antirassismus

Wider den „Kampf der Kulturen“!

Samuel P. Huntingtons Thesen über Machtpolitik und Kriege im 21. Jahrhundert

| Lou Marin

Die idyllischen Erwartungen der Herrschenden - und manch naiver oppositioneller "Realpolitiker" - nach dem Kalten Krieg haben sich nicht erfüllt. Anstatt über "Ende der Geschichte", Sieg von Demokratie und Kapitalismus, immerwährendem Frieden wird jetzt über den "Kampf der Kulturen" diskutiert. Harvard-Professor Samuel P. Huntington liefert die Politikberatung für die zukünftige Weltpolitik und die kommenden Kriege. (Red.)

Seit geraumer Zeit wird über die Thesen vom „Kulturknall“ und dem „Kampf der Kulturen“ in den USA heiß gestritten. Samuel P. Huntington ist nicht nur Professor für Politikwissenschaft, sondern auch Berater des US- Außenministeriums. 1993 provozierte er in seiner Hauszeitschrift „Foreign Affairs“ einen vieldiskutierten Wechsel der US-amerikanischen Wahrnehmung von Weltpolitik. Das jetzt als „Kampf der Kulturen“ übersetzte Buch wurde schon im Vorfeld seines Erscheinens hierzulande kontrovers rezipiert. Im „Spiegel“ wurde sein Szenario eines kommenden Krieges zwischen den USA und China lächerlich gemacht. (1)

Über Huntingtons konservative, zum Teil rassistische Thesen kann viel gesagt werden, lächerlich sind sie meines Erachtens nicht. Wenn wir analysieren, wie Bestandteile der herrschenden „Think Tanks“ die Welt interpretieren, kann fundierte libertäre Kritik erst zu wirklichen Alternativen und Konsequenzen finden – ein Interesse, das dem Spiegel selbstverständlich abgeht.

Huntingtons „Kulturknall“-Theorie

Huntington räumt zunächst einmal mit Mythen über die Situation nach dem historischen Ende des Kalten Krieges auf, die auch die Politik der westlichen Regierungen zeitweise bestimmt zu haben schienen. Die weltweite Durchsetzung des Kapitalismus ist zwar real, doch die Reaktionen auf diese ökonmoische Tendenz seien nicht erwartet worden: dem Kapitalismus folgen nicht Säkularisierung und Laizismus, Demokratisierung und allgemeine Respektierung der Menschenrechte, sowie friedlicher Handel und Verwestlichung unter militärischer Kontrolle der USA auf dem Fuße. Weit gefehlt: die kapitalistische Modernisierung führe vielmehr zur Loslösung ländlicher Bevölkerung von traditionellen, regionalen oder Verwandtschaftsidentitäten, zu vielfachen Wanderungsbewegungen, Verstädterungen, zu rein technischer Modernisierung, zu unterschiedlichen Bevölkerungszuwächsen – und insbesondere daraus folgend zu einer weltweiten Suche nach neuen Identitäten.

Die Identitätssuche von verunsicherten, verstädterten MigrantInnen endet nach Huntington in einer weltweiten Renaissance der etablierten Weltreligionen. Nur sie seien in der Lage, den Modernisierungsverunsicherten neue Identitäten zu bieten. Während die historische Phase nach dem Zweiten Weltkrieg durch die weltpolitische Bipolarität zwischen den Supermächten USA und Sowjetunion gekennzeichnet war, so ist nach dem Kalten Krieg nach Huntington von einer multipolaren Welt dominanter „Kulturen“auszugehen, die sich ungefähr mit der Reichweite der großen Religionen deckt, in zweiter Hinsicht spielen noch die Geschichte und Sprachgrenzen eine Rolle. Die zukünftig weltpolitisch relevanten Kulturen sind nach Huntington der christliche Westen (gekennzeichnet durch Säkularismus, Pluralismus, Demokratie, Marktwirtschaft, Rechtsstaatlichkeit), die chinesisch-konfuzianische Kultur („sinisch“), die islamische, die japanische, die hinduistische, die russisch-orthodoxe, die hispanisch-katholisch- lateinamerikanische und die südafrikanische Kultur.

