antisexismus

Mechanismen des Gegenschlags

Wie der "neue Mann" die Inhalte der Frauenbewegung bekämpft

| Lou Marin

Momentaufnahmen des Körperkults bei Olympia 96: durchtrainierte Muskelmänner konkurrieren gegeneinander, nur der Sieg zählt (Werbeslogan: "You don't win silver, you'll loose gold!") - Olympiafrauen hingegen müssen auch wieder "schön" sein, vorbei die Zeit der - eh gedopten - weiblichen "Muskelpakete" aus Osteuropa, der moderne Sportanzug ist der Bikini, die Startnummer wird mangels Stoff auf die Oberschenkel gepappt, Make up, Hals- und Ringschmuck sind obligat. Wurden da nicht typische, ja überwunden geglaubte Männer- und Frauenbilder reproduziert? Hat sich der "Backlash", der Gegenschlag sexistischer Männer und ihrer Mittäterinnen gegen viele Inhalte der Frauenbewegung bereits durchgesetzt? Und wie kam es dazu? Eine Auseinandersetzung aus männlicher Sicht. (Red.)

Ein Bremer Verwaltungsangestellter klagt erfolgreich gegen die Quotierung am Arbeitsplatz und die bevorzugte Einstellung von Frauen, Katharina Rutschky bezichtigt feministische Initiativen gegen Gewalt an Mädchen und Jungen des „Mißbrauchs mit dem Mißbrauch“, Michael Douglas wehrt sich im Kino erfolgreich gegen die sexuelle Belästigung durch eine Frau am Arbeitsplatz, mittels kommunaler Finanzmitteleinsparungen der Parteien in Kassel, Homberg oder Mainz wird der Bestand der letzten institutionellen Errungenschaften der Frauenbewegung, der städtischen Frauenhäuser, bedroht. Guido Westerwelle (FDP) will unisono mit einigen Grünen und Alice Schwarzer mehr Frauen in der Bundeswehr sehen. Nur scheinbar im Widerspruch dazu steht in gegenwärtigen Zeiten der ökonomischen Krise und der Massenarbeitslosigkeit die Auswirkung der herrschenden Wirtschaftspolitik: Frauen zurück an den Herd (besonders in den neuen Bundesländern), wahlweise Teilzeitarbeit, 590-DM Jobs, Heimarbeit am Computer plus alleinige Kindererziehung. (1) Dagegen scheint der Kampf um die Abschaffung des § 218, der Anfang der 70er Jahre die Identität der Frauenbewegung ausmachte, in der BRD mit dem für schwangere Frauen äußerst nachteiligen Zwangsberatungsgesetz von 1995 beendet. Selbst dieses Ende müssen die wenigen aktiv gebliebenen und den Ursprüngen der Frauenbewegung noch verpflichteten Feministinnen eher herbeisehnen, denn weitere Offensiven in Sachen Schwangerschaftsabbruch sind neben der Opposition des bayerischen Parteikatholizismus nur von aggressiven rechten Lebensschützerverbänden zu erwarten – sie alle weisen in die reaktionäre Richtung. (2)

