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Besuch für Osman Murat Ülke…

Der nächste Kriegsdienstverweigerer sucht die Konfrontation mit dem türkischen Militär

| Jörg Rohwedder

Zum 15. Mai - dem internationalen Tag der Kriegsdienstverweigerung - hielt sich eine Delegation in der Türkei auf, um ihre Solidarität mit den türkischen KriegsgegnerInnen auszudrücken. Ein aktueller Bericht eines Teilnehmers. (Red.)

In GWR 219 war zum Dilemma der Kriegsdienstverweigererbewegung in der Türkei zu lesen, daß „ein einzelner KDV’er, der vom Staat mächtig Prügel bezieht, keine große Mobilisierung bewirken wird und wenn die Bewegung die Hürde dafür hoch hängt, wer sich als KDVer erklären sollte, wird das die Zahl der Mutigen eher kleiner machen. Was soll sie tun? Komme was wolle Kriegsdienstverweigerer mobilisieren auf die Gefahr hin, daß sie dann doch massenhaft in der Armee landen? Oder nach einem zweiten Osman suchen und hoffen, daß es davon bald mehr geben möge? Wie die Frage beantwortet wird, ist in diesen Wochen ungewiß.“

Statt einer Mobilisierung von hunderten Männer, die ihre Kriegsdienstverweigerung erklärten, erreichte die Aktion von Osman Murat Ülke als ersten inhaftierten Kriegsdienstverweigerer den Respekt der türkischen und kurdischen Linken. Das, was der Verein der KriegsgegnerInnen (ISKD) seit 1992 propagiert, setzt er konsequent in die Tat um. Diese Konsequenz und der dazugehörige Mut wird anerkannt und führt dazu, daß sich andere Gruppen ernsthaft mit der Problematik beschäftigen. So hat sich die Jugendorganisation der HADEP (einer pro-kurdischen Partei, vgl. GWR 205) für die Unterstützung von Osman Murat Ülke ausgesprochen.

Der Verein der KriegsgegnerInnen in Izmir und die kleinen Solidaritätskomitees sind jedoch zu schwach, um viele weitere Kriegsdienstverweigerer zu benennen. Sie müssen weiter auf entschlossene Einzelne setzen, ehe eine breite Bewegung initiiert werden kann. So begann am 15. Mai, dem Internationalen Tag zur Kriegsdienstverweigerung, Erkan Calpur seine Aktion. Während einer Pressekonferenz erklärte er erneut seine Kriegsdienstverweigerung: „Wir alle wissen, daß der Staat fälschlicherweise glaubt, jeder Mann in diesem Staat müsse bewaffnet sein und in den Krieg gehen. Der Staat übertreibt diese Idee so sehr, daß sie wirklich alle Männer holen wollen und dafür sogar Gewalt anwenden. Natürlich können wir über diesen Unsinn nur lachen. (…) Ossi ist in einem verschlossenen Raum durch die Gewalt bewaffneter Personen, und es ist ihm nicht erlaubt, Besuch zu empfangen. Ich erkläre hier zu meinen Freunden und zu meinen Gegnern, daß ich ohne Waffe, außer meiner nakten Anwesenheit, Ossi besuchen gehen werde. Ich werde zu Fuß gehen, weil das die schönste Art ist, von einem Platz zum anderen zu kommen. Ich weiß nicht, ob das irgendjemanden stören wird.“

Mit diesen Worten schulterte Erkan Calpur seinen Rucksack und machte sich auf den Weg von Izmir in das 600 km entfernte Eskisehir, der Stadt, in der Osman seit Ende Januar 1997 inhaftiert ist. Die öffentliche Aktion wurde von rund 50 Personen begleitet, die sich aus Anlaß des 15. Mai vor der Hauptpost in Izmir versammelt hatten. Erkan Calpur ist seither unterwegs und hat bereits 150 km zurückgelegt, ohne von der Polizei behelligt worden zu sein. Angekommen in Eskisehir wird er Einlaß ins Gefängnis begehren, um zu Ossi zu gelangen. Vermutlich wird er spätestens dann zu seiner Militäreinheit überstellt, denn wie Ossi ist Erkan wehrflüchtig und müßte sich dem Krieg zur Verfügung stellen. In der Armee will er konsequent jeden Befehl verweigern.

Auch Osman braucht weiter den Schutz der Öffentlichkeit. In einer Zelle im Militärgefängnis von Ankara traf Osman einen islamischen Gläubigen, der sich dem Waffendienst verweigerte. Er wurde nach eigenen Angaben vom Militär in ein Militärkrankenhaus gebracht und bekam dort eine Injektion, in deren Folge er seine Bewegungsabläufe nicht mehr koordinieren konnte. So ans Bett gefesselt wurde er von einem Arzt für untauglich befunden und ausgemustert. Er konnