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Die Weltliteratur des faschistischen Mannes

Patriarchaler Gegenschlag im Literaturbetrieb: Das Beispiel Lothar-Günther Buchheim

| Lou Marin

Der patriarchale Gegenschlag befindet sich auch im Bereich der Kultur auf dem Vormarsch. Wer sich die offizielle Theater-, Kino- oder Fernsehkultur kritisch vor Augen führt, wird dafür viele Beispiele finden (etwa den Moral-Majority-dominierten Ausgangspunkt patriarchaler Familienideologie bei vielen Hollywood-Spielfilmen). Auch der hiesige Literaturbetrieb sollte auf den Gegenschlag hin überprüft werden. Hier wird als ein Symptom der literarische Erfolg des Lothar-Günther Buchheim unter die Lupe genommen. In GWR 211 untersuchten wir bereits "Mechanismen des Gegenschlags". In loser Folge sollen weitere Beiträge zum patriarchalen Gegenschlag erscheinen. (Red.)

Wer erinnert sich nicht an den aufwendigen Kinofilm „Das Boot“, der in den 80er Jahren als Literaturverfilmung von Lothar-Günther Buchheims Roman und gleichzeitig als Antikriegsfilm vorgeführt wurde? Und vor einigen Jahren, zum 50. Jahrestag der Befreiung vom NS-Regime, wurde Lothar-Günther Buchheims zweiter Megaroman „Die Festung“ vom bürgerlichen Feuilleton als jener realistische Kriegsroman gefeiert, der das Elend der Schlachten wahrheitsgetreu schildere und zum Jubiläumsjahr gerade noch gefehlt hatte.

„Die Festung“ gilt seitdem als Weltliteratur. Buchheim schildert in dem Roman seine eigene Irrfahrt durch das kriegszerstörte Europa: alles nur, um bei Verleger Peter Suhrkamp im Jahre 1943 noch ein Buch herauszubringen, einen reportageartigen Text-Bild-Band, der seine Erfahrungen als Kriegsberichterstatter auf deutschen U-Booten dokumentieren und den finanziell angeschlagenen Suhrkamp retten soll, Titel: „Jäger im Weltmeer“ – ein „widerständiges Buch“, wie Buchheim heute sagt. Dreimal sollten die „Jäger“ in den letzten Kriegsjahren erscheinen, einmal wurden die bereits gedruckten Exemplare noch in der Leipziger Druckerei bei einem Bombenangriff zerstört, ein zweiter Versuch im Elsaß wurde von der französischen Résistance sabotiert, eine letzte Möglichkeit des Drucks in Norwegen scheiterte.

Seitdem galt „Jäger im Weltmeer“ als verschollen. Zwar befassen sich Buchheims als Weltliteratur geltende Romane immer wieder damit, doch sind sie retrospektiv. Buchheim hat seine Romane damit gerechtfertigt, er schreibe u.a. auch über die Ängste, die die deutschen U-Bootfahrer hatten. Dadurch erst werde eine realistische Kriegsbeschreibung möglich. Diese Legitimationsversuche blieben nicht unumstritten: KritikerInnen sahen darin den Versuch, aus Tätern Opfer zu machen. Eine Hochschulinitiative in Duisburg versuchte, dem „Weltliteraten“ seine bereits verliehene Ehrendoktorwürde abzuerkennen. Mit bislang ausbleibendem Erfolg. Der Ruf Buchheims als ein deutsches Aushängeschild der Weltkriegsliteratur wurde kaum angetastet.

In dieser Situation ging Buchheim jüngst noch einmal in die Offensive und veröffentlichte unter großem Presserummel Ende letzten Jahres selbst das Buch, das ihn als „widerständig“ ausweisen und seine Nachkriegsliteratur rechtfertigen soll: „Jäger im Weltmeer“ ist nun im angesehenen Hoffmann & Campe-Verlag als teurer großformatiger Text-Bild-Band erschienen. Der Journalist Alexander Rost schreibt im Nachwort, nun könne jede/r sehen, daß es sich hierbei um „schier antimilitaristische Seemannsstudien“ handle. Buchheim, so Rost, „beschönigte nichts, verfälschte nichts. Von Propaganda ist da nichts zu sehen.“ In der „Welt am Sonntag“ waren die „Jäger“ von A.J. Andreas so besprochen worden: „Wer Gelegenheit hat, es zu lesen, findet nicht eine Spur von Propaganda. (…) Ein Buch, das nicht lügt.“

Was sagen solche Bewertungen aus, sowohl über Buchheim als auch über den herrschenden Literaturbetrieb? Zunächst einmal: stimmen sie auch nur in Ansätzen?

Die Phantasien des faschistischen Mannes

Klaus Theweleit hat in seinem grundlegenden Werk „Männerphantasien“ die Sprache von Frontkämpfersoldaten im 1. Weltkrieg (u.a. Ernst Jünger) und von Leuten aus den ersten faschistischen Freikorps in den Jahren direkt nach der Revolution von 1918/19 untersucht. Die Freikorps wurden damals zur Niederschlagung von ArbeiterInnenaufständen eingesetzt, an denen sich überraschend viele proletarische Frauen beteiligten, die selbstbewußt, selbständig und mit einer die faschistischen Soldaten verstörenden Emotionalität auftraten. Damit kamen die Soldaten nicht zurecht und spalteten ihr Frauenbild in das Bild der gefühlvollen Heiligen (asexuelle, im Haus eingeschlossene, domestizierte Ehefrau oder Mutter) und das der gefühllosen Hure (Sexualität an sich, derer sie sich bei Gelegenheit bedienten, die sie aber abschätzig mit Schmutz und Dreck identifizierten, zum Abschuß freigegeben). Die selbstbewußte und gefühlvolle Sexualität der Arbeiterfrauen bedrohte die soldatische Vorstellung von männlicher Dominanz. Die Freikorpssoldaten wehrten sich gegen das Aufgehen ihrer männlichen Sexualität in einem Meer von Gefühlen. Sie wurden dadurch nicht nur unfähig zu gefühlvoller Sexualität, sondern bildeten geradezu einen „Körperpanzer“, sie verfestigten sich in ihrer faschistischen Männerkameradschaft und gossen den Haß über ihre Unfähigkeit, gefühlvolle Sexualität leben zu können, auf alles aus, was ihren Körperpanzer bedrohte und was ihre männliche Härte auflösen konnte in menschliche Gefühle, Gewissen, Moralität des eigenen Handelns. Und so haßten sie die Arbeiterfrauen und identifizierten alles, was sie bedrohte, mit Verflüssigung ihres Körperpanzers: die ArbeiterInnenbewegung wurde zur „Roten Flut“. Dagegen zogen sie sich in den hierarchisierten Männerbund faschistischer Freikorps zurück, der ihnen Sicherheit vor dieser Bedrohung durch Verflüssigung bot: Härte, aber auch Führung durch die klare, geordnete Hierarchie (der einzelne war nichts, der Männerbund alles). Der faschistische Mann wurde zum Rädchen in der Maschine, nur als solches fühlte er sich geborgen, angstlos und stark – und endlich fähig, den äußeren Bedrohungen etwas entgegenzusetzen. Deshalb identifizierten diese Männer den faschistischen Männerbund mit harten Symbolen wie etwa dem „Fels“, der sich gegen die „rote Flut“ stemmt.

Diese Gegensatzsymbole von Härte (Körperpanzer) und Flüssigkeit (Verbindung von Gefühl und Sexualität, Fähigkeit zu Empfindung, Zärtlichkeit, Gewissen) sind zentral für faschistische militarisierte Männlichkeit und werden in faschistischer Literatur in tausenden von Metaphern wiederholt. Männliche Sexualität verwandelt sich im faschistischen Mann, da sie von der Fähigkeit Gefühle auszudrücken abgekoppelt ist, in Mordlust. Die Lust am Töten ist beim faschistischen Mann nach Theweleit die sexuelle Explosion des Körperpanzers, der faschistische Orgasmus. Wenn die Frontkämpfer überhaupt von Sexualität sprechen, dann beschreiben sie sie nahezu ausschließlich penetrationsfixiert, gefühllos, als Gegeneinander (nicht Miteinander!) und in Begriffen des Frontkampfs: der männliche Penis „drang ein“, „durchbohrte“, „stieß“, „stemmte sich gegen“, „wühlt von allen Hemmungen befreit“ usw.

