Nachdem wir in GWR 215 eine erste Artikelserie über die Ausbeutung der Tiere abschlossen, wollen wir nun eine Artikelfolge über die heutige sogenannte "Tierrechtsbewegung" beginnen. Neben notwendiger libertärer Kritik sollen auch solidarische Hinweise für eine produktive Beseitigung der Defizite gegeben werden. Wir beginnen mit der Geschichtsblindheit der veganen Szene und einer vor allem dort unbekannten emanzipatorischen Vorläuferorganisation: dem Internationalen Sozialistischen Kampfbund (ISK), dessen Gründer Leonard Nelson (1882-1927) wir dieses Jahr zu seinem 70. Todestag gedenken. (Red.)
Begriffe wie „Genozid an Tieren“, „Hühner-KZ“ sind auf veganen/tierrechtlerischen Flugblättern Legion. Am Eingang der KZ-Gedenkstätte Dachau bekamen BesucherInnen schon mal ein Flugblatt in die Hände gedrückt, auf dem sie gefragt wurden, warum sie „Menschen-KZs“ besichtigen, aber um „Tier-KZs“ einen Bogen machten. Der Untertitel von Hans Wollschlägers tierrechtlerischem Standardbuch „Tiere sehen dich an“ heißt „Das Potential Mengele“ (nach dem Menschenversuchs- und Selektionsarzt von Auschwitz) und er beginnt seine Beschreibung von der Qual der Tiere mit einem Vergleich mit den „Stehsärgen von Oranienburg“. Während VeganerInnen einerseits einen sensibilisierten Umgang mit tierverachtenden Sprachformen einfordern (1), ist ihnen andererseits oft gar nicht bewußt, wie menschenverachtend der qualitative Unterschiede einebnende sprachliche Vergleich der Massentötung von Tieren mit der Massenvernichtung von Menschen, insbesondere jüdischer Menschen im Nationalsozialismus ist. Peter Köpf schreibt in seinem neuen Buch über die radikale Tierrechtsbewegung:
„Die Maßnahmen gegen die wachsende Populationen der Tauben in den Großstädten als ‚ethnische Säuberung‘ zu bezeichnen, muß den Opfern der Kriegsherren auf dem Balkan wie Hohn in den Ohren klingen.“ (2)
Und er fragt VeganerInnen weiter: „Warum suchen sie so verzweifelt nach Argumenten, die beweisen sollen, daß Hitler kein Vegetarier war? Er war es, aber deshalb ist doch nicht jeder heute lebende Vegetarier ein Hitler. Genausowenig ist aber jeder Tierexperimentator ein Mengele, jeder Schlachthofarbeiter ein Himmler.“ (3)
So falsch und einer tatsächlichen Auseinandersetzung mit der Singularität des Systems Auschwitz abträglich wie ein Aufrechnen mit den Opfern des Stalinismus sind solche Ineinssetzungen von Tier- und Menschenopfern. Mit solcher Sprache geht der Kampf gegen Tierausbeutung ganz sicher nach hinten los.
Tierschutz im Nationalsozialismus
Himmler erklärte in seiner Posener Ansprache von 1944, „da die Deutschen Tierfreunde seien, müßten auch die Juden human beseitigt werden.“ (4) Guido Knopp zitiert in seiner ZDF-Filmreihe „Hitlers Helfer“ (von denen er insgesamt nur 6 ausmachen kann) Hitlers auf die Juden/Jüdinnen gemünzten Satz, wer Tiere anständig behandle, werde schon auch „Menschentiere anständig behandeln“. Und Daniel Jonah Goldhagen, der nun im Gegensatz zu Knopp auf immerhin bis zu 500 000 „willige Vollstrecker“ kommt, zitiert Befehle gegen die Überladung von Eisenbahnwaggons mit Schlachttieren bei Viehtransporten, wonach erhebliche Verluste unter den Tieren und damit eine Gefährdung der Ernährungslage zu befürchten sei, sowie Vorsichtsmaßnahmen zum Gesundheitsschutz von Polizeihunden. All dies gerade in einer Zeit, als jüdische Menschen weit enger als Kühe in Viehwaggons zur Deportation in die Vernichtungslager „gepfercht“ worden sind. (5)
Wenige Wochen vor der Machtergreifung beantragten die Nazis das Verbot der Vivisektion (wissenschaftliche Versuche am lebenden Tier). Am 21.4.1933 verboten die Nazis das jüdische – und übrigens auch muslimische – „Schächten“ (Tötung des Tieres durch Ausblutenlassen, soll gegen Infektionen sichern und Fleisch haltbarer machen) und erfüllten damit eine langjährige Forderung auch der bürgerlichen Tierschutzbewegung. Das Reichstierschutzgesetz von 1934 stellte u.a. Pferde und Jagdhunde unter besonderen Schutz. (6)
VeganerInnen von heute weigern sich, den proklamierten Tierschutz der Nazis, der als „urdeutscher“ Wesenszug sogar im Parteiprogramm stand, überhaupt zur Kenntnis zu nehmen und sich daher um genaueste eigene theoretische Begründungen zu bemühen, um nicht Ideologeme der Nazis zu übernehmen. Die behauptete Gleichsetzung von Mensch und Tier hat jedenfalls zur Herabsetzung der Juden/Jüdinnen zu „Untermenschen“ oder „Menschentieren“ beigetragen.