Auch das Alltagsverhalten von Männern scheint sich verändert zu haben. Zeitweilige Verunsicherungen sind einem neuen Selbstbewußtsein gewichen, der Typus des „Softie“ ist megaout, männliche Härte, ja „Wildheit“ in. Mit dem allgemeinen Rückgang alternativer Lebensformen wie Kommunen, selbstverwalteter Betriebe oder nicht rein zweckgebundener Wohngemeinschaften haben sich auch zarte Trends einer Veränderung männlichen Rollenverhaltens, wie etwa Hausarbeiten übernehmen, Abwaschen, Kinderbetreuung usw., rar gemacht. Wer sich heute als Mann in der Öffentlichkeit um einen feminisierten Sprachgebrauch bemüht, wird bestenfalls ausgelacht und unbesehen zum Spinner erklärt; die Lektüre von Zeitungen wie der GWR und nur weniger anderer, die noch immer an der sowieso umstrittenen Sprachfeminisierung festhalten, läuft Gefahr, für das ungeübte Auge zum Hindernisrennen zu degenerieren: das Lesen des Ungewohnten wird von einer neuen Generation Jugendlicher mit doppelter Anstrengung verknüpft, eine solche Zeitung zum „Insiderblatt“ abgestempelt, welches sich eines „realitätsfernen, unverständlichen“ Sprachgebrauchs befleißigt. Dies alles vor allem deshalb, weil sich die gesellschaftliche Umgebung patriarchal rückentwickelt hat, doch ihren bewußtseinsprägenden Einfluß natürlich weiter ausübt, was als permanenter Druck an diejenigen weitergegeben wird, die an eigenen bereits umgesetzten antisexistischen Standards oder Verhaltensweisen festhalten wollen. Daß die Welle rassistischer und rechtsextremistischer Anschläge der frühen 90er Jahre mit einem Wiederaufleben von Männergewalt und einer Renaissance von Männerbünden zu tun haben, daß „Republikaner“-WählerInnen nicht von ungefähr in überproportionaler Weise Männer sind und rechtsextremes Gedankengut oft in den Reihen institutionalisierter Männerbünde wie Polizei und Militär ausgebrütet und verdichtet wird, ist in der Graswurzelrevolution bereits mehrfach analysiert worden. (3)

„Die Männer schlagen zurück“

Die Beispiele ließen sich fortsetzen. Sicher gibt es auch Gegenbeispiele, es soll hier keineswegs der Eindruck einer linearen, womöglich bewußt gesteuerten Verschwörung „der“ (im Sinne von: aller) Männer erweckt werden. So einfach ist es nicht. Auch sind „die“ Frauen keineswegs nur Opfer, wie das Beispiel Katharina Rutschky bereits andeutet. Und es mag auch berechtigte Kritik an konkreten Initiativen der Frauenbewegung geben: zum Beispiel kann in nachweisbaren Einzelfällen vielleicht wirklich von einem „Mißbrauch mit dem Mißbrauch“ und von ganz anders gelagerten Motiven der Anklage bestimmter Väter oder Mütter gesprochen werden. Doch die Frage ist, ob solche Kritik erkennbar solidarisch geführt wird und zur Verbesserung von Fehlern eines grundsätzlich unterstützenswerten inhaltlichen Anliegens führt (und das ist der intendierte Schutz von Kindern gegen sexuelle Gewalt von Eltern oder Erwachsenen ganz bestimmt), oder ob der problematisierte Einzelfall nur dazu dient, die patriarchale Familie zu verteidigen und den Feminismus allgemein in die Defensive zu drängen, ihm selbst die Schuld an Mißständen zuzuweisen, gegen die er einst angetreten war.

Seit Anfang der 90er Jahre existiert in der Frauenbewegung eine Diskussion über den sogenannten „Backlash“, den Gegenschlag sexistischer Männer gegen Inhalte und Errungenschaften der Frauenbewegung bzw. des Feminismus. Als Klassiker zum Thema gilt das Buch der US-amerikanischen Feministin Susan Faludi: „Backlash“, 1991 in den USA und 1993 unter dem Titel „Die Männer schlagen zurück“ in deutscher Sprache erschienen. Für die BRD gibt es bis heute meines Wissens noch keine aus feministischer Sicht geschriebene, vergleichbar umfangreiche und umfassende Untersuchung über Ideologie, Mechanismen, Bewegungen, ProtagonistInnen und Auswirkungen des Gegenschlags, von Untersuchungen antisexistischer Männer ganz zu schweigen. Für dieses Jahr ist immerhin die Veröffentlichung einer Studie von Brigitta Huhnke über „Frauenthemen in der politischen Berichterstattung der Printmedien“ von 1980-95 angekündigt. Da aber die Wellen von Frauenbewegungen und Gegenschlägen in den USA zeitlich und mit realtiv wenigen Unterschieden in der historischen Entwicklung auf Deutschland einigermaßen übertragbar sind, kann zur Verdeutlichung der Mechanismen des Gegenschlags gut auf Faludis Untersuchung zurückgegriffen werden.