Diese kurze Zusammenfassung mag genügen, um zu verdeutlichen, warum die Metaphern des Harten gegen Flüssiges immer wieder mit rechtsextremem Gedankengut zu tun haben. Wenn etwa das Immigrieren von Menschen aus anderen Ländern mit „Ausländerfluten“, denen mann sich entgegenzustemmen, gegen die mann sich abzuschotten usw. habe, gleichgesetzt wird, dann ist das die Sprache des Körperpanzers.

Buchheims faschistischer Orgasmus

Ich analysiere nun das 1. Kapitel von Buchheims „Jäger im Weltmeer“ nach Theweleitschen Kategorien genauer. Das stahlumgürtete U-Boot bietet in Buchheims Sprache gleich zu Anfang „… den Wogen keine Aufbauten, die sie zertrümmern, keine Luken, die sie einschlagen könnten. Furchtlos können wir auf unserem Boot die Stürme, die ‚Herrscher in Ost und West‘ herausfordern, ungestraft die Wut der Seen verachten. Der Aufruhr des Wassers kann uns mit wandernden Bergen umstellen und unsere Sicht begrenzen. Die tobenden Seen können uns schütteln und den Einsatz unserer Waffen beschränken: überwältigen können sie uns nicht. Selbst nach den schwersten Wogenschlägen richtet sich unser Boot wieder auf, schüttelt den Gischt von seinen Flanken und läuft gegen die nächste Woge an.“ (S.9)

Hier ist das U-Boot der „Fels“, der sich gegen die „Fluten“ stemmt, die immer als bedrohlich dargestellt werden. Ich springe kurz zum Kapitel „Sturm“, weil Buchheim hier die penetrationsfixierten Metaphern nach den Männerphantasien Theweleits geradezu reihenweise auftischt. Es geht dabei um das Motiv, weshalb diese Männer die Gefahr in den U-Booten suchten, weshalb sie freiwillig zur Marine gingen, wie Buchheim:

„Hörst du, wie sich der Bug schon wieder einbohrt, wie er sein spitzes Horn in die nächste Woge einrennt? – Wie die Maschinen wühlen! Das Boot zittert heftig und arbeitet schwer. – Nun rasen die Schrauben wieder los, wie von einer hemmenden Gewalt befreit!“ (S.47)

Oder:

„Wir fahren schräge Hänge hoch, stoßen mit dem Bug ins Leere, rasen hinab, tauchen durch die Klüfte, wieder hinauf, wieder hinunter, hinein ins grüne Fleisch der Wellen, daß sie aufbrüllen.“ (S.48)

Wellen haben kein „Fleisch“ und können rein semantisch auch nicht „aufbrüllen“, der dem Orgasmus nahe Buchheim aber schon:

„Ich merke, daß ich brülle. (…) Dieser auf und ab geschleu- derte Stahlkörper, der nicht unterzukriegen ist, der sich schüttelt und bäumt und immer neue Ausfälle macht – hinein in den Geifer, in die schwarzgrünen Mäuler.“ (S.51)

Nach Theweleit nehmen die faschistischen Männer selbstbewußte oder sich bei Vergewaltigungen wehrende Frauen als „Geifernde“ wahr. In den Phantasien „brüllt“ die Welle beim „Stoßen“ und Hinab“rasen“ „auf“ – so wollen sie auch die Frau beim Orgasmus erleben. Das Wort „aufbrüllen“ ist typisch und kann mit Schmerzhaftem assoziiert werden – eine Frau, die beim Orgasmus wirklich Schönes empfindet, sollte mit anderen Begriffen beschrieben werden.

Die Austreibung der Angst

Aber kehren wir zum 1. Kapitel zurück. Buchheim beschreibt eine Szene, in der ein U-Boot scheinbar hilflos sinkt und die Männer eigentlich Angst um ihr Leben haben müßten (sie werden dann doch gerettet). Wie werden solche Momente der Lebensgefahr beschrieben? „Im Munde bildete sich der bittere Geschmack äußerster Gefahr.“ (S.10) Und: „… die Mystik des Unvorhergesehenen und Ungewissen – das Abenteuer, erfüllt ganz unser Dasein.“ (S.11) Und nach einem Angriff:

„Kein Wort von der fast unerträglichen Spannung, die sich erst löste, als das Boot wieder in tieferem Wasser stand.“ (S.14)

Immer wieder wird die Spannung, das Abenteuer, der Mut der Männer beschrieben, nicht deren Angst. Zur Nazi-Ideologie gehörte es, über Angst erst gar nicht zu schreiben, oder wenn, dann um aufzuzeigen, wie sie überwunden und in Mut verwandelt werden konnte. Angst mußte ausgetilgt werden, Verängstigte könnten Schwächlinge, gar Feiglinge werden, das ganze Unternehmen gefährden. Buchheim schrieb 1943 nicht über Angst.

