Am Dienstag, 12.09.96 erklärte die Firma Monsanto in einer Pressekonferenz, daß sie den Freisetzungsversuch genmanipulierten Rapses in Oberboyen für den „gesamten beantragten und genehmigten Zeitraum“ zurückzieht. Einen so klaren Sieg gibt es selten. Doch wie groß ist der Sieg eigentlich und wie ist es dazu gekommen?
Im März ’96 wurde mehr durch Zufall von einigen GentechnikgegnerInnen entdeckt, daß in dem 11 Personen zählenden Ort Oberboyen, ca. 50 km von Bremen, ein Versuch mit gentechnisch verändertem Raps durchgeführt werden sollte. Dieser wurde gegen das Totalherbizid „Round Up Ultra“, was eigentlich über das Blattgrün alle Pflanzen restlos vernichtet, resistent gemacht, indem ihm ein Bakterium-Gen eingesetzt wurde. In den USA schon seit einigen Jahren erfolgreich vertrieben, will der kanadische Multi-Konzern „Monsanto“ mit dem Produkt auch den europäischen Markt erobern. Insgesamt sechs Versuche wurden in Deutschland beantragt, fünf davon in Ostdeutschland.
Direkt nach der Bekanntgabe gründete sich der „AK Gentechnikfreie Landwirtschaft im BUND Nienburg“ und beschäftigte sich intensiv mit dem Thema „Gentechnik in Landwirtschaft und Lebensmittelindustrie“. Infoveranstaltungen und Aufklärungsarbeit machten einen Großteil der Arbeit aus. Außerdem wurde eine Sammeleinwendung organisiert, die für den Standort Oberboyen von etwa 3 400 Menschen unterzeichnet wurde.
Je intensiver wir uns mit dem Gentechnik-Gesetz befaßten, desto klarer wurde uns, daß wir mit den vorhandenen rechtlichen Möglichkeiten kaum eine Chance haben würden, den Versuch zu verhindern. (Eine Grundsatzentscheidung über diesen Freilandversuch, wie eine Klage von „direkt Betroffenen“ sie herbeiführen würde, wird nicht vor der Jahrtausendwende stattfinden!)
Ende Juni gründeten wir „VERGen-Verdener Arbeitsgruppe gegen Gentechnik“. Zum ersten Mal diskutierten wir ernsthaft die Idee einer Besetzung. Nachdem wir Biohöfe, Kommunen, Wohngemeinschaften, Initiativen und FreundInnen in der Umgebung angesprochen hatten, stießen wir auf unterschiedliche Reaktionen. Gerade im BUND distanzierten sich zunächst viele von dem Schritt des zivilen Ungehorsams. Dennoch machten uns genügend Menschen Mut und so wurden wir eine feste Vorbereitungsgruppe von etwa 8 Leuten.
Nachdem das Robert-Koch-Institut, die zuständige Genehmigungsbehörde in Berlin, sich innerhalb von 16 Tagen über die Bedenken von 3 400 Menschen hinwegsetzte und den Versuch trotz grober Fehler im Verfahren genehmigte, zogen wir mit drei Bauwagen, zwei Treckern, einigen Zelten und Transparenten im Gepäck und mulmigen Kribbeln im Bauch am 31.08.96 morgens um 7 Uhr auf den Acker. Da es in den ganzen Tagen zuvor geregnet hatte, blieben wir gleich mit dem ersten Wagen in dem lehmigen Boden stecken. Es dauerte nur wenige Minuten bis die für den Kreis zuständige Polizei erschien und unser Bemühen weiter auf dem Acker zu kommen, unterband.
Die am gleichen Tag angesetzte Demonstration zum Versuchsacker brachte dann aber doch noch viele SympathisantInnen aufs Feld und gemeinsam zogen wir die beiden Bauwägen auf den Acker, stellten Transparente auf und fingen an, Hütten zu bauen. „Starre Weidelgräser – Gewaltfreie Aktion“, prangte nun 4 Meter über der vorbeiführenden Straße. Das Starre Weidelgras ist eine in Australien aufgetretene Grasart, die schon resistent gegen das Herbizid „Round Up“ geworden ist. Das war unser Symbol: Die Natur wehrt sich, sie läßt sich nicht einfach manipulieren. Auch wir wollten resistent sein und kamen anstelle des Gen-Rapses.
In den nächsten Tagen erfuhren wir immer wieder die Solidarität der in der Umgebung wohnenden. Mit den Tagen stieg die Zahl von Menschen, die uns nicht nur mit Nahrungsmitteln, Zeitung und Baumaterial sondern auch mit Arbeitseifer und und ihrer Anwesenheit unterstützen. Die Medien berichteten durchweg positiv über die Aktion und auch die anfänglichen Bedenken der KritikerInnen lösten sich allmählich auf. (Der BUND verlegte sogar spontan sein Treffen auf den Acker.) Von allen Seiten bekamen wir zu spüren, daß die Gewaltfreiheit der Aktion ernstgenommen wurde.
Auch die Polizei legte ein Verhalten an den Tag, das wir nicht für möglich gehalten hatten. Zwar machten sie jeden Tag mehrfach Kontrollbesuche, gaben uns aber auch zu verstehen, daß sie kein Interesse an einem „übereilten Vorgehen“ hätten. Nur Monsanto ließ sich nicht blicken. Eine Taktik uns auszuhungern, damit wir immer auf Gerüchte hin viele Menschen mobilisierten, um die Aussaat direkt zu blockieren? Zugegebenermaßen beunruhigend.
Doch dann stand der Saattermin fest und Dr. Amann, der Projektleiter des Versuches erschien mit seinem Anwalt und einem Lohnarbeiter. Auf dem Feld war in den vergangenen Tagen schon flächendeckend mit Stroh gemulcht worden, um die Aussaat zu erschweren. Das wurde dann fortgesetzt, nachdem das Versuchsfeld wenige Meter von dem von uns errichteten Dorf, abgesteckt wurde. Ungefähr hundert Leute bereiteten sich auf verschiedenste Art und Weise auf die bevorstehende Räumung vor. Zum zweiten Mal nahm die Polizei unsere Personalien auf – diesmal wegen einer Schadensersatzforderung von Monsanto. Amann und seine Helfer legten selbst mit der Harke Hand an und versuchten, das Stroh wegzuschaffen. Aber sie mußten feststellten, daß dies ein längerer Vorgang werden würde, zumal von der BesetzerInnen-Seite ständig neues Stroh auf die Fläche geschafft wurde.Und so zogen sie von dannen. Sie hinterließen uns den Vorschlag, das Feld zu räumen und dafür von einer benachbarten Wiese aus die ersten Versuchswochen zu beobachten. Auch einen Toilettenwagen wollten sie uns zur Verfügung stellen. Würden wir es uns anders überlegen, „müßten sie rechtliche Schritte überdenken“. Waren wir nicht richtig verstanden worden?
Anderthalb Tage später zog sich Monsanto von dem Standort Oberboyen zurück, ebenso wie von dem ebenfalls besetzten Feld in Hohlstedt. Mit dem Argument, das Leben ihrer MitarbeiterInnen und das Befinden der Maschinen sei durch eingerabene Holzdielen gefährdet (alle Stämme waren zu erkennen und zudem mit roten Fahnen gekennzeichnet worden!) und der Verpächter und dessen Familie fühle sich bedroht (wie er später zu uns sagte, habe er Angst vor zugereisten Autonomen aus Bremen gehabt, unserer Gruppe hätte er schon die Gewaltfreiheit zugetraut…), gaben sie den Versuch „der Gewaltfreiheit zuliebe“ auf.
Nach langer Überprüfung der Richtigkeit der Aussage zogen wir am darauffolgenden Tag nach 11 Tagen Besetzung vom Acker. Trotz diesem Erfolg hat die Monsanto an drei Standorten in Deutschland aussähen können – mehr braucht sie nicht für die Zulassung des Rapses. Für uns ist klar, daß wir weiter am Thema Gentechnik arbeiten werden. Hier in der Umgebung Verdens sind viele Menschen sensibilisiert worden und nehmen nicht mehr einfach eine so gefährliche Technologie hin und sind zudem auch offen geworden für diese Art von Aktion!
Kontakt
VERGen
c/o Umweltwerkstatt
Herrlichkeit 1
27283 Verden
Tel.: 04231/81046
Spenden
Zu guter letzt: Die Besetzung hat auch mit Erfolg viel Geld gekostet. Wir suchen noch dringend spendenfreudige Leute:
Sonderkonto Judith Fleischer
Kt.Nr. 325238
BLZ 29152670
KSK Dörverden
Stichwort: Gentechnik