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Gentechnik als Technofaschismus

Der Fall Monsanto und die Sojabohnen

| Vandana Shiva Übersetzung: Andreas Speck

Die Meldungen über das geklonte Schaf Dolly aus Schottland und andere Experimente mit dem Klonen von Tieren aus Neuseeland und anderswo haben die Diskussion über die Gentechnik wieder angeheizt. In diesem Artikel fragt Vandana Shiva nach den politischen Konsequenzen der Gentechnik. Auch wenn wir manche der verwendeten Begrifflichkeiten für problematisch halten, so werden die Parallelen zum Atomstaat deutlich. (Red.)

Das Jahr 1996 war hinsichtlich des Bewußtseins der Weltbevölkerung für die Bedingungen, unter denen die Gentechnik als einzige Technologie für den Anbau und die Verarbeitung von Lebensmitteln durchgesetzt werden soll, ein Wendepunkt.

Monsanto’s gegen das Totalherbizid Round Up resistente Sojabohnen wurden trotz des Protestes der KonsumentInnen auf den europäischen Markt geworfen. Als die europäischen KonsumentInnen eine Kennzeichnung forderten, wurde das vom US-Sektretär für Landwirtschaft als „Eingriff in den freien Handel“ bezeichnet. Er sagte außerdem: „Wir müssen sicherstellen, daß die Sprache der Wissenschaft die Oberhand gewinnt, und nicht, was ich als historische gewachsene Kultur bezeichnen würde, die nicht auf Wissenschaft gegründet ist. Europa hat eine wesentlich größere Empfindlichkeit für die Kultur der Ernährung im Gegensatz zur Wissenschaft der Ernährung. Doch in der modernen Welt müssen wir einfach Nachdruck auf die Wissenschaft legen. In dieser Diskussion muß gute Wissenschaft die Oberhand gewinnen.“

Dennoch, es geht nicht um einen Konflikt zwischen „guter Wissenschaft“ und „historisch gewachsener Kultur“, sondern um zwei Kulturen der Wissenschaft – eine Kultur demokratischer Wissenschaft gegen eine Kultur korporativer Wissenschaft, die auf Totalitarismus und einem Monopol der Kontrolle beruht. Gentechnik unter korporativer Kontrolle ist ein totalitäres System, das zu einer Art Technofaschismus führt.

Wenn weder KonsumentInnen noch ProduzentInnen irgendeine Möglichkeit haben, ihre Freiheiten zu praktizieren und ihre Rechte zu schützen, und wenn Gentechnik in der Nahrungsmittelproduktion nur eingeführt werden kann, indem die fundamentalen Rechte der BürgerInnen – sei es als FarmerInnen oder KonsumentInnen – ausgelöscht werden, dann ist Gentechnik eine Form des Technofaschismus.

Nur eine faschistische Gesellschaft würde den KonsumentInnen das Recht absprechen, zu wissen, was sie essen. Nur eine faschistische Gesellschaft würde den FarmerInnen das Recht absprechen, erneut zu pflanzen, was sie angebaut haben.

Andererseits: hätten die KonsumentInnen wirklich die Freiheit zu wählen, da eine Kennzeichnung besteht, würde der Markt für gentechnisch manipulierte Nahrungsmittel zusammenfallen. Wenn die FarmerInnen das Recht hätten, Saatgut nach eigenem Willen zurückzuhalten und zu tauschen, dann würden die Märkte für gentechnisch verändertes Saatgut verschwinden.

Ohne Faschismus im Supermarkt, ohne Faschismus auf den Feldern der FarmerInnen, kann Gentechnik den Menschen nicht aufgezwungen werden. Die Verweigerung des „Rechtes zu Wissen“ und des „Rechtes zu Wählen“ für KonsumentInnen und Versuche, Regelungen zur biologischen Sicherheit zu untergraben, sind die Basis für Faschismus im Supermarkt. Die Einführung von „intellektuellen Eigentumsrechten“ an Saatgut und Pflanzenmaterial ist die Basis für Faschismus auf dem Acker.

Totale Kontrolle

Als die TRIP-Vereinbarungen des Welthandelsabkommens GATT unterzeichnet wurden, erklärte James Enyart von Monsanto: „Wir sind gleichzeitig die Ärzte, Diagnostiker und Patientien – alles in einem.“ Kürzlich erklärte Robert Farley, ebenfalls Monsanto: „Was sie sehen können ist nicht nur eine Konsolidierung der Saatgutfirmen, sondern eine Konsolidierung der gesamten Nahrungsmittelbranche.“

Im letzten Jahr hat Monsanto kleine Pionierfrmen der Biotechnologie und große Saatgutfirmen aufgekauft. Darunter sind:

  • Agracetus, eine Tochter von W.R. Grace mit Patenten für Baumwolle und Sojabohnen, aufgekauft durch Monsanto für ca. 210 Mill. DM;
  • Calgene, eine Biotechnologie-Firma im Bereich Pflanzen mit Sitz in Kalifornien. Diese Firma entwickelte die „Flavr- Savr“-Tomate (Tomate mit Geschmacksbewahrer). Monsanto hält jetzt 54 % der Anteile;
  • Asgrow Seed, aufgekauft durch Monsanto für ca. 340 Mill. DM;
  • De Kalb, aufgekauft durch Monsanto für ca. 220 Mill. DM;
  • Holden, aufgekauft durch Monsanto für ca. 1,4 Mrd. DM

Holden ist eine Saatgutfirma mit einem Jahresumsatz von 65 Mill DM. Monsanto hat die Firma für 1,4 Mrd. DM aufgekauft, dem 23fachen des Jahresumsatzes. So fällt das Saatgut, das erste Glied in der Nahrungsmittelproduktion, in die Hand einer handvoll korporativer Giganten, die niemandem gegenüber verantwortlich sind, die vollständig undurchsichtig agieren und die das gesamte Nahrungs- und Agrarsystem kontrollieren (RAFI – Rural Advancement Foundation International – Communique, September 1996).

Rechte ohne Verantwortung

In Monsanto’s Erklärung für die amerikanische „Food and Drug Agency“ (US- Ernährungsbehörde) heißt es, daß „die neue Variante der Sojabohne sich materiell weder in Zusammensetzung, Sicherheit noch irgendeinem anderen relevanten Parameter von Sojabohnen unterscheidet, die sich derzeit auf dem Markt befinden.“

Doch in der Frage der Sicherheit gibt es nicht „Neues“ bei der gegen Round Up resistenten Sojabohne. Dennoch, wenn es um Patentierung und Eigentumsrechte geht, dann sind diese Sojabohnen „neu“. Sie sind durch die US-Patente 4.535.660, 4.900.838 und 5.352.602 geschützt. AnbauerInnen müssen eine Vereinbarung unterzeichnen, das „Monsanto Round Up Ready Gene Agreement“, die sie verpflichtet, lediglich Round Up einzusetzen und von der Ernte kein Saatgut zurückzuhalten. Es gibt Monsanto Macht über das Erbe und die VertreterInnen der FarmerInnen, und erlaubt Monsanto noch drei Jahre nach dem Einsatz des Saatguts das Eigentum des/der FarmerIn zu durchsuchen. Außerdem ist für jeweils 50 Pfund Saatgut ein „Technologie-Honorar“ in Höhe von ca. 7 DM zu entrichten.

Die FarmerInnen haben somit keine Rechte, und Monsato trägt keine Verantwortung, weder gegenüber den FarmerInnen, noch gegenüber den KonsumentInnen.