Typisch für das ganze Boot ist eine nekrophile Sexualität des faschistischen Mannes, der im Grenzbereich des Todes das Erlebnis, den Orgasmus sucht und diesen Grenzbereich gerade deshalb immer wieder aufsucht. Ganz deutlich wird das bei Torpedoangriffen und nachfolgenden Wasserbomben durch die gegnerischen Kriegsschiffe. Buchheim läßt seinen von ihm vergötterten Kommandanten schwärmen:

„Und wenn dann der Torpedo trifft – nein, das kann sich keiner vorstellen! (…) Dann können die Wasserbomben kommen! Dann können sie ruhig schmeißen, immer brav und gottesfürchtig! Da weiß man wenigstens, warum man sie aufs Haupt bekommt. ‚Schön‘, sagt man dann, ’nun auch ein paar Dutzend Wasserbomben!‘ – Ja, wenn die Torpedos treffen! Es gibt nichts Tolleres! Auf der ganzen Welt nichts Tolleres – hach ja!“ (S.42)

Und:

„Da sagte der blutjunge Fähnrich: ‚Die Bomben! Toll! Das war wie Weihnachten! Wie eine Bescherung!'“ (S.16)

Ist das etwa Angst?

Sie sind „Jäger im Weltmeer“. Der ganze Text ist durchsetzt mit Jagdmetaphern. Sie „suchen nach Beute“ (S.13), wollen Jagdtrophäen („Erfolgswimpel“, S.14), beim Angriff gibt es ein „Heranpirschen“ (S.14), Frachter laufen den Jägern „vor die Nase“ (S.15), wenn sie Geleitzüge treffen, haben sie eine „Herde zersprengt“ (S.16), später ist sogar von „Jagd- gier“ (S.29) die Rede.

Buchheim hat sich 1943 an die Nazi-Ideologie gehalten: er hat keine Angst beschrieben. Im Gegenteil: die „Jagdgier“ der faschistischen Männer führt zur Pflichtübererfüllung. Sie sind eben mit dem Herzen Nazis. Über Angst hat Buchheim erst in seinen Romanen nach dem Krieg geschrieben. Nun aber hatte die Beschreibung der Angst eine andere politische Funktion: sie diente der Täterentlastung. Aus Tätern wurden Opfer: auch sie hatten Angst. Buchheim schreibt im Vorwort der „Jäger“ heute: „Wir, die wir den Krieg erlebt haben, sind eine Generation von Beschädigten und bis zur Verzweiflung Gebrochenen.“ (VIII) Die Neuveröffentlichung von „Jäger im Weltmeer“ soll ein Gegengewicht bilden gegen die „üble Tendenz“, „alle Soldaten als Mordbuben immer wieder aufs neue zu brandmarken.“ (VIII) Buchheim merkt nicht einmal, daß er gerade 1943 nicht, sondern erst im Nachhinein in seinen späteren Romanen von Angst geschrieben hat.

Die faschistische Übererfüllung der Pflicht

1943 schreibt Buchheim nicht über Angst, sondern über „… ans Übermenschliche grenzende Zeugnisse soldatischer Pflichterfüllung.“ (S.12) Da werden Schiffe trotz ausgefallener Seerohre, die eigentlich zum Rückmarsch zwingen, angegriffen. Oder: Ohne Torpedos, mit Defekten im Schiff auf der Rückfahrt wird trotzdem ein Dampfer – nur mit der Artillerie – versenkt. (S.15)

Andernorts:

„Völlig unglaubhaft aber will es uns erscheinen, daß der Siegeswille dieser Bootsbesatzung das schwerbeschädigte Boot noch hartnäckig zu mehrfachem Angriff und Erfolg geführt hat.“ (S.13)

Bei Wasserbombentreffern ist die Mannschaft nicht etwa ängstlich, sondern verhält sich nach den Aufzeichnungen des Kommandanten „kaltblütig und arbeitete unerschütterlich“ (S.12) und konnte so das Boot retten:

„Der Kommandant, der dies schrieb, spendete damit seiner Besatzung mehr als ein Lob. Dieses ‚kaltblütig‘ und dieses ‚unerschütterlich‘ bedeuten mehr als ein Attribut, sie sind das im Tone des knappen Berichts gegebene Zeugnis tapferster Pflichterfüllung, die den Menschen in seine königliche Stellung setzt.“ (S.12)

In Theweleit’schen Kategorien: „Unerschütterlich“ ist klar – die Sprache des Körperpanzers. „Kaltblütig“ ist interessant: Blut ist die einzige Flüssigkeit, die der faschistische Männerkörper nicht als Bedrohung empfindet, seine Mordlust führt ständig zu Bluträuschen; aber am besten und höchstes Lob bezeugend ist Blut doch in kaltem Zustand: „kaltblütig“. So knapp, aber allen ob ihrer Auszeichnung verständlich, sind die Worte des Kommandanten auch in des Kommandanten Kriegstagebuch, wenn er von erfolgreichen Abschüssen berichtet (S.60-62). In der Knappheit des ausgesprochenen Lobs wird die höchste im Männerbund aussprechbare Ehre deutlich. Erst durch diese Pflichtübererfüllung wird Buchheims dem Buch voranstehendes Verszitat von Ernst Jünger in seiner ganzen Tragweite erläutert:

„Die Pflicht ist selbstverständlich, aber das rechte Gewicht gibt erst das Herz, das freiwillig in die Waagschale geworfen wird.“ (S.7)

Der hierarchische Männerbund und seine Opfer

Der von Buchheim noch heute vertraulich als „der Alte“ beschriebene Kommandant symbolisiert den hierarchischen Aufbau des Männerbundes wie überhaupt der faschistischen Kameradschaft, ob im Krieg oder in der Gesellschaft. Der Kommandant ist der Führer:

„Niemand ist so nur auf sich gestellt wie der Kommandant des Unterseebootes. Er trägt allein die volle Last verantwortungsschwerer Entschlüsse. (…) Er führt die Getriebe der toten Materie, die vielfältigen Funktionen von Maschinen und Waffen zu einer einzigen Wirkung zusammen, während die Besatzung nichts vom Gegner sieht und nur gewissenhaft in ihrem Dienstbereich die Befehle des Kommandanten ausführt.“ (S.11)

Trotzdem fühlen sich die Leute gleichzeitig aufgehoben und doch wichtig, als Rädchen in der Maschine. Zwar ist der Kommandant der Führer, aber:

„Den Gesetzen des Kampfes untertan, leben sie in der gleichen Enge, sind sie gleichen Gefahren ausgesetzt und leiden gleiche Entbehrungen. Das gleiche Schicksal hat sie zu einer geschlossenen Einheit zusammengeschweißt. (…) Jeder ist dann mitverantwortlich für den Erfolg des Bootes, einer dem anderen auf Gedeih und Verderb verbunden. Das Versagen des einzelnen kann den Sieg zunichtemachen und das Leben der ganzen Besatzung gefährden.“ (S.12)

Maschinenräder, Körperpanzer „schweißt“ mann „zusammen“. Sie sind dann dem Erlebnis, dem „Sieg“ (zusammen Überleben) wie der Niederlage (zusammen Sterben) „auf Gedeih und Verderb verbunden“ – „das waren damals keine leeren Worte“ (S.X) schreibt Buchheim noch heute im Vorwort. Die sonst nur propagierte Nazi-Ideologie hatte für die Männerkameradschaft im U-Boot einen tatsächlichen Erfahrungsgehalt bekommen. Gemeinsam siegen oder untergehen (sterben): gerade im Krieg konnte es nichts Drittes geben. Anstatt deshalb wenigstens jetzt den Krieg in Frage zu stellen, bekräftigt Buchheim gerade den Männerbund als Kriegserfahrung.

Im Gegensatz dazu tauchen die Opfer dieser „zusammengeschweißten Einheit“ im 1. Kapitel (und auch sonst im ganzen Buch) nur an einer einzigen Stelle auf. Bei einem der übereifrigen Angriffe mit kaputtem U-Boot auf einen Einzeldampfer heißt es in der – unkommentiert wiedergegebenen – Erzählung eines Kommandanten: „Wie Affen sind die Leute in die Boote gestürzt.“ (S.15) Sie sind keine Opfer, sondern verhalten sich „wie Affen“.