Faludis feministische Positionen können aus libertärer Sicht natürlich kritisierten werden: sie geht von der klassisch-reformistischen Forderung nach „Frauenmacht auf allen Ebenen“, d.h. nach reiner Gleichberechtigung in allen staatlichen Institutionen (bis hin zum Militär) aus, anstatt sich angesichts des permanent erfolglosen Anrennens auf die männerdominierten Institutionen in der Geschichte des Feminismus auch einmal Gedanken über die Abschaffung bestimmter patriarchal strukturierter Institutionen zu machen, aufgrund von erwiesener Nicht- Reformierbarkeit zum Beispiel. Trotzdem bietet das Buch gerade antisexistisch interessierten Männern aus der libertären Bewegung eine Fülle an Anschauungsmaterialien, um die Struktur des Gegenschlags erkennen und dagegen handeln zu können.

Frauenbewegungen und Gegenschläge

Mitte des 19. Jahrhunderts begann die US-amerikanische Frauenbewegung in einer ersten Welle Forderungen nach dem Zugang zu Bildungsinsitutionen, dem Wahlrecht für Frauen (leider zunächst nur für weiße Frauen), einer Kleiderreform und nicht erzwungener Mutterschaft aufzustellen. Gegen Ende des Jahrhunderts hatte der patriarchale Gegenschlag gesiegt: Wissenschaftler prophezeihten gebildeten Frauen, sie hätten keine Heiratschance oder würden einer epidemischen Infertilität („Unfruchtbarkeit“) zum Opfer fallen, ausgelöst durch einen „Leib-Kopf-Konflikt“ bei langen Ausbildungszeiten. Restriktive Scheidungsgesetze wurden Ende des 19. Jahrhunderts eingeführt, der US-Kongreß verbot schließlich Verhütungsmittel, die meisten Bundesstaaten kriminalisierten zum ersten Mal in der Geschichte der USA überhaupt die „Abtreibung“. Dieses Muster des Gegenschlags wiederholte sich bei den folgenden Wellen der Auseinandersetzung bis heute in zum Teil verblüffender Ähnlichkeit.

Auf 1910 kann der Beginn der zweiten Welle der Frauenbewegung in den USA datiert werden, in deren Mittelpunkt Empfängnisverhütung, Arbeiterinnenstreiks und die Frauenstimmrechtskampagne stand, die nach dem 1. Weltkrieg zum Erfolg des Wahlrechts für Frauen führte. Während des Krieges waren Frauen als Arbeitskräfte gebraucht worden – als sie nach dem Krieg ohne rechtliche Zugeständnisse zurückgedrängt werden sollten, rebellierten die „Suffragetten“, streikten vor dem Kapitol, mobilisierten Tausende von Frauen oder ketteten sich an die Tore des Weißen Hauses an, um schließlich 1919 wenigstens das Frauenwahlrecht zugesprochen zu bekommen. Die 20er Jahre können dagegen nach Faludi wiederum als Jahrzehnt des Gegenschlags gewertet werden. Sie begannen interessanterweise 1920 mit dem ersten „Miss America“- Schönheitswettbewerb überhaupt und führten zu einem zahlenmäßig deutlichen Rückgang der Beteiligung an Frauenrechtsgruppen oder ihrer Degeneration zu „Damenkränzchen“. Zur Zeit der Weltwirtschaftskrise am Ende der 20 Jahre hatte der Gegenschlag wieder gesiegt: Tausende von Frauen wurden durch Gesetze um ihre Arbeitsstellen gebracht, niedrige Lohnraten für Frauen im Vergleich zu Männern wurden institutionalisiert.

Eine dritte Welle der Frauenemanzipation kann in den USA in den frühen 40er Jahren festgestellt werden, als auf Grund des erneuten Kriegseinsatzes der Männer und der florierenden Kriegswirtschaft Millionen von Frauen berufstätig wurden, doch kaum war der Weltkrieg vorbei, kehrten die Soldaten zurück und Regierung und Medien versuchten vereint, die neu gewonnene berufliche Unabhängigkeit der Frauen zurückzudrängen und ihre Rollenzuweisung als Familienmütter zu erneuern. Das weltweite, konservative Frauenbild der 50er Jahre, das von der Pionierin der jüngsten feministischen Welle, Betty Friedan, 1963 als „Weiblichkeitswahn“ beschrieben wurde, hatte in diesen Entwicklungen nach dem Zweiten Weltkrieg ihre Ursache. Schließlich errang die neue Frauenbewegung der späten 60er und der 70er Jahre in ihren Kämpfen mit den Schwerpunkten Frauenautonomie, Schwangerschaftsabbruch und berufliche Gleichstellung die größten Erfolge, die jedoch ebenfalls in den 80er Jahren durch den Gegenschlag zum Teil wieder rückgängig gemacht wurden.

