Diese Ausgabe ist der War Resisters‘ International, der Internationale der KriegsdienstgegnerInnen (WRI) aus Anlaß ihres 75jährigen Bestehens gewidmet. Die Zeitung Graswurzelrevolution und die Föderation Gewaltfreier Aktionsgruppen (FöGA) fühlen sich beide eng mit der WRI verbunden, und mit diesem Sonderheft wollen wir den Geburtstag „unserer“ Internationale nutzen, um sie und ihre Ideen bekannter zu machen.
Trotz ihrer 75jährigen Geschichte, die mit zahlreichen spektakulären und weniger spektakulären Aktionen verbunden war und ist, ist die WRI selbst nur wenigen bekannt. Dies zu ändern, aber auch, kritische Entwicklungen und neue Aufgaben der WRI und transnationaler gewaltfreier Arbeit zu diskutieren, ist Aufgabe und Ziel dieses Sonderheftes.
Dieses Heft ist eine Gemeinschaftsproduktion. Die Idee entstand in der WRI-Arbeitsgruppe der FöGA und wurde von der Graswurzelrevolution begeistert aufgegriffen. Kern der Idee war, ein wirklich internationales Heft unter Beteiligung zahlreicher Mitgliedsorganisationen zu erstellen. Auf dem Ratstreffen der WRI im baskischen Urnieta 1995 wurde die Idee diskutiert und eine Kooperation mit anderen WRI- Mitgliedsorganisationen sowie ein grobes inhaltliches Konzept beschlossen. Die Umsetzung war nicht leicht, und nicht alle geplanten Beiträge ließen sich verwirklichen. Dennoch spiegeln die Artikel dieses Heftes die Bandbreite der Arbeitsgebiete der WRI und ihrer Mitgliedsorganisationen wider. Außer der GWR werden auch andere Zeitschriften oder WRI-Mitgliedsorganisationen Teile der Artikel in der jeweiligen Landessprache veröffentlichen: die antimilitaristische Zeitschrift en pie de paz in Spanien, der Izmir Savas Karsitlari Dernegi in der Türkei, das Forum voor Vredesaktie in Belgien usw…
Ein 75jähriges „Jubiläum“ birgt natürlich die Gefahr, daß dem geschichtlichen Rückblick zu viel Aufmerksamkeit gewidmet wird und die zukünftigen Aufgaben zu kurz kommen. Wir wollen jedoch bei dem, was die WRI bis jetzt erreicht hat, nicht stehenbleiben. Und wir wollen Versäumtes nicht verschweigen, nicht in einen kritiklosen Jubel über 75 Jahre WRI ausbrechen. Schon gar nicht in einer Zeit, in der sich weltweit neue Tendenzen abzeichnen, auf die von der internationalen gewaltfreien Bewegung angemessen reagiert werden muß.
Dies macht es auch für die WRI und ihre Mitgliedsorganisationen notwendig, die Strategien hin zu einer gewaltfreien Gesellschaft, zur „Beseitigung aller Kriegsursachen“ (WRI-Grundsatzerklärung) neu zu durchdenken.
Kriegsursachen müssen umfassender und ihren neuen und weitergehenden Dimensionen erfaßt werden, um erfolgreich an der Abschaffung des Krieges arbeiten zu können. Mit der immer engeren weltweiten Verflechtung von Interessen, Konzernen, militärischen Strukturen wird auch eine transnationale Zusammenarbeit der KriegsgegnerInnen, die sich nicht um nationalstaatliche Grenzen kümmert, immer wichtiger. Und gerade dabei läßt sich auf die 75jährige Erfahrung der WRI zurückgreifen.
Erfreulich ist, daß immer mehr Organisationen der WRI beitreten und diese aus immer mehr Regionen der Welt kommen. So besteht die Chance, daß mehr und neue Erfahrungen ausgetauscht, der Blickwinkel aller erweitert und Zusammenhänge besser erkannt werden können.
Unsere Aufgabe mit diesem Heft ist es, ein Licht auf die Herausforderungen transnationaler Arbeit für die Zukunft zu werfen. Die Aufgaben sind vielfältig: die Umstrukturierung und Professionalisierung des Militärs führt zu einer veränderten Bedeutung der Wehrpflicht und macht neue Ansätze antimilitaristischer Arbeit erforderlich; wachsende ökonomische Ungleichheit, nicht nur zwischen Nord und Süd, sondern auch innerhalb der Länder des Nordens und Südens, stellt eine wichtige Ursache von Gewalt und Krieg dar und kann von der gewaltfreien Bewegung nicht (weiter) vernachlässigt werden. Und die Frage von Patriarchat, Sexismus und der Überwindung der Geschlechterrollen wird auch uns und die WRI in Zukunft weit mehr beschäftigen.
Alle diese Fragen (und weitere wie die Bedeutung der Ökologie, des Rassismus usw.) können von einer transnationalen gewaltfreien Bewegung, die sich der Beseitigung der Kriegsursachen verpflichtet hat, nicht nur einzeln betrachtet werden, sondern müssen als gleich wichtig in ihrem Zusammenhang Eingang in eine Strategie gewaltfreier Revolution finden. Diese Diskussion transnational wieder aufzunehmen, dazu soll dieses Heft einen Beitrag leisten.