Die Opfer haben um ihr Leben Angst, werden wohl in der Weite des Ozeans auch in ihren Booten kaum Rettung finden. Die Bilder, die wir von der Verfilmung des „Boots“ kennen, von um Hilfe rufenden Opfern, die im Meer schwimmen, und von der Stummheit der U-Boot-Soldaten, die das mitansehen müssen, sind ebenfalls retrospektiv und sollen den Kriegsfilm zum Antikriegsfilm umpolen. Doch in „Jäger der Weltmeere“ jubeln alle Soldaten nach Treffern, das zeigt schon die ganze Fotosequenz im Bildteil des Buches. Um die Opfer und ihre Qual machen sie sich keinen Moment Gedanken.

Halten wir hier inne und vergleichen direkt, wie Buchheim üblicherweise die Waffen der U-Boote, die Torpedos, beschreibt:

„Der Torpedo ist jedoch kein Geschoß. Er wird nicht mit Explosivkraft, sondern mit Preßluft aus dem Rohr gestoßen. Mit Motor, Schraube und Ruder versehen, ist der Torpedo selbst ein hochentwickeltes Unterseeschiff, das unbemannt seinen Kurs dicht unter der Oberfläche nimmt. Statt von Menschenhand wird es von einem feinnervigen Uhrwerk gesteuert, und als Last trägt es Sprengstoff in seiner Stahlhülle.“ (S.14)

Daß bei Treffern Menschen sterben, ertrinken usw., das kommt nicht vor. Überhaupt wird der Torpedo immer als „Aal“ beschrieben. Die Verharmlosung des Schreckens dieser Waffe ist Programm: technisch korrekt, wie Buchheim angeblich immer ist (hinter der Faszination an technisch korrekten Details verbirgt sich nur die Theweleitsche Mann-Maschine!), ist der Torpedo gar „kein Geschoß“, er trägt den Sprengstoff „als Last“ (der Arme!), und seine Steuerung ist „feinnervig“ – wie fein und sensibel so ein Torpedo doch ist! Die Maschine wird vermenschlicht: rein semantisch kann keine Maschine Nervenstränge haben, noch dazu „feine“, doch die tödliche Waffe wird gefühlvoll geschildert – die getroffenen Opfer dagegen „wie Affen“. Der faschistische militarisierte Körperpanzer geht in der Maschine auf, er liebt die Maschine, weil er selbst zur Maschine geworden ist – vollständig gefühllos. Diese Körpermaschine ist deshalb unabdingbare Voraussetzung auch für das gefühllose Vernichten im Holocaust gewesen.

Die U-Boot-Leute kämpfen immer aufrecht, heldenhaft und ehrlich, obwohl doch der U-Boot-Krieg zum Gemeinsten und Hinterhältigsten gehört, was sich denken läßt. Doch gemein ist in der faschistischen Sprache Buchheims nur der Gegner über Wasser:

„Gegen die Tücken seiner Abwehr steht unser Mut.“ (S.16)

Und:

„Mit U-Boots-Fallen sucht er uns zu locken und zu täuschen. Als harmlos getarnte Dampfer setzen plötzlich zum Rammstoß an und eröffnen das Feuer aus verborgenen Geschützen.“ (S.16)

Der Feind ist verschlagen und heimtückisch. Dagegen ist die Kampfesweise des U-Boots immer mutig oder wird in den ritterlichen Metaphern der Jagd geschildert.

Das kulturelle Umfeld ist bereitet

Faschistische Männer wie Buchheim oder auch Jünger (siehe Jüngers Verszitat) haben ihre Pflichten nicht nur erfüllt, sie haben sie übererfüllt. Sie waren nicht einfach nur Nazis, sie waren – und sind, weil sich Buchheim nie davon distanziert hat und heute noch meint, der Text beweise seine „Widerständigkeit“ – 150%ige Nazis. An der Ostfront eingesetzt hätten Leute mit solchen Voraussetzungen jüdische Menschen so freiwillig und übereifrig gequält und hingeschlachtet, wie es Goldhagen von den dortigen Nazis beschreibt.

