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Gewaltfreies Training im Kontext unterschiedlicher Kulturen

Die Arbeit der internationalen Arbeitsgruppe zu Gewaltfreien Trainings

Gewaltfreies Training spielte in den verschiedensten gewaltfreien Bewegungen - von der BürgerInnenrechtsbewegung in den USA der 60er Jahre bis hin zur Friedensbewegung der 80er Jahre - eine wichtige Rolle. Doch Training ist nicht gleich Training. Trainings veränderten sich sowohl im Laufe ihrer Geschichte als auch in Abhängigkeit des kulturellen Kontextes, in dem sie stattfinden. Die WRI-Arbeitsgruppe zu Gewaltfreien Trainings versucht, diesen Austausch transnational zu organisieren. (Red.)

Vor einigen Jahren, auf einem Ratstreffen der War Resisters‘ International, diskutierten gewaltfreie TrainerInnen aus verschiedenen Ländern über die Länge der Trainings. Die US-AmerikanerInnen unter uns beschwerten sich darüber, daß sie Ganztagstrainings bevorzugen, aber die TeilnehmerInnen würden sich nur für einen halben Tag verpflichten. Die TrainerInnen aus England sprachen von Wochenendtrainings, doch zu besonders kritischen oder dringenden Themen (z.B. Reaktion auf Angriffe auf Homosexuelle) werden Trainings über mehrere Wochenenden abgehalten. TrainerInnen aus anderen europäischen Ländern sprachen von Trainings von einer Woche oder länger – zum Neid derer, die die Menschen nicht für einen ganzen Tag bekommen konnten. Der letzte, der sprach, war Narayan Desai aus Indien. Er sagte: „Ich denke, so um die 18 Jahre ist eine gute Einführung.“

Gewaltfreies Training ist ein Lernprozeß, um Menschen mit den verschiedenen Aspekten von Gewaltfreiheit vertraut zu machen. Es ist ein Prozeß, der uns hilft, die Einstellungen und Verhaltensweisen, die allgemein in der Gesellschaft gelehrt werden, zu verlernen. Die Trainings bestehen aus einem aktiven Gruppenprozeß, bei dem durch verschiedene Trainingsmethoden ein kreatives Lernen gefördert wird. Die Art des Trainings ist vom kulturellen Kontext abhängig. Sinnvollerweise muß das Training an die Erfahrungen und Erwartungen der TeilnehmerInnen anknüpfen.

Ein Mittel für viele Bewegungen weltweit

Genauso wie Gewaltfreiheit in Ländern und Kulturen auf der ganzen Welt gelebt und praktiziert wird, ist es mit Gewaltfreien Trainings. Gewaltfreie Trainings werden von vielen Bewegungen für sozialen Wandel genutzt. An der Arbeitsgruppe „Interkultureller Austausch zu Gewaltfreien Trainings“ auf der WRI-Dreijahreskonferenz in Brasilien 1994 nahmen beispielsweise 15 TrainerInnen aus neun Ländern (aus Süd- und Nordamerika, Europa und Asien) teil. Unsere Arbeit und Interessen umfaßten: Friedenserziehung in Schulen, mit Kindern, LehrerInnen und Eltern; Arbeit mit KDV-Gruppen; Arbeit mit wirtschaftlich Schwachen in Slums, Dörfern und Stadtvierteln, Basisgemeinden und landlosen BäuerInnen und Indìgenas; Arbeit für Menschenrechte, Frieden, Demokratie, Demilitarisierung, Rüstungskonversion; Training für Direkte Aktion, Konfliktlösung, Frieden und Gerechtigkeit, gegen Rassismus.

Was meinen wir mit „Gewaltfreiem Training“?

Auch wenn wir die Bezeichnung „Gewaltfreies Training“ verwenden, so sind wir uns doch bewußt, daß das nicht die beste Beschreibung für das ist, was wir machen. „Training“ (zu deutsch: Ausbildung) ist ein zu enges und militarisiertes Wort. Wir sprechen über einen Prozeß der Bildung, der Menschen hilft, ihre eigene Fähigkeit für ein der Gewaltfreiheit verpflichtetes Engagement in der Friedens- und Gerechtigkeitsarbeit zu entwickeln.

