren Artikeln eine vereinfachte Sprache benutzte und eine Sprachreform forderte, die für Kinder aus unteren Schichten, die damals bereits mit ca. 12 Jahren arbeiten mussten, angemessener sei. In der Zeitschrift folgten ihr andere AutorInnen bei ihrer zum Teil kuriosen, eher lautmalerischen Schrift jedoch nicht.

Rirette Maîtrejean sah in Albert Libertad eine Art philosophischen und ideengeschichtlichen Lehrer. Anne Steiner schreibt zur Bedeutung von Libertad sowie der Entdeckung der Causeries und ihres Milieus für Rirette Maîtrejean:

„Rirette entdeckte bei ihrer zunehmend regelmäßigen Beteiligung an den Causeries eine Konzeption des Kampfes, die ihr unmittelbare Perspektiven der Emanzipation bot und ihrem ganzen bisherigen Leben einen Sinn vermittelte: dem Bruch mit einer Familie, die über ihr Leben entscheiden wollte; ihre Verbitterung über eine Schulausbildung, die ihr nur minimales Wissen vermittelt hatte; ihre Verweigerung, sich prekären und entwürdigenden Arbeitsbedingungen zu unterwerfen. Sonntags traf sie sich zu den von den AktivistInnen der Causeries organisierten Spaziergängen in den nahe gelegenen, noch in die Stadt hineinreichenden Waldgebieten von Paris, von denen sie berauscht von frischer Luft, die Arme voller gesammelter Blumen und den Geist voller lebensfroher Chansonrefrains zurückkehrte. Von ganzem Herzen folgte sie dem politischen Lebensmotto von Libertad:Nicht erst in hundert Jahren müssen wir anarchistisch leben!“ (2)

[…]

Anmerkungen

(1) Anne Steiner: Rirette, l’insoumise (Rirette, die Aufsässige), Mille Sources, Tulle 2013, S. 10.

(2) Anne Steiner, ebenda, S. 20f. sowie Angaben zu Anna Mahé S. 143ff.

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Buchvorstellung mit Lou Marin Lesung mit Lou Marin

Rezensionen

„In der Anarchie kommt es nur selten vor, dass man die Frauen nach ihrer Meinung fragt.“ (Rirette Maitrejean)

Wer ist Rirette Maitrejean? „Eine kleine, magere, agressive Kämpferin mit gotischen Profil.“ Mehr verrät uns Victor Kibaltchiche alias Victor Serge nicht in seiner Autobiographie Erinnerungen eines Revolutionärs, deren Erstausgabe 1951 in Paris erschienen ist. Und dies, obwohl er am 3. August 1915 diese Frau im Gefängnis heiratete und ihr von dort 528 Briefe, „alle durch die Gefängniszensur nummeriert, einer zärtlicher, gefühlvoller und mutiger als der andere“ (1) schickte. Fünf Jahre musste Victor Serge im Gefängnis verbringen, verurteilt wegen angeblicher Unterstützung der Bonnot-Bande.

Über einen Zeitraum von fünf Jahren erhielt Rirette zwei Briefe in der Woche von ihrem angetrauten Kampfgefährten. Serge erinnert in seiner Autobiographie verblüffend wenig an diese, für ihn real immer wieder wichtige Frau. Er erwähnt sie nebenbei, lediglich viermal und immer unter ihrem Spitznamen Rirette. Er belässt sie vollends im Dunkeln!

Rirette Maitrejean, am 14. August 1887 als Anna Henriette Estorges geboren, kritisierte Serge schon anlässlich seines in den Jahren 1929 und 1930 geschriebenen Buches Die Geburt unserer Macht wegen seiner „Kaltherzigkeit“ und einer „unwahrscheinlichen Fähigkeit zum Vergessen“ (2).

Hat Serge, der sicherlich berufen gewesen wäre an Rirette zu erinnern, aus welchen Gründen auch immer dieser Frau nicht gedacht, so ist vor kurzem im Verlag Graswurzelrevolution eine bemerkenswerte Biographie über diese französische Anarchafeministin und Individualanarchistin erschienen. Auf mehr als 200 Seiten zeichnet Lou Marin ein detailliertes und faszinierendes Bild der verloren gegangenen Welt des Pariser Untergrundes vor und nach dem Ersten Weltkrieg, welches geprägt war von den Diskussionen und Aktionen des anarchistischen Milieus.

Geflohen vor der Zwangsheirat suchte Rirette 1905 im Rahmen von Individual-anarchistischen, volkstümlichen Diskussionsveranstaltungen nach Bildung und entdeckte schließlich eine Konzeption des Kampfes, die ihr unmittelbare Perspektiven der Emanzipation bot. Sie lernte dort auch den 25-jährigen Sattler Louis Maitrejean kennen und lieben. Da sie bereits schwanger mit ihrer ersten Tochter Henriette war, heiratete sie Louis um ihrem Kind einen legalen Status zu geben. Zehn Monate nach der Geburt von Henriette wurde bereits die zweite Tochter – Sarah – geboren. Rirette trennte sich wieder von Louis am Ende der Bonnot-Affäre im Jahre 1913.

Wenn wir im deutschsprachigen Wikipedia „Bonnot-Bande“ eingeben, werden wir folgende Information bekommen: „Die Bonnot-Bande (La Bande à Bonnot) war eine kriminelle Gruppe, deren Mitglieder sich zum Anarchismus bekannten und die von 1911 bis 1912 in Frankreich und Belgien operierte. Sie setzte sich aus Personen zusammen, die sich mit der Philosophie des Illegalismus identifizierten und einer anarchistischen Szene entstammten. Die Bande nutzte eine hochtechnisierte Ausrüstung wie Repetierbüchsen und Automobile, die der Polizei noch nicht zur Verfügung standen. Die Bonnot-Bande bestand ursprünglich aus einer Gruppe französischer Anarchisten rund um die individualanarchistische Zeitschrift l’Anarchie. Sie wurde von Octave Garnier, Raymond Callemin und René Valet gegründet. Es war Garniers Idee, Automobile für kriminelle Taten zu nutzen. Jules Bonnot stieß im Dezember 1911 dazu. (…) Weitere, weniger zentrale Mitglieder waren (..) Victor Lwowitsch Kabaltchiche, (…) Rirette Maîtrejean

Lou Marin beschreibt minutiös die Ereignisse rund um die Bonnot-Affäre und dem Prozess 1913, in dem auch Rirette Maitrejean eine Mitangeklagte war, aber letztendlich freigesprochen wurde. Rirette und Victor waren beide keine (auch nicht weniger zentrale) Mitglieder der „Bande à Bonnot“. Beide unterschieden sich aber in ihren Positionen ihr gegenüber. Rigette lehnte den Illegalismus konsequent ab und formulierte letztendlich eine tiefgründige individualanarchistische Attentatskritik.

Victor Serge hingegen solidarisierte sich in den Anfangsjahren seiner individualanarchistischen Phase mit dem Illegalismus und entwickelte erst unter dem Einfluss von Rirette und vor allem unter dem Eindruck des Scheiterns des Illegalismus in Frankreich seine entschiedene Abkehr von diesem Versuch innerhalb der kapitalistischen Welt seine individuelle Befreiung mit allen legalen und illegalen Mitteln anzustreben und bezog zusehends anarcho-kommunistischen Positionen. Diese inhaltlichen Differenzen sollten letztendlich dazu beitragen, dass sich die Wege von Rirette und Victor nach dem ersten Weltkrieg und seiner Abreise nach Räterussland trennten.

„Die Vereinigung von Begierde und Freundschaft ist das, was man vollkommene Liebe nennt.“ (Rirette Maitrejean)

Bereits 1911 übernahmen Rirette und Victor die Leitung der Zeitung l’anarchie. Rirette machte bei ihrer Redaktionsbeteiligung Korrekturlese-, Verwaltungs- und Organisationsarbeiten. Sie war keine Artikelautorin, aber einige wenige Artikel schrieb sie doch. In zwei Artikel erläuterte sie ihr damaliges anarchafeministisches Verständnis zum Thema der freien Liebe, des Zusammenlebens und der Prüderie, wobei ihre Positionen in der l’anarchie eine Diskussion nach sich zogen. Rirette schrieb: „Wenn man Liebe, Verlangen und sexuelle Befriedigung so versteht, wie es viele Anarchisten tun, ist es tatsächlich nicht nötig, zusammen zu leben. Ich für meinen Teil jedoch liebe es, eine Menge anderer Gefühle, bessere und subtilere, zu empfinden. (…) Ich wiederhole es, die geschlechtlichen Beziehungen sind für mich bloß eine Ergänzung, ein Schlusspunkt aller Schönheiten, die man zu jeder Zeit gemeinsam erlebt hat.“

Für diese ‚Sentimentalität‘ wurde sie heftig kritisiert. Eine Kritikerin meinte, dass das „Zusammenleben durch Erfahrung, (…) die Liebe tötet.“ Es sei falsch, dass Rirette es „bestialisch“ findet, sich zu einer bestimmten Uhrzeit zu treffen und sexuell zu vereinigen.

Lou Marin beschreibt in seinem Buch nicht nur diese Auseinandersetzungen, er schildert auch das Milieu libre und beschreibt die zeitgenössischen Anarchafeministinnen. Er behandelt die Kritik der kommunistischen AnarchistInnen an Rirette Maitrejean und gibt einen Einblick in das Scheitern eines wirksamen Kriegswiderstandes am Vorabend des Ersten Weltkrieges.

Als hervorragender Kenner und Liebhaber von Albert Camus hat Lou Marin auch das Verhältnis von Rirette zu Albert Camus ausführlich behandelt, der von ihrem Individualanarchismus und ihrer Attentatskritik nicht unbeeinflusst geblieben war. Im Anhang sind sechs Originalartikel von Rirette Maitrejean übersetzt.

Dieses Buch stellt sich als eine Fundgrube für all jene heraus, die an diesem Zeitabschnitt (Rirette lebte vom 14. August 1887 bis 11. Juni 1968) und an diesem Milieu interessiert sind. Es gibt Antworten auf so manches, bis jetzt noch nicht erschöpfend behandeltes Problem. Und es lässt zu, dass die Vorstellungskraft der Leserin oder des Lesers beflügelt wird.

Wien, am 15. Juni 2016
Peter Haumer

1) Lou Marin: Rirette Maitrejean; Attentatskritikerin, Anarchafeministin, Individualanarchistin, Seite 159/160; Heidelberg 2016 Verlag Graswurzelrevolution.
2) Ebenda, Seite 170/171.
3) https://de.wikipedia.org/wiki/Bonnot-Bande
4) Ebenda, Seite 38

erschienen auf: Divergences 2, Revue libertaire internationale en ligne, 1.11.2016