Die Frage ist: warum kann ein nazistisches Buch wie dieses heute von Verlag und Autor ohne öffentlichen Aufschrei als „schier antimilitaristisch“ präsentiert werden? Da der Hoffmann & Campe-Verlag dieser Bewertung offenbar selbst nicht traut, wird im Klappentext zur Legitimation noch ein zweiter Grund nachgeschoben: die damals bei Suhrkamp geplante Veröffentlichung beweise die Widerständigkeit Buchheims, weil Suhrkamp mit den Nazis nun wirklich nichts im Sinn gehabt hätte.

In Wirklichkeit hatte Peter Suhrkamp den jüdischen S. Fischer Verlag nach dessen „Arisierung“ und der Ausweisung der Eigentümer skrupellos übernommen und wollte durch Buchheims Buch 1943 von den Nazis das Prädikat „kriegswichtig“ bekommen, um weiter veröffentlichen zu können. Die Festnahme Suhrkamps aufgrund angeblicher Auslandskontakte erfolgte erst 1944. Buchheim wußte 1943 nichts davon und betont noch im Vorwort, daß er die Vorwürfe unglaublich fand und für Suhrkamp seine Hand ins Feuer legte.

Über Suhrkamp wiederum erfahren wir, daß Buchheim damals direkt zu Dönitz – Suhrkamp forderte ihn auf: „Sie müssen Ihren Dönitz aktivieren“ (VI) -, dem zweitwichtigsten Nazi, gehen konnte, und daß dieser das von Buchheim selbst formulierte Vorwort zu „Jäger im Weltmeer“ unterschrieben hat. Dieses Vorwort wird den heutigen LeserInnen der „Jäger“ jedoch von Buchheim vorenthalten. Buchheim hält nichts mehr von Dönitz, aber damals hieß es von seiten Suhrkamps: „Ihr Dönitz“!

Allein Suhrkamps Karriere bis 1944 und Buchheims Kontakte zu Dönitz, die derart intensiv waren, daß dieser ein von Buchheim verfaßtes Vorwort unterzeichnete, strafen alle Schutzbehauptungen des Hoffmann & Campe-Verlages Lügen. Wenn ein Kriegsberichterstatter wie Buchheim im Kriegsjahre 1943 noch in Deutschland veröffentlichen kann und sich nicht schon deshalb als Nazi ausweist, ab wann dürfen Kriegsberichterstatter – die für Goebbels Propaganda allgemein von unermeßlichem Wert waren – denn dann Nazis genannt werden? Ab 1944? 1945? Einen Tag vor Kriegsende? Das ist so grotesk, ich mag immer noch kaum glauben, daß ein angesehener bürgerlicher Verlag sowas mitmacht.

Heidegger hat nach dem Krieg seine Vorlesungen während der Nazi-Zeit selbst veröffentlicht, sozusagen vorauseilend und wohlwissend, daß andere die Texte einmal in den Archiven finden könnten – dann schon lieber selber! Er hat sie aber an entscheidenden Stellen gekürzt und sogar umgeschrieben, was Jürgen Habermas später herausgefunden und öffentlich gemacht hat. Aus denselben Motiven heraus hat meines Erachtens Buchheim jetzt sein damaliges Buch veröffentlicht, zudem ohne das von ihm verfaßte und von Dönitz nur unterschriebene Vorwort. Nur hat Buchheim am Text nichts mehr fälschen müssen – anscheinend läßt der bürgerliche Literaturbetrieb es heute zu, daß dieses patriarchal-militaristische Nazi-Buch als „widerständiges Buch“ ausgegeben werden kann. Dabei ist es – auch nur literarisch betrachtet – reinster Schrott, als Landserroman würde es nicht weiter auffallen.

Doch der patriarchale Gegenschlag ist weit gediehen, das kulturelle Umfeld ist bereitet, in dem sowas ohne Skandal durchgeht. Albert Camus hat einmal gesagt, Entnazifizierung bedeute, daß die Täter in den Berufen, in denen sie ihre Taten verrichteten, keine Anstellung mehr finden und auch sonst keine gesellschaftlich wichtigen Posten mehr übernehmen dürften. Würden Leute wie Buchheim oder Jünger von allen Verlagen boykottiert und ihnen jede größere Vertriebsmöglichkeit verwehrt, könnten sie vielleicht noch ihren U-Boots-Kameradschaften ihre Elaborate kopieren, mehr nicht. Leute wie Buchheim und Jünger können meinetwegen 200 Jahre alt werden, aber sie sollten nicht ihr unglaubliches Geseiere als „Weltliteratur“ anerkannt bekommen.