Huntington meint nun, daß sich die weltpolitisch relevanten Konflikte tendenziell nicht mehr innerhalb dieser Kulturen abspielen, sondern zwischen ihnen, d.h. an den Rändern der sich jeweils auf sich selbst, d.h. auf ihre jeweilige Identität zurückziehenden Kulturkreise. Die nichtwestlichen Regierungen und Kulturkreise schütteln nach Huntington übernommene westliche Dominanzen ab: die weltweite Welle der „Demokratisierungen“ nach 1989 in Afrika und Lateinamerika ist abgeebbt und zurückgenommen worden; die staatssozialistische Ideologie wird abgestoßen und durch nationalistische, religiöse und kulturalistische Äquivalente ersetzt (z.B. formuliert China gegenüber Taiwan und Hongkong/Macao nicht mehr kommunistische, sondern nationalistische, konfuzianische, aber auch antidemokratische Wertvorstellungen). Die jeweiligen Kulturen homogenisieren sich und finden ihre Identität, grenzen sich dadurch aber gleichzeitig von den anderen Kulturen ab und definieren sich antagonistisch zu ihnen. Die Kriege der Zukunft nennt Huntington „Bruchlinienkriege“, weil sie an den Übergängen der großen Kulturen entstehen. Der jugoslawische Sezessionskrieg sei bereits so ein Bruchlinienkrieg gewesen: vermischte Kulturen des westlich-christlich-katholischen Kulturkreises (Slowenien, Kroatien), des orthodoxen Kulturkreises (Serbien) und des islamischen Kulturkreises (Bosnien, Albanien) seien durch „ethnische Säuberungen“ kulturalistisch getrennt worden. Auch die Kriege an der Südgrenze Rußlands (Armenien/Aserbeidschan, Tschetschenien, Tadschikistan, und schon vorher Afghanistan) seien Bruchlinienkriege zwischen dem russisch-christlich-orthodoxen und dem islamischen Kulturkreis.

Nationalstaaten sind nach Huntington immer noch Hauptakteure politischen Handelns, doch sie gruppieren sich neu, und zwar in konzentrischen Kreisen um den Mittelpunkt ihrer Kultur. Diesen Mittelpunkt bilden nach Huntington sogenannte „Kernstaaten“, oftmals ist das ein einziger Staat wie China, Japan oder Indien, manchmal sind es zwei wie die USA und die EU (mit den dortigen „Kernstaaten“ Frankreich und BRD). Interessanterweise kann solch ein Kernstaat auch fehlen, wie im islamischen Kulturkreis, wo Saudi-Arabien, Irak, der Iran, Ägypten, aber auch Pakistan oder Indonesien (das bevölkerungsreichste islamische Land) um diesen Status konkurrieren.

Bruchlinienkriege entwickeln nach Huntington eine ganz bestimmte Dynamik: scheinbar harmlos am Rande der Kulturkreise beginnend betrifft die Forderung nach Solidarität mit den Opfern mehr und mehr den ganzen Kulturkreis (so unterstützte der islamische Kulturkreis z.B. immer mehr Bosnien, als sich dort ein islamischer Staat herauszukristallisieren schien) und kann sich im schlimmsten Falle zum Konflikt zwischen den sekundär und tertiär als Schutzmächten auftretenden „Kernstaaten“ ausweiten (das orthodoxe Rußland galt z.B. als Schutzmacht Serbiens im Konflikt mit der BRD bzw. den USA als kulturelle Schutzmächte Kroatiens). In Bruchlinienkriegen gewinnen religiös-fundamentalistische Strömungen die Oberhand über laizistisch- gemäßigte Gruppen und wirken eskalierend. Interessanterweise nennt Huntington zwei Bedingungen für die Eindämmung von Bruchlinienkriegen: einmal die Kriegsmüdigkeit der direkt beteiligten Bevölkerungen und dadurch die zeitweilige Mobilisierungsabschwächung fundamentalistischer Strömungen, zum zweiten die darauf abgestimmte Fähigkeit von Kernstaaten und konzentrisch um die Bruchlinien liegenden Staaten zu differenzierten Vertragsfestlegungen (wie Dayton). Doch einmal entfachte Bruchlinien bleiben nach Huntington nie endende Gefahrenquellen, quasi wie bei tektonischen Erdbebenbruchlinien können Kriege immer wieder von neuem entlang der kulturellen Bruchlinien wiederaufflammen.

Entscheidend für die Verschiebung von Bruchlinien ist nach Huntington die zukünftige Orientierung von sogenannten „zerrissenen Staaten“ wie etwa der Türkei, die zwischen zwei Kulturkreisen hin- und herschwankt: einerseits ist sie Mitglied der NATO, bündnispolitisch westorientiert und noch laizistisch aufgrund des auf Atatürk zurückgehenden kemalistisch-nationalistischen Militärs, andererseits wird sie aus Sicht der islamischen Bevölkerung von der christlich-säkularistischen EU verschmäht und innenpolitisch zunehmend von islamistischen Strömungen und antiwestlichen Positionen bestimmt.

Noch dominiert der Westen nach Huntington die Welt und demonstrierte dies im Golfkrieg, was die Bevölkerung islamistischer Kultur als Demütigung empfand. Doch insbesondere zwei Kulturkreise gewinnen durch ihre Identitätsfindung an Macht, um den Westen und insbesondere die USA herauszufordern und zurückzudrängen: China hat seit den 80er Jahren konstant hohe ökonomische Wachstumsraten und einen riesigen Markt, auf den sich viele AuslandschinesInnen in ostasiatischen Staaten und die stark gewordenen „Tigersprung“-Staaten Korea, Taiwan, Singapur strategisch konzentrieren. Die islamistische Kultur ist zwar ökonomisch nicht so prosperierend, hat aber nach Huntington den anderen Vorteil eines im Vergleich zu anderen Kulturen riesigen Bevölkerungswachstums, welches einen großen Prozentsatz von 15-25jährigen Jugendlichen hervorbringe, die empfänglich für antiwestlichen Islamismus sind. Um westliche Dominanz zurückzudrängen, könnten nun der chinesische und der islamische Kulturkreis, so Huntington, bei zukünftigen Bruchlinienkriegen Koalitionen bilden, vor allem über die bereits aktuell durch Waffen- und Kernwaffenaustausch genutzte Schiene China-Pakistan-Iran. Vor diesem Hintergrund wirkt das Horrorszenario eines zukünftigen Krieges zwischen China und den USA, entstanden aus einem Bruchlinienkrieg, keineswegs mehr so lächerlich, wie der „Spiegel“ meinte. (2)

Rassistischer Kulturalismus

Huntingtons Theorie ist ein Modell, allerdings durch einige verblüffende empirische Untersuchungen und Tabellen angereichert. Es lassen sich zwar immer wieder Gegenbeispiele zu seinen Beschreibungen finden – etwa widerspricht die Unterstützung Bosniens durch die USA der Bruchlinientheorie, was Huntington meines Erachtens nicht plausibel erklärt. Dennoch trägt sein Ansatz meines Erachtens an vielen Stellen zu einer logischen Erklärung der Konfliktverschiebungen seit Ende des Kalten Krieges bei.

Problematischer als die Hinterfragung des Modells scheinen mir seine Implikationen und Voraussetzungen. Huntington plädiert für die radikale Aufrüstung des Westens, weil er glaubt, daß sich die Kernstaaten der andere Kulturkreise an keinerlei Rüstungskontrollvereinbarungen halten werden. Insbesondere entpuppt er sich darüber hinaus als Migrationsgegner und Abschiebepolitiker. Analog zu den anderen Kulturkreisen müsse auch der Westen wieder zu einer homogenen Identität finden. Unbegrenzte Immigration hispanischsprachiger MexikanerInnen in den Süden der USA oder arabischer IslamistInnen nach Europa würden kulturzersetzend wirken, weil sie sich nicht assimilieren wollten, sondern der Spaltpilz in den Kernstaaten der anderen Kultur seien.

