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Israel gegen die PalästinenserInnen

Es gibt keine militärischen Lösungen

| Adam Keller Übersetzung: Andreas Speck

Die Zeitschrift "The Other Israel", herausgegeben vom Israelischen Rat für israelisch-palästinensischen Frieden, gehört zum radikalsten Flügel der israelischen Friedensbewegung. In der letzten Ausgabe erschien ein ausführlicher Artikel zum "Tunnelkrieg", von dem wir die Schlußfolgerungen übersetzt haben. (Red.)

Die drei Tage des „Tunnelkrieges“ und seine Nachwirkungen ermöglichten einige nützliche Einblicke in die Haltung der israelischen Bevölkerung.

Die Tötung von 16 israelischen Soldaten durch die bewaffnete Polizei Arafats konnte die PalästinenserInnen in den Augen der israelischen Öffentlichkeit schwerlich beliebt machen oder ein stärkeres Gefühl des Vertrauens schaffen. Der Schlachtruf der extremen Rechten: „Wer gab ihnen die Gewehre?“ hat die Gefühle der Israelis getroffen. Dennoch haben während keines bewaffneten Konfliktes der Vergangenheit – noch nicht einmal im sehr kontroversen Libanonkrieg – so viele Israelis die gesamte oder den größten Teil der Verantwortung bei der eigenen Regierung gesehen; niemals vorher zeigten so viele Verständnis für den Groll, der die andere Seite zu den Schüssen veranlaßte; niemals vorher zeigten die Israelis so wenig Neigung, einen Krieg zu führen – der Mangel an Moral und Motivation, schamloses sich Drücken und bewußte Verweigerung erreichen ungeahnte Spitzenwerte. Als Ergebnis werden Netanjahus militärischen Optionen massiv eingeschränkt.

Während es prinzipiell für Israel möglich sein sollte, die an die palästinensische Verwaltung übergebenen Orte zurückzuerobern, so wäre es doch eine Großoperation, gegen eine voll mobilisierte, bewaffnete und entschlossene palästinensische Bevölkerung. Es könnte viele Hunderte israelische Leben kosten – mit Sicherheit mehr als zur Eroberung dieser Orte 1967. Die politischen Kosten wären für jede vernünftige Regierung unerschwinglich.

Nach dem „Tunnel-Krieg“ ist klar, daß die politischen Kosten bei einem Einfrieren der derzeitigen Situation – was Netanjahu am liebsten hätte – ebenso unerschwinglich sind. Die PalästinenserInnen in isolierte Enklaven einzusperren – Enklaven mit langen, verwundenen und total irrationalen Grenzen und mit zahlreichen darin eingesprengten unhaltbaren Enklaven – kann keine langfristige Option sein.

Israel behält eine überwältigende militärische und wirtschaftliche Überlegenheit gegenüber den PalästinenserInnen – doch diese haben den Vorteil ihrer Motivation. Die Westbank und der Gaza-Streifen – die jämmerlichen 18 %, die vom historischen Palästina übriggeblieben sind – sind für die PalästinenserInnen lebenswichtig: wichtig genug, um dafür zu sterben; wichtig genug, um, Tag für Tag und Jahr für Jahr, ein Leben in unsäglichem Elend zu ertragen (was viel schwerer ist als ein einmaliger Akt der Selbst-Aufopferung).

Für die Israelis, die bereits einen recht properierenden Staat haben, sind diese Gebiete – trotz ihrer biblischen Assoziationen und ihrer Verbingungen zur frühen jüdischen Geschichte – nicht lebenswichtig. Sie sind ein Luxus, und zwar ein zweifelhafter, für den nur eine schwindende Minderheit von FanatikerInnen einen wirklichen Preis zu zahlen bereit ist.

Möglicherweise werden die PalästinenserInnen ihren Staat bekommen. Er wird entweder durch einen ordentlichen Verhandlungsprozess entstehen oder – eine Möglichkeit, die heute wahrscheinlicher erscheint – durch eine einseitige Unabhängigkeitserklärung, eine Erklärung, die der größte Teil der Welt anerkennen wird, die die Israelis nicht mittels Gewalt zerstören können, und die Netanjahu oder jede/r andere PremierministerIn möglicherweise anerkennen muß.

Möglicherweise werden die PalästinenserInnen ihren Staat bekommen, und die Israelis werden Frieden haben. Möglicherweise. Doch bis es soweit ist werden beide Völker Jahre des Schmerzes und des Kampfes durchmachen müssen.

aus: The Other Israel, P.O.B. 2542, Holon 58125, Israel (Probeexemplare auf Anfrage)