Faludi interpretiert die Geschichte feministischer Empörung und patriarchaler Gegenschläge keineswegs als durchgängige Geschichte von Niederlagen, sie beschreibt sie eher als „Spirale“ mit Vor- und Rückwärtsbewegungen, mit stummem, untergründigen Widerstand der Frauen in Zeiten des Gegenschlags und mit klarem Blick auf bleibende Errungenschaften: so haben sich etwa die Anzahl berufstätiger Frauen, ihr Zugang zu Verhütungsmitteln oder ihre Bildungsmöglichkeiten auch über Wellen von Gegenschlägen hinweg in den letzten 150 Jahren durchschnittlich beständig erhöht.

Trotzdem haben die Gegenschläge auch wirklich gesiegt. Das Patriarchat sitzt immer noch fest im Sattel: feministische Forderungen wurden sogar im Erfolgsfall, nämlich bei ihrer Umsetzung, sofort entradikalisiert und integriert (z.B. hat das Wahlrecht für Frauen das Parteiensystem nicht nur nicht angegriffen, sondern es sogar noch breiter legitimiert). Begriffe wurden verdreht oder anders besetzt (z.B. wurde der gängige Begriff „Fötus“ aus den 70er Jahren mit „ungeborenem Leben“ in den 80er Jahren durch Gegenschlagspropagandisten aus der Anti-Abtreibungs-Bewegung in den USA neu besetzt und damit qualitativ aufgewertet, dadurch wurde der Fötus erstmals als „Rechtssubjekt“ gewertet, welches dann sofort in Gegensatz zu den Interessen der schwangeren Frau gebracht werden konnte). An den ökonomischen Schalthebeln Banken, Großfirmen und Aufsichtsräten sitzt nach wie vor nur ein ganz geringer Prozentsatz von Frauen (Faludi beziffert den Frauenanteil an „Führungskräften“ in den USA Ende der 80er Jahre auf 6″8 %). Auf berufstätige Frauen konnte erfolgreich Druck zur Anpassung ausgeübt werden (Kinderwünsche und Heiratspläne sollten sie nicht länger dem Beruf zuliebe verschieben, sonst wirkten sie ,ausgebrannt“ und bekämen keinen Mann mehr ab, so daß sie schließlich in schlechter bezahlte Teilzeitarbeitsbereiche abgedrängt werden konnten oder früher der Doppelbelastung von Beruf und Kindererziehung/Hausarbeit ausgesetzt waren, was in der Praxis zu früherer Berufsaufgabe führte).

Mechanismen des Gegenschlags

InitiatorInnen von Gegenschlägen sind hauptsächlich – aber nicht nur – Männer. Das ergibt sich schon aus Faludis Angaben darüber, daß Frauen in die Ebene der „Führungskräfte“ in den maßgeblichen Institutionen der Regierung, der Medien, der Justiz oder auch der Psychologie kaum vordringen konnten. Die Konjunktur ganzer kapitalintensiver Industrien ist von der Wiederkehr eines bestimmten weiblichen Rollenbildes abhängig, vor allem die der Mode-(Textil-) und die Kosmetik-(Chemie-)industrie. Faludi deckt in ihren Analysen ein im Prinzip unbewußtes, allerdings deutlich von patriarchalen Ressentiments gegen Frauen bestimmtes Zusammenspiel der männlichen Führungskräfte dieser Institutionen auf.