Gleichwohl wäre es völlig falsch, nationalsozialistischen Tierschutz mit heutigen veganen bzw. tierbefreierischen Positionen ineinszusetzen. Tierschutz gilt VeganerInnen gerade als Gegensatz zum Lebensrecht der Tiere, sozusagen als reformistische, „artgerechte“ Ausbeutung und Tötung. Und in der Tat waren noch die artgerechten Viehtransporte, die Goldhagen in Kontrast zu den Deportationen jüdischer Menschen in Viehwaggons setzt, zu nichts anderem als zur guten Verpflegung deutscher Frontsoldaten mit gesundem Fleisch vorgesehen. Schäferhunde sollten gut behandelt, aber gleichzeitig immer abgerichtet werden, sie standen sinnbildlich als Symbol für deutsche Befehlshörigkeit – keine VeganerIn würde darin je Respekt vor Tieren erkennen können. Tierversuche waren zwar offiziell verboten, aber unter Kontrolle von Institutsleitern, bei betäubten Tieren oder wenn Erfolge zu erwarten waren (welch schwammiges Kriterium!), gab es sofort Ausnahmen. Das „jüdische“ Schächten war zwar verboten, keineswegs aber das Schlachten, im Gegenteil: „Alle sollten schlachten wie Deutsche schlachten.“ (7)
Es gibt im Nationalsozialismus keinen Hinweis darauf, daß die proklamierte Tierfreundschaft zur politisch wirksamen Praxis gegen Tierausbeutung wurde: die Kultur des Fleischkonsums wurde nie wirklich angegriffen, sowenig wie der Mythos vom „deutschen Wald“ die Nazis auch nur im Traum daran gehindert hätte, ihn zu fällen, um Schneisen für moderne Autobahnen zu bauen. Die Blut-und-Boden-Mythologie war noch immer der industrialistisch-modernistischen Praxis der Nazis unterlegen. Und so falsch es ist, den proklamierten „Sozialismus“ der Nazis beim Wort zu nehmen, weil sie die Wirtschaft „arisiert“ und jüdische Unternehmer enteignet haben, so falsch wäre es, ihre Politik als gegen Tierausbeutung gerichtet einzuschätzen, weil sie das jüdische Schächten verboten. Beides war Antisemitismus – und nur das.
Tierausbeutung in der sozialistischen Begründung des ISK
Geschichtsblindheit zeigen manche VeganerInnen jedoch noch heute nicht nur in unangemessenen Sprachvergleichen, sondern auch wenn sie sich z.B. auf historische Tierversuchsgegner wie etwa Richard Wagner, der dem „Bund gegen die Vivisektion“ angehörte, beziehen und dessen Antisemitismus gerne ausblenden.
