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Ostdeutsches Atomzentrum Greifswald

In diesem Sommer sollen in Greifswald zahlreiche neue Atomprojekte in Angriff genommen werden

| Andreas Speck

Während Gorleben in aller Munde ist und im Westen an den Neubau neuer Atomanlagen kaum noch gedacht wird - auch wenn jetzt ein neues Zwischenlager Süd im Gespräch ist - wird das Atomzentrum Greifswald weiter ausgebaut. (Red.)

In Greifswald ist die nukleare Vergangenheit der DDR noch gegenwärtig. Fünf abgeschaltete AKW- Blöcke sowjetischer Bauart mit jeweils 440 MW werden dort derzeit demontiert. Wie das genau aussehen soll, daß ist – trotz begonnener Abrißarbeiten – noch längst nicht klar, und aufgrund unerwarteter radioaktiver Verseuchungen muß das Abrißkonzept immer wieder geändert werden. Bereits jetzt ist klar, daß es die früher versprochene ‚grüne Wiese‘ nicht geben wird, sondern daß eine riesige Betonruine von 1 km Länge zurückbleiben wird.

Doch damit nicht genug. Weitere Anlagen sind in Greifswald in Bau bzw. in Planung:

Zwischenlager Nord

Das Zwischenlager Nord (ZLN) besteht aus acht Hallen und fünf Konditionierungsräumen (Caissons). Halle 1 ist als Landessammelstelle für radioaktive Abfälle vorgesehen, die Hallen 2 bis 7 sollen für schwach- und mittelradioaktive Abfälle genutzt werden, und Halle 8 schließlich soll 120 Castor-Behälter aufnehmen. Nach der Einlagerung der beim Abriß entstehenden Abfälle bleibt dann immerhin noch ein freibleibendes Abfallvolumen von 60 000 m3 über. Die Inbetriebnahme des ZLN soll am 15. August erfolgen, ab Oktober sollen die ersten Castor-Transporte – des sicherheitstechnisch abgespeckten Ost-Typs 440-84 – aus dem stillgelegten Ost-AKW Rheinsberg nach Greifswald erfolgen.

Konditionierungsanlagen

In Greifswald und Rheinsberg befinden sich außerdem Konditionierungsanlagen für schwach- und mittelradioaktiven Müll, wie z.B. die Rotationsdünnschichtverdampferanlage. In diesen Anlagen wird auch westdeutscher Atommüll eingedickt und in Morsleben-gängige Fässer verpackt, die dann nach Morsleben transportiert und dort endgelagert werden. Bis zum Jahr 2000 ist allein aus Greifswald die Lagerung von 10 000 m3 Müll in Morsleben vorgesehen. Dadurch wird im ZLN Platz für andere Abfälle frei.

Kernfusion in Greifswald

Am 19. Juni soll außerdem die Grundsteinlegung des 1,5 Mrd DM teuren Kernfusions-Versuchs-Reaktors ‚Wendelstein 7x‘ erfolgen. Dieser Reaktor soll nur 500 m entfernt von einer Plattenbau-Wohnsiedlung entstehen.

EPR (Europäischer Druckwasserreaktor)

Auch für den Europäischen Druckwasserreaktor (EPR), der gemeinsam von Siemens und Framatome entwickelt wird, ist Greifswald als Standort im Gespräch. An der französischen Loire-Mündung soll ebenfalls ein Reaktor dieses Typs gebaut werden. Ein standortunabhängiges Genehmigungsverfahren für dieses Reaktortyp ist außerdem einer der Streitpunkte in den derzeit laufenden Energiekonsens-Gesprächen zwischen SPD und CDU.

Atomzentrum Greifswald

Wenn alles nach den Plänen der AtomikerInnen läuft – was es zu verhindern gilt – wird also in Greifswald ein Atomzentrum entstehen, wie es im Westen der Republik derzeit nicht mehr durchsetzbar ist. Die Vorteile liegen für die Atomindustrie auf der Hand: der Standort Greifswald ist als Atomstandort bereits genehmigt, die Bevölkerung ist an Atomanlagen seit DDR-Zeiten gewöhnt und gilt als atomfreundlich und Greifswald ist innerhalb der Anti-AKW- Bewegung kein Begriff und liegt außerdem so weit östlich, daß eine Mobilisierung aus dem Westen äußerst schwierig sein dürfte.

Gerade deswegen ist es umso notwendiger, frühzeitig Bewußtsein für die in Greifswald drohenden Gefahren zu schaffen und die ostdeutsche Anti-AKW-Bewegung nicht mit den anstehenden Aufgaben allein zu lassen. Für dieses Jahr stehen an:

  • Grundsteinlegung der Kernfusionsanlage am 19. Juni
  • Inbetriebnahme des Zwischenlager Nord am 15. August
  • Genehmigung der Castor-Halle im Oktober
  • Castor-Transport von Rheinsberg nach Greifswald Ende 97/Anfang 98

Es gibt viel zu tun.

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