Wie funktioniert nun solch ein Zusammenspiel? Die Medienchefs, vor allem in großen Zeitungen, Boulevardmagazinen und Fernsehsendern (sowohl die Verantwortlichen für Talkshows als auch diejenigen für die jeweils verbratene Ideologie in Familienserien), waren immer eine Art Ausgangspunkt für Gegenschläge: einzelne Artikel in Massenblättern brachten den Stein ins Rollen, der dann von anderen Männern in Regierung, Justiz, Unternehmen oder auch Wissenschaft begierig aufgegriffen wurde. „Trendberichte“ etwa über die Auswirkungen von Umweltbelastungen am Arbeitsplatz für die Gebährfähigkeit von Frauen wurden von Regierungen zum Anlaß von „Frauenschutzbestimmungen“ genommen, die wiederum die Kapitalunternehmen in Krisenzeiten dazu benutzten, Frauen von bestimmten Berufsbereichen auszuschließen oder in andere abzuschieben, unter dem Vorwand des Schutzes des „ungeborenen Lebens“ versteht sich – Arbeitsrechtsklagen der betroffenen Arbeiterinnen wurden von den männerdominierten Gerichten abgeschmettert. Damit wurde zum Beispiel das Vordringen von Frauen in gutbezahlte „Männerberufe“ in der Industrie oder auch im Bauwesen verhindert – flankiert von besonders aggressiver sexistischer Anmache der männlichen Kollegen am Arbeitsplatz gegen die wenigen Pionierinnen auf diesen Positionen. Faludi gibt unzählige Beispiele für diesen ineinandergreifenden Ablauf: Oft gaben die Chefredakteure direkt diese sogenannten „Trendartikel“ in Auftrag, die meist nichtrepräsentative Einzelbeispiele breittraten, auf keinen oder zweifelhaften Erhebungen fußten, und eher unbeweisbare Zukunftsprognosen denn Fakten präsentierten (oft reine Männerphantasien). Diese „Trendartikel“ wurden groß aufgemacht und auf S.1 präsentiert, etwaige Gegendarstellungen oder Widerlegungen von zweifelhaften Umfragen wurden knapp gehalten und im hinteren Teil der Zeitung kaum wahrnehmbar plaziert. Faludi beschreibt, wie sich dadurch der gesellschaftliche Druck etwa auf familiengerechtes Rollenverhalten von Frauen verstärkte:

„Mitte der 80er Jahre überschwemmte die Presse ihre Leser mit Storys über Mütter, die Angst hatten, ihre Kinder in die ‚gefährlichen‘ Tageshorte zu geben. 1988 tauchte dieser ‚Trend‘ dann in den nationalen Erhebungen auf: Plötzlich berichteten 40 % der Mütter, sie hätten Angst, ihre Kinder in Tagesstätten zu geben; ihr Vertrauen in Tagesstätten sank von 76 % im Vorjahr auf 64 % – das erste Mal, daß die Zahl unter 70 % gefallen war, seit Frauen erstmals vier Jahre zuvor dazu befragt worden waren. 1986 wiederum verkündete die Presse einen ’neuen Trend zum Zölibat‘ – und 1987 war in Umfragen der Anteil alleinstehender Frauen, die vorehelichen Sex akzeptierten, plötzlich innerhalb eines Jahres um 6 % gesunken; zum erstenmal innerhalb von vier Jahren gab weniger als die Hälfte aller Frauen an, sie fänden vorehelichen Sex okay.“ (4)