Dabei gäbe es doch vielfältige libertäre und sozialistische Traditionen, auf die sich heutige VeganerInnen problemlos beziehen könnten, wenn ihnen historische und theoretische Fundierung der eigenen Position nur etwas Mühe und Forschung wert wäre. Eine dieser Traditionen sei hier kurz vorgestellt: der Internationale Sozialistische Kampfbund (ISK), der 1925-1945 existierte und dem der von Leonard Nelson und Minna Specht 1917 gegründete Internationale Jugendbund (IJB) vorausging. Der Göttinger Philosophieprofessor Nelson prägte den ISK, insbesondere seine am kategorischen Imperativ Kants (sinngemäß: handle so, wie du auch willst, daß andere dich behandeln) und an radikalem Rationalismus ausgerichtete Philosophie. Nelson lehnte die deterministische Geschichtsphilosophie im Marxismus ab, bejahte aber den Klassenkampf. Zunächst in der USPD, dann sowohl in der kommunistischen Jugend wie auch bei den JungsozialistInnen und in der Gewerkschaftsjugend aktiv, wurden die IJB-Leute 1922 von den KommunistInnen und 1925 von der wiedervereinigten SPD ausgeschlossen. Nelson und Specht gründeten daraufhin den ISK als eigenständige Partei, beteiligten sich aber nicht an Wahlen. Problematische Seiten des ISK sollen hier nicht verschwiegen werden, etwa der gegen eine Massendemokratie gerichtete Führungsanspruch von zum rationalen Gebrauch der Vernunft erzogenen Intellektuellen (woraus Nelson seine Führungsposition im ISK begründete) oder der Übergang vieler ehemaligen ISKlerInnen zur SPD nach 1945, u.a. von Willi Eichler, der die ISK-Führung nach Nelsons Tod 1927 übernahm und später programmatisch am reformistischen Godesberger Programm der SPD mitarbeitete. Hier interessieren aber die emanzipatorischen Seiten des ISK und die verblüffend klarsichtigen Analysen und politischen Aktionen vor und während des Nationalsozialismus, die die ISK-Schwächen in der Bewertung mehr als ausgleichen sollten.
So hat der ISK sehr früh eine realistische Einschätzung von der Gefahr der NSDAP entwickelt und ab 1931 alle erziehungspolitischen Aktivitäten (u.a. das von Minna Specht geleitete Landerziehungsheim Walkemühle) eingestellt, um mit nicht mehr als 300 Mitgliedern ab dem 1.1.1932 in Berlin eine Tageszeitung, „Der Funke“, herauszugeben (bis zum Verbot im Februar 1933), die kontinuierlich die Aktionseinheit zwischen SPD und KPD propagierte und dabei viel Zuspruch von der Basis beider Parteien erhielt, gegen die ideologische Feindschaft der Führungen jedoch machtlos blieb. Der ISK ging dabei von Anfang an von einer wahrscheinlich langen Dauer einer einmal zur Macht gekommenen NSDAP aus und bereitete bereits seit Mitte 1932 die illegale antifaschistische Arbeit vor. Die in klandestinen Fünfergruppen organisierten ISK-Zirkel bildeten eine Widerstandsstruktur, die bis ins Jahr 1938 und damit viel länger als andere von den Nazis verbotene sozialistische Organisationen direkte Aktionen durchführen konnte. Spektakulär waren nicht nur die unzähligen ISK-Gegenpropagandaaktionen mit Flugblättern, liegengelassenen Geldbeuteln, abgestellten Koffern (die als Stempel benutzt wurden) und Gegenparolen wie „Hitler ist unser Unglück!“, sondern insbesondere erfolgreiche Agitationen wie bei den NS- Vertrauensleutewahlen 1934 und 1935, die Listen ganz durchzustreichen, wonach die Nazis nie wieder solche Wahlen durchführten. Sie wurden durch die illegal eingeführten und gut verbreiteten „Reinhart-Briefe“ der ISK vorbereitet, in denen sich immer wieder praktische Anweisungen zu passivem Widerstand in den Betrieben fanden. Der größte Erfolg der Widerstandstätigkeit des ISK war die Sabotierung der Einweihung des ersten Autobahnteilstücks Frankfurt-Darmstadt am 19.5.1935 durch Hitler. Eine Gruppe des Rhein-Main-Bezirksleiters Ludwig Gehm bemalte Brücken und Fahrbahnen mit den Parolen „Hitler = Krieg“ und „Nieder mit Hitler“ und sabotierte die Lautsprecheranlagen. Die Schäden konnten nicht mehr behoben werden (die Fahrbahnen wurden mit Sand beworfen, doch Regen und die Einweihungsfahrzeuge legten die Parolen wieder frei). Zur Strafe ließen die Nazis zwei SS-Wachleute erschießen. (8)
Nicht nur der Widerstand des ISK war vorbildlich. Auch die Gleichstellung von Frauen in der Organisation war weit fortgeschritten. Frauen wie Minna Specht (1879-1961) waren von Anfang an dabei, zur Zeit der Gründung des IJB waren viele Frontsoldaten noch gar nicht zurückgekehrt. Auch wurden Frauen immer wieder in schwierigen Zeiten verantwortungsvolle Leitungsaufgaben übertragen. So leitete Erna Blencke (1896-1991) im Jahr 1937 die gesamte ISK-Widerstandsarbeit innerhalb Deutschlands. (9) Dieselbe Gleichberechtigung hatten jüdische Mitglieder im ISK erfahren. So war z.B. Julius Philippson der letzte Widerstandsleiter des ISK in Deutschland überhaupt, 1943 wurde er in Auschwitz ermordet.