In einigen Kulturen wird der Begriff „Gewaltfreiheit“ einfach als „ohne Gewalt“ verstanden, so daß andere Bezeichnungen bevorzugt werden. In Chile und Brasilien werden „ausdauernde Entschlossenheit“ oder „standhafte Beharrlichkeit“ an Stelle von „Gewaltfreiheit“ verwendet. In Mexiko heißt es „ziviler Widerstand“.

Im Gespräch über Gewaltfreies Training auf der WRI-Dreijahreskonferenz in Åland 1988 sagte Narayan Desai, daß Training gewaltfreie Aktionen für eine größere Zahl von Menschen möglich macht. Er beschrieb drei Gründe für Training:

  1. um Bewußtsein zu fördern und Informationen zu vermitteln;
  2. um Methoden/Fertigkeiten zu erlernen und
  3. um das richtige Verhalten zu entwickeln.

Fernando Aliaga Rojas aus Chile war ein Ko-Teamer der Themengruppe „Interkultureller Austausch zu Gewaltfreiem Training“ auf der WRI-Dreijahreskonferenz in Brasilien 1994. Fernando beschrieb die Dynamik der Kraft des Lebens, die nach außen geht und gegen die Mauer der Strukturen, der Dominanz und Entfremdung stürzt. Wenn wir darauf stürzen, schlagen wir die Mauer und prallen mit Gewalt zurück. Gewaltfreiheit heißt, einen anderen Weg zu finden, in eine andere Richtung zu gehen, die positiv ist. Durch den Prozeß des „Trainings“ finden wir diesen anderen Weg – finden wir Wege zu kommunizieren, unsere Wirklichkeit zu betrachten und unsere Bedürfnisse zu erkennen, sich geachtet zu fühlen und von der Reflektion in der Gemeinschaft zur Aktion zu kommen.

In Europa und Nordamerika bedeutet gewaltfreies Training vieles, u.a.:

  • Vorbereitung auf Aktionen und Zivilen Ungehorsam;
  • Konfliktlösung – die Schaffung von Strukturen, um mit Konflikten umzugehen;
  • Entscheidungsfindung, Gruppendynamik;
  • Friedensbildung – nicht Textbücher über Krieg und FriedensstifterInnen, sondern Bildung für einen Lebensweg;
  • Bewußtsein für Unterdrückung (Antirassismus, Antisexismus, usw.);
  • Soziale Verteidigung – Vorbereitung von Gruppen für Widerstand bei militärischer Besetzung.

Ein Brainstorming mit TrainerInnen aus vielen Ländern zu „Warum machen wir Trainings“ ergab eine Vielzahl von Antworten: um neue Herangehensweisen und Möglichkeiten für Aktionen zu finden, um Gemeinschaften zu bilden, um etwas über die gewaltfreie Philosophie zu lernen, zur Fähigkeit zur Behauptung, um Revolution zu schaffen, Kampagnen zu entwickeln, um unsere Zweifel, wie Gewaltfreiheit funktionieren kann, loszuwerden, um die Situation zu verstehen, in der wir uns befinden.

Gewaltfreie TrainerInnen nutzen eine Vielzahl von Techniken. Trainings müssen partizipativ sein. Learning by doing, durch Interaktion, indem man allen TeilnehmerInnen eines Trainings zuhört. Die Rolle des/r TrainerIn ist, dies zu ermöglichen, nicht das eigene Denken aufzudrängen.

Kulturelle Einflüsse auf Trainings

Auf der Dreijahreskonferenz 1985 in Indien diskutierten zwölf TrainerInnen (sechs aus Indien, zwei EuropäerInnen, vier aus den USA) über Techniken, Mittel und die Art des Herangehens an Trainings. In der Auswertung, wie Gewaltfreie Trainings von unserer Kultur beeinflußt sind, fanden wir drei Bereiche, in denen Trainings und die sich daraus ergebenden Aktivitäten am meisten beeinflußt werden. Als erstes beeinflussen kulturelle Konzept von Zeit und die Auffassung darüber, wie schnell Dinge funktionieren, sehr stark die Zeit, die Menschen, in Trainings oder gesellschaftlichen Wandel zu investieren bereit sind. In der schnellebigen Mikrowellen-Kultur der USA wollen die Menschen häufig kurze Trainings und schnelle Aktionen mit wesentlich weniger Betonung auf langfristige Kampagnen und die Veränderung des persönlichen Lebensstils. In Indien, wo es langsamer zugeht, haben die Menschen ein anderes Verständnis von Zeit. Vorbereitung auf gesellschaftlichen Wandel heißt persönliche Ent-Bildung (z.B. das „Verlernen“ des Kastensystems), Veränderung des Lebensstils und Teilnahme an langen Kampagnen und konstruktiven Programmen. Doch TrainerInnen in Indien, die mit armen DörflerInnen arbeiten, die wenig Zeit haben, müssen das Leben der DörflerInnen berücksichtigen, wenn sie Trainings planen.