Bei genauer Suche würden sich auch in den Medien der BRD eine Reihe solcher „Trendbücher oder -artikel“ finden lassen. Karsta Frank benennt in einer Analyse des Zusammenhangs von neuem Antifeminismus und „PC-Diskurs“ (Political Correctness) einen Artikel von Konrad Adam in der FAZ vom 22.1.1995, der die deutsche Diskussion, so Frank, „vorstrukturiert haben dürfte“. Adam behauptet darin, daß die PC-Diskussion in Ermangelung anderer Minderheiten, etwa Schwarzer und „anderer ethnischer Gruppen“ wie in den USA, in der BRD zum „Reservat der Frauen“ geworden sei. Karsta Frank zitiert auch einen Spiegel-Titel „Hexenjagd auf dem Campus“ gegen die Kritik sexistischer Anmache an der Uni, in dem „PC“ als „Inquisition“ diffamiert wird. Ihm zur Seite steht 1995 ein Bestsellerroman von Dietrich Schwanitz, „Der Campus“, in dem „sexuelle Belästigung“ ironisiert, bagatellisiert und umgedeutet wird in „Sympathiekundgebung“, „Flirt“ oder gar „Liebe“; in dem zudem ausschließlich die der Belästigung bezichtigten Männer als Opfer erscheinen und Feministinnen als „verklemmt, prüde und beziehungsunfähig“ bezeichnet werden. Schließlich weist Frank auf einen „vielbeachteten“ „Zeit“- Artikel von Dieter E. Zimmer vom 22.10.1993 hin, der einen Boom von Publikationen zu „PC“ auslöste. Auch Zimmer spricht bei „PC“ von „Inquisition“, die auf dem Denken beruhe, daß „Männlichkeit und Weiblichkeit nicht Natur, sondern Kultur“ seien und schimpft auf die angeblich PC-gesteuerte Forderung nach „geschlechtergerechten“ Sprachverwendungen, auf die ein Politiker bei Reden heute aufpassen müsse, „wenn er nicht als Sexist unwählbar sein will“. (5)

Beim Gegenschlag sekundieren viele Frauen, sie sonnen sich in der Publicity, im Schulterklopfen der männerdominierten Institutionen oder Medien, wenn ihnen ein guter „Trendartikel“ oder ein neues „bahnbrechendes Buch“ gelungen ist. Viele Frauen lassen sich vom Gegenschlag kaufen oder geben auch nur dem permanenten Druck nach: mit dem Strom zu schwimmen ist eben einfacher als immer nur dagegen. Besonderes Medieninteresse wecken ehemalige Feministinnen, die eine Kehrtwende vollführen, wie etwa die bereits genannte US-Feministin Betty Friedan, die in ihrem 80er Jahre-Buch „Der zweite Schritt“ plötzlich einen „feministischen Wahn“ geißelte. Auch hierzulande schockt ein Medienstar Alice Schwarzer, frühere feministische Pionierautorin des „kleinen Unterschieds“, niemanden mehr, wenn sie anheimelnde Bücher über Frau von Dönhof („Zeit“- Herausgeberin) veröffentlicht. Und ihre Zeitschrift „Emma“ hat sich im Untertitel unter dem Druck des Gegenschlags von einer „Zeitschrift von Frauen für Frauen“ zur absurden Maxime „von Frauen für Menschen“ durchgerungen.