Der Kulturbegriff Huntingtons ist also festgezurrt und hermetisch: gerade durch Migration finde kein kultureller Austausch, sondern kulturelle Zersetzung statt. Damit ist Huntingtons Modell nichts anderes als der Endpunkt der historischen Wandlung des Rassismus in einen Kulturalismus. Die Kulturen sind es nun, die festgeschriebene, unveränderbare und undurchlässige Eigenschaften besitzen, die sich also nicht mischen, verändern oder schöpferisch verschmelzen können. Alle Kulturen außerhalb des Westens beschreibt Huntington als monolithische Blöcke, unfähig zu Pluralismus, Individualismus, Demokratie:

„Die großen politischen Ideologien des 20. Jahrhunderts heißen Liberalismus, Sozialismus, Anarchismus, Korporatismus, Marxismus, Kommunismus, Sozialdemokratie, Konservatismus, Nationalismus, Faschismus, christliche Demokratie. Ihnen allen ist eines gemeinsam: Sie sind Produkte der westlichen Kultur. Keine andere Kultur hat eine signifikante politische Ideologie erzeugt.“ (3)

Mit dieser arroganten Wahrnehmung anderer Kulturen als monolithisch geht insbesondere das Feindbild Islam einher. In dieser Hinsicht kommt sein Modell FeindbildproduzentInnen in der BRD wie etwa Peter Scholl-Latour sehr nahe. Nach Huntington ist der Islam statistisch bisher an den meisten Bruchlinienkriegen beteiligt. Auf der Suche nach Gründen schreibt er: „Der Koran und andere Formulierungen muslimischer Glaubenssätze enthalten nur wenige Gewaltverbote, und die Vorstellung der Gewaltfreiheit ist muslimischer Lehre und Praxis fremd.“ (4) Als sei hier ein qualitativer Unterschied zum Christentum zu erkennen und die Vorstellung der Gewaltfreiheit etwa in der herrschenden westlichen Kultur tief verankert!

Libertär-gewaltfreie Schlußfolgerungen

Die Schlußfolgerungen, die Huntington aus seinen Thesen entwickelt und an die US-Administration weiterleitet, liegen auf der Hand: Der westliche Universalismus nach außen soll zurückgenommen werden, weil er von den anderen Kulturen als kultureller Imperialismus wahrgenommen wird. Die Kulturkreise seien eben unterschiedlich, so Huntington, das müsse der Westen akzeptieren. Gleichzeitig müsse der Westen seine eigene Identität erneuern, wenn er nicht im Kampf der Kulturen als Zivilisation untergehen wolle. Daher müsse er im Innern homogen sein und seine universalistischen Prinzipien innerhalb der eigenen Kultur radikal durchsetzen, d.h. keine kulturelle Zersetzung im Innern dulden, keine Multikultur, keine Migration ohne Assimilation. Das ist meines Erachtens die rassistische Konsequenz des Kampfes der Kulturen, wohlgemerkt: vorgeschlagen nicht von einem Rechtsextremen, sondern aus der konservativen „Mitte“ der Gesellschaft in den USA.

Libertäre, AnarchistInnen und Gewaltfreie könnten demgegenüber das Modell vom Kopf auf die Füße stellen: der libertäre Kulturbegriff ist ein fließender. Nicht festgefügte Kultur entwickelt sich danach beständig durch Begegnung, Mischung, Kontakte neu. Das ist der anarchistische Kulturbegriff, den Rudolf Rocker in Abgrenzung zum Nationalismus entwickelt hat. (5) Identitätspolitik, der Rückzug auf einen angeblich „kulturellen“ – zu Rudolf Rockers Zeiten noch nationalen – Kern verhindert ein solches libertäres Verständnis von Kultur. Doch das wußten Libertäre auch schon vor Huntington. Und daß daraus die Befürwortung von Kulturaustausch – ohne Zwang zur Assimilation – und die GegnerInnenschaft zur staatlichen Abschiebe- und Abschottungspolitik im Westen folgt, kann kaum überraschen und ist auch nicht neu.