Für den Zusammenhang von Tierausbeutung und Antifaschismus ist nun wichtig, daß der ISK deshalb so erfolgreich und lange Widerstand leisten konnte, weil er an seine Mitglieder hohe ethisch-moralische Anforderungen stellte, die sich dann in der illegalen Arbeit bewährten. Zu den expliziten Bedingungen der ISK-Mitgliedschaft gehörten das Nichtrauchen, der Kirchenaustritt, Vegetarismus bzw. die Achtung vor dem Lebensrecht der Tiere und Antialkoholismus. Alle diese Bedingungen wurden rationalistisch begründet, der Alkoholismus etwa als Vernebelung der Gehirne in der ArbeiterInnenschaft kritisiert. Der Vegetarismus (VeganerInnen gab es damals kaum) und der Kampf gegen Tierausbeutung wurden in den Zusammenhang einer weitergehenden sozialistischen Kritik von Ausbeutung überhaupt gestellt. Willi Eichler 1926:
„Sozialismus heißt ausbeutungsfreie Gesellschaft. Ausbeutung ist auf verschiedene Weise möglich: Der Kapitalist beutet den Proletarier aus, dieser sehr oft seine Frau und Kinder… (…) Das Gemeinsame all dieser Ausbeutungsarten liegt in der Mißachtung der Interessen anderer Wesen, in der Verletzung ihrer Rechte – kurz darin, daß sie auf Grund eines bloßen Gewaltverhältnisses zu persönlichen Zwecken mißbraucht werden. (…) Aber, so fragen manche, haben denn Tiere Interessen? Die Antwort kann nur lauten: Seht euch die Tiere an. Wer Tiere einmal beobachtet hat, der weiß, daß sie Interessen haben; denn die Tiere haben sehr wohl die Möglichkeit, uns eindeutig ihre Interessen mitzuteilen. Zwar fehlt ihnen die Sprache; aber was folgt daraus anderes, als daß sie uns nicht belügen können. (…) Hier müssen wir uns daran erinnern, daß wir die vegetarische Lebensweise deshalb fordern, weil wir die Ausbeutung bekämpfen. Ausbeutung liegt aber nicht schon in dem bloßen Verletzen eines Interesses. Wäre das der Fall, dann wäre die Ausbeutung nie aus der Welt zu schaffen: man müßte sonst einen Zustand annehmen, in dem es keine einander widerstreitenden Interessen gibt. Eine Interessenverletzung wird erst dadurch zur Ausbeutung, daß sie willkürlich – z.B. lediglich einem Gewaltverhältnis zufolge – ohne Berücksichtigung der beiderseitigen Interessen vorgenommen wird. Man braucht also nicht zu verhungern und braucht trotzdem kein Ausbeuter zu sein, ja sogar nicht einmal dann, wenn wir annehmen, die Pflanzen hätten Interessen und wir kennten sie. Wir können nämlich in diesem Fall die verschiedenen Interessen dem Gewicht nach abwägen und die gewichtigeren Interessen bei der Befriedigung vorziehen.“ (10) Der ISK forderte ein „Lebensrecht der Tiere“ und setzte damit die Tiere keineswegs banal mit den Menschen gleich. Bei Gewichtung der Interessen ist es nach dieser Begründung jederzeit möglich, menschliche Interessen den tierischen vorzuziehen, vorausgesetzt daß beide im Widerstreit liegen. Der ISK hat u.a. auch die Schächtung kritisiert, wenngleich vor Auschwitz. Mit seiner damaligen Begründung für das Lebensrecht der Tiere könnte heute aber sehr wohl eine andere Interessensgewichtung vorgenommen werden und es könnte so diskutiert werden, ob etwa die tierbefreierische Kritik der Schächtung gegenüber der jüdisch- religiösen Sensibilität und Leidensgeschichte gerade in Deutschland vor dem Hintergrund der NS-Geschichte nicht anders zu gewichten wäre als das etwa in der Schweiz, Schweden oder Norwegen der Fall ist (dort ist die Schächtung als Tierquälerei verboten, in der BRD als Bestandteil jüdischer Religionsausübung erlaubt). Strategisch ausgedrückt: Tierbefreiung sollte sich nie mehr auf das jüdische oder muslimische Schächten konzentrieren, sondern sinnvollerweise gerade auf das „deutsche“ Schlachten und hätte damit lange Zeit genug zu tun.
Aber es gibt noch eine andere Ebene, auf der der ISK-Vegetarismus ganz praktisch antinazistisch wirksam wurde. Zur illegalen Widerstandsstrategie des ISK gehörte es, nach 1933 in mehreren deutschen Städten (2 in Köln, je 1 in Berlin, Hamburg, Frankfurt/M. und Bochum, später im Exil auch in Paris und London) vegetarische Gaststätten einzurichten. Eigentümerinnen waren ISK-Frauen. „Diese meist gutgehenden kleinen Betriebe waren in mehrfacher Hinsicht von großem Nutzen: Sie verschafften Arbeitslosen ein Einkommen, erbrachten Überschüsse, die für die Finanzierung der Widerstandsarbeit verwendet wurden, und sie boten den am Widerstand Beteiligten die Möglichkeit, untereinander in Verbindung zu bleiben.“ (11) Der Gemüseeinkauf bei vertrauenswürdigen Marktfrauen diente – wie auch die Errichtung eines Brotgroßhandels durch Erna Blencke in Hannover und das dadurch notwendige Brotausfahren – gleichzeitig der Verbreitung illegaler Schriften. So war der ISK-Vegetarismus strategisch in die Widerstandsarbeit integriert. Diese emanzipatorische Kritik der Tierausbeutung gelang aber nur, weil der ISK verschiedene Herrschaftsmechanismen thematisierte, sie bei Widerspruch gewichtete und bei unterschiedlicher Interessenlage nie das Tier über den Menschen stellte – daraus sollten heutige VeganerInnen lernen können. Ludwig Gehm war in seiner NS-Haftzeit im Moorarbeitslager Schilp bei Nortorf Lagerkoch und gab zunächst wahrheitsgetreu an, nur vegetarisch kochen zu können. Über ihn heißt es dann, er kochte „mit Rücksicht auf die schwer arbeitenden Mithäftlinge selbstverständlich auch Fleisch, wie er überhaupt ein sehr toleranter Vegetarier war und blieb.“ (12)
(1) vgl. GWR 213, S.6.
(2) Peter Köpf: Ein Herz für Tiere? Über die radikale Tierrechtsbewegung, Bonn 1996, S.78.
(3) ebenda, S.77.
(4) ebenda, S.78.
(5) Daniel Jonah Goldhagen: Hitlers willige Vollstrecker, Berlin 1996, S.318-321. Wobei ich hier die Parallelität der Befehle eher mit den Analysen Zygmunt Baumanns der Integration des Vernichtungsprogramms in die bürokratische NS-Struktur zuschreiben würde, vgl. dazu GWR 182: Anarchistischer Antifaschismus.
(6) Köpf, a.a.O., S.50f.
(7) ebenda, S.50.
(8) vgl. dazu mehrere Artikel in Sabine Lemke-Müller (Hrsg.): Ethik des Widerstands. Der Kampf des Internationalen Sozialistischen Kampfbunds (ISK) gegen den Nationalsozialismus, Bonn 1996.
(9) vgl. Susanne Millers Artikel über Frauen im ISK, in Lemke-Müller, S.143ff.
(10) Willi Eichler: "Sogar Vegetarier?", aus ISK 1.1926, Nr. 12, wiederabgedruckt in GWR 127, S.16f.
(11) Susanne Miller, in Lemke-Müller, a.a.O., S.150.
(12) Ludwig Gehm: "Wir wollten zeigen: Es gibt noch andere", in Lemke-Müller, S.203.