Ein zweiter Einfluß ist der unseres kulturellen Systems. Gibt es in der Gesellschaft eine Akzeptanz für Autorität? Wird Autorität, Hierarchie und männliche Dominanz in Frage gestellt? Wenn eine Akzeptanz für das System vorhanden ist, muß Gewaltfreies Training diese zunächst durchbrechen. In Indien zerstören gemeinschaftliches Leben und das Teilen von handwerklicher Arbeit das Kastensystem. In den USA muß Gewaltfreies Training Rassismus, Sexismus und Homophobie thematisieren.

Ein dritter Einfluß der Kultur ist die eigene Tradition oder Geschichte sozialen Wandels. In Indien haben die Lehren Gandhis den stärksten Einfluß auf die gewaltfreie Bewegung, dabei ist Training ein wichtiger Bestandteil. Doch in vielen Ländern gibt es keine Tradition von Gewaltfreiheit oder Gewaltfreien Trainings. Andere Kulturen, z.B. die USA, haben eine reiche Trainingsgeschichte aus der BürgerInnenrechtsbewegung, doch diese ist viel zu oft vergessen.

Internationaler Austausch

1986, auf der Dreijahreskonferenz in Indien, wurde von der WRI die Arbeitsgruppe zu gewaltfreien Trainings gebildet. Viel früher, 1965, organisierte die WRI eine Konferenz in Perugia. Natürlich waren gewaltfreie TrainerInnen in ihren eigenen WRI-Sektionen aktiv und nahmen an internationalen TrainerInnen-Versammlungen wie dem Internationalen Seminar zu Training in Gewaltfreier Aktion (IST-NA) 1976 und 1977 teil. Dennoch gab es in den letzten zehn Jahren mehr Anstrengungen der WRI, für gewaltfreie TrainerInnen aus der ganzen Welt Möglichkeiten für interkulturellen Austausch zu Gewaltfreien Trainings zu schaffen. Die Arbeitsgruppe zu Gewaltfreien Trainings hat Themengruppen auf Dreijahreskonferenzen organisiert und bei der Organisation der Transnationalen TrainerInnen-Versammlung 1991 geholfen. Durch diese Treffen gewaltfreier TrainerInnen aus der ganzen Welt waren wir in der Lage, uns über unsere Ideen, Themen, Übungen und Auswertungen Gewaltfreier Trainings auszutauschen. Wir sind in der Lage voneinander zu lernen, um unser Tun zu verbessern und eine tiefere Sensibilität für interkulturelle Trainingserfahrungen zu entwickeln.

Gewaltfreie TrainerInnen der WRI, des Internationalen Versöhnungsbundes (IFOR), von SERPAJ und dem Süd-Süd-Trainors-Netzwerk trafen sich auf der WRI-Dreijahreskonferenz in Brasilien. Wir diskutierten, wie Informationen ausgetauscht und das voneinander Lernen ermöglicht werden sollen, wenn wir nicht zusammen sind. Wir vereinbarten ein "Nonviolence Trainers Mailing". Die Idee ist, daß gewaltfreie TrainerInnen Artikel, Fallstudien, Materialien und Informationen über die Entwicklung im Bereich Gewaltfreier Trainings einsenden. Etwa alle vier Monate wird das kopiert und an alle TrainerInnen, die abonniert haben, verschickt. Für weitere Informationen zum "Nonviolence Trainers Mailing" und zur WRI-Arbeitsgruppe zu Gewaltfreiem Training: Joanne Sheehan P.O. Box 1093 Norwich CT 06360 USA Tel./Fax: +1 860 889 5337