Wenn sich der westliche Universalismus nach außen hin allerdings nach Huntington auf sich selbst zurückzieht, also weltweit relativiert wird, könnte der anarchistische Universalismus transnational eine neue Chance erhalten. Voraussetzung dafür wäre allerdings ein Anarchismus, der in nichtwestlichen Gesellschaften nicht immer wieder als Bestandteil westlicher Kultur identifiziert und dadurch a priori abgelehnt wird. Wenn man/frau zum Beispiel Murray Bookchins neues Buch über die „Agonie der Stadt“ (6) liest, dann bleibt der Anarchismus auch in seinen zeitgenössischsten Formen der euroamerikanischen Kulturgeschichte verhaftet. Nichts, rein gar nichts nimmt Bookchin aus anderen Kulturen produktiv auf. Und hier, finde ich, muß sich der Anarchismus gravierend wandeln, will er nicht zum Trittbrettfahrer des westlichen Kulturalismus werden. Es geht darum, in der Kulturgeschichte anderer Regionen der Erde nichtorthodoxe, nonkonformistische, dissidente Seitenströmungen aufzusuchen, sie bekannt zu machen und mit den produktiven Traditionen des westlichen Anarchismus, die ja nicht verleugnet werden müssen, zu kombinieren. Dazu muß der säkulare, in großen Teilen atheistische Anarchismus zumindest ein Gespür für religiös-libertäre Begründungen in anderen Ländern entwickeln, ganz nach dem Vorbild Bakunins, der als atheistischer Anarchist meinte, die religiösen Gefühle der russischen Bauern/Bäuerinnen könnten nicht von heute auf morgen verändert werden, auf sie müsse Rücksicht genommen, in ihrer Sprache müsse gesprochen werden (was Tolstoi dann auch machte). Wenn es dem Anarchismus etwa gelänge, die vorhandenen islamischen Begründungen von Gewaltfreiheit im Westen bewußt zu machen, welche etwa die Massenbewegungen Abdul Ghaffar Khans in Pakistan oder Mahmud Tahas im Sudan als Gegenströmungen zur islamischen Orthodoxie wie auch zum „Fundamentalismus“ prägten, wäre ein libertärer Schritt getan, um Huntingtons Kampf der Kulturen zu durchkreuzen. (7)

Wenn die verunsicherte, landflüchtige Bevölkerung unter Aufgabe ihrer traditionellen Gewohnheiten und Bindungen im Zeitalter der Modernisierung in den Städten der „Dritten Welt“ nach psychischem und emotionalem Halt sucht, könnte die Unterstützung solcher religiös-libertärer Nebenströmungen durch europäisch-amerikanische AnarchistInnen eine kulturelle Verbindung herstellen, die sowohl westliche Dominanz als auch die Renaissance religiöser Orthodoxien hinter sich läßt. Uns AnarchistInnen muß dabei immer klar sein: die Menschen müssen die befreiende Message auch verstehen, deshalb müssen libertäre Inhalte manchmal in religiöser Sprache transportiert werden, nur dann haben sie eine Chance, populär und massenwirksam zu werden. Ein Vorbild ist für mich gerade in dieser Hinsicht Gandhi: er nahm westlichen Individualismus und Gewaltfreiheit in Europa auf, sprach die einfachen Bauern/Bäuerinnen in Indien aber in religiöser Sprache an, interpretierte die gewalttätigen hinduistischen Schriften mit dem Ideal der Gewaltlosigkeit neu, bemühte sich auch um einen Ausgleich mit dem Islam, und kam so zu einer produktiven kulturellen Verbindung zwischen europäischen Einflüssen und indischer Tradition, die als Antikolonialismus massenwirksam werden konnte ohne zu „Fundamentalismus“ und kulturellem Bruch auszuarten.

(1) "Und dann die Atombombe", Interview mit Huntington, Spiegel 48/96, S.178ff.

(2) vorstehend im wesentlichen eine subjektive Zusammenfassung des Buches: Samuel P. Huntington: Kampf der Kulturen. Die Neugestaltung der Weltpolitik im 21. Jahrhundert, München/Wien 1996.

(3) Huntington: Kampf der Kulturen, S.71.

(4) Huntington: Kampf der Kulturen, S.430.

(5) Rudolf Rocker: Nationalismus und Kultur, 1937, Neuauflage angekündigt im Trotzdem Verlag, zusammengefaßt in GWR 171-73, S.71ff.

(6) vgl. Besprechung in GWR 212, S.7.

(7) zu Abdul Ghaffar Khan: siehe "Gewaltfreie Bewegung im Islam", GWR 125, S.7. Zu Mahmud Taha: siehe "Der Gandhi des Sudan" in GWR 132, S.13 sowie Buchbesprechung "Die 'Republikanischen Brüder' im Sudan", GWR 191, S.7.