Ein starker Wandel hat sich nach Faludi auch in der Psychologie durchgesetzt, auch hier unterstützt von vielen Psychiaterinnen. Während bei heterosexuellen Ehe- oder Beziehungskrisen den hilfesuchenden Frauen in den 70ern in der Therapie normalerweise Selbstbewußtsein und Unabhängigkeitswünsche gestärkt wurden und Wert auf Forderungen nach Verhaltensänderungen an die Männer gelegt wurde, was einer Schuldentlastung entsprach, ist für die 80er und beginnenden 90er Jahre typisch, daß mit einer Verhaltensänderung der Männer gar nicht mehr gerechnet wird, die Schuld sogar eher im zu anspruchsvollen, zu selbstbewußten Auftreten von Frauen innerhalb der Beziehung gesucht und gefunden wird. Die psychologische Message am Beginn der 90er Jahre lautet demnach: die Frauen sind selber schuld und sollen sich anpassen, wenn sie ihre Beziehung mit einem Mann retten wollen. (6) In allen diesen Institutionen und den durch sie verflochtenen „Trendstory“- Kampagnen wird ein ganz bestimmtes Wahrnehmungsmuster sichtbar. Dieses Wahrnehmungsmuster ist fern jeder Wirklichkeit und lautet: der Feminismus habe bereits gesiegt, die Frauen hätten heute zuviel Macht, ihre Forderungen seien längst durchgesetzt und unterdrückten nun die Männer, wovon diese sich natürlich schleunigst und mit Recht befreien müßten. Es gleich auf frappierende Weise rechtsextremen Wahrnehmungsmustern: weiße Rassisten haben zur Zeit der Schwarzenbewegung Martin Luther Kings in völliger Verkennung der Realität behauptet, die Schwarzen seien bereits an der Macht und in Washington herrsche der Kommunismus. Es gehört ebenso zu den unverrückbaren Wahrnehmungsmustern bundesdeutscher rechtsextremer Ideologen wie etwa Rainer Zitelmann, daß „die 68er“ in der BRD kulturell sowieso, aber auch sonst an der Macht wären (das stimmt nicht einmal bei den Gewendeten wie Joschka Fischer oder auch einer Alice Schwarzer, die sich im Medienruhm sonnen – sie sind selbst mit ihren machtkompatiblen Positionen keineswegs an die wirklichen Schalthebel gelangt, das wiederum ist ihre Illusion). Aus dieser Struktur der verzerrten Wirklichkeitswahrnehmung schöpft der patriarchale Gegenschlag seine Energie: der Bremer Beamte, der jahrelang gegen seine Stellenablehung aufgrund von Quotierungsrichtlinien in der Bremer Verwaltung klagte, wähnte sich – und seinesgleichen – tatsächlich unterdrückt; der Redaktionschef, der einen antifeministischen Trendartikel in Auftrag gibt, empfindet sich tatsächlich als Provokateur gegen den Mainstream (obwohl Karsta Frank zum Beispiel nachweist, daß die scheinbar provokative „PC“-Kritik gerade der Mainstream ist und kaum Artikel grundsätzlicher Befürwortung von „PC“ veröffentlicht werden). In Männergruppen existiert kein Bedürfnis mehr, sich mit der eigenen Rolle als Täter bzw. Profiteur patriarchaler Privilegien auseinanderzusetzen (z.B. des Privilegs, nachts ohne Angst auf die Straße zu können), sondern unter Männern geht es heute darum, sich des eigenen männlichen Selbstbewußtseins zu vergewissern, die angeblich „natürliche“ Härte und „Wildheit“ (Gewalttätigkeit) des Männlichen wiederzuentdecken, die mit sozialbiologischen oder gar genetischen Argumentationen untermauert wird. (7)

Dabei sind die männlichen Privilegien kaum angetastet. Dabei ist der Begriff „Feminismus“ heute zum Schimpfwort verkommen und wird von früheren Feministinnen selbst kaum noch verteidigt, gar positiv benutzt. Doch der Kampf gegen Windmühlen erfüllt seine Funktion, die Attitüde des jahrzehntelang Unterdrückten schmeichelt dem männlichen Ego und erleichtert die Ungeheuerlichkeit, Selbstverständlichkeit und Vehemenz, mit der die Gegenschlagsideologien verbreitet werden.

(1) vgl. diesbezüglich den Artikel zur Situation der Frauenarbeit im neuen Graswurzelkalender 1997.

(2) vgl. Barbara Ritter: Bald US-amerikanische Verhältnisse? Paragraph 218-Kompromiß und "Lebensschützer" nehmen Frauen und ÄrztInnen in die Zange, in: GWR 200, S.10.

(3) vgl. u.a. Männlichkeit und Rechtsextremismus in GWR 135, S.5 oder Männlichkeit und Rassismus in GWR 176, S.1.

(4) vgl. Susan Faludi: Die Männer schlagen zurück. Reinbek 1993, S.130.

(5) alle Zitate aus diesem Absatz nach Karsta Frank: PC-Diskurs und neuer Antifeminismus in der Bundesrepublik, in: Das Argument, Heft 1/1996 zum Thema Political Correctness.

(6) vgl. Faludi, a.a.O., S.447ff. Anhand dieser Erfahrungen hat sich mittlerweile eine starke feministische Therapiekritik herausgebildet, u.a. formuliert von Susanne Kappeler: Der Wille zur Gewalt, vgl. Besprechung in GWR 199, S.14.

(7) vgl. Robert Bly-Besprechung in GWR 164, S.15, bei Faludi, a.a.O., S.409ff. Für die BRD vgl. Broschüre "Wilde Männer in Bremen", hrsg. von Libertäre Männergruppe Bremen und MAUAM, Sielwall 36, 28203 Bremen. Zu soziobiologischen und genetischen Argumentationen vgl. "Individualrassismus - der Rassismus der Gene", in GWR 207, S.1,12-13.