Meine erste „Graswurzel“ habe ich vermutlich auf irgendeiner Demo erstanden – ich weiß es nicht mehr genau. Die älteste Nummer, die bei mir im Schrank steht – dort finden sich ca. 130 der 300 bisherigen Ausgaben -, stammt vom Juni 1988, und ich muss nicht lange rätseln, bei welcher Gelegenheit ich sie wohl bekommen habe. Am 19.6.88 fand in Minden als eine Art „Familientreffen“ der gewaltfreien Bewegung der Kongress „Wege zur Sozialen Verteidigung“ statt, die Geburtsstunde des BSV sozusagen. So habe ich die graswurzelrevolution kennen gelernt: als eine Zeitung, die da ist, wo die Bewegung ist; bei Aktionen, Demos, Tagungen. Eine Zeitung, die nicht über Bewegung berichtet, sondern mitten aus der Bewegung heraus. Wenn ich mir meine vielen Ausgaben so anschaue, dann findet sich kaum eine, in der nicht von einer Aktion berichtet wird, an der ich teilgenommen habe oder deren TeilnehmerInnen ich persönlich kenne. Und so habe ich auch sehr bald selber meinen ersten Artikel für die GWR geschrieben.
„Zeitschrift für Altes und Fernes“, diese Bezeichnung für die graswurzel ist nicht ganz aus der Luft gegriffen: Manchmal ist es schon skurril, wie ausführlich wir von den Aktivitäten irgendeiner Hand voll Menschen am anderen Ende der Welt und/oder vor 200 Jahren erfahren. Aber das für mich Spannende daran ist, dass solche Berichte immer von Leuten kommen, die durch den Gegenstand ihres Artikels selber stark berührt werden, die daraus Hoffnung schöpfen und Ideen ableiten für ihren eigenen politischen Alltag. Und das gilt auch für die Artikel über Nahes und Aktuelles: AktivistInnen schreiben über Aktionen, Übersetzungen von Artikeln ausländischer AktivistInnen informieren unmittelbar über die Hintergründe von Konflikten anderswo, schwule Anarchisten schreiben über „Anarchismus und Homosexualität“, Jugendliche über den JUKSS, … diese Artikel „aus erster Hand“ sind es, die mir die graswurzel so wertvoll machen.
Vielleicht weil die Artikel aus persönlicher Betroffenheit heraus geschrieben werden, bleiben sie meist ja auch nicht bei der Nach-Richt stehen, sondern sind Vor-Warnungen, Einladungen zum Aktiv Werden: Da ist was im Busch, noch ist Zeit, was zu tun, und wir haben auch schon eine Idee, fehlst nur noch: Du.
Wie Augusto Boal mit seinem „Theater der Unterdrückten“ die Trennung von SchauspielerInnen und ZuschauerInnen aufzuheben sucht („Jeder kann Theater spielen. Sogar Schauspieler.“), so ist die graswurzelrevolution eine Zeitung, die die Trennung überwindet zwischen denen, über die geschrieben wird, denen, die schreiben, und denen, die lesen. Wenn mir ein Thema fehlt in der graswurzel – na, dann schreibe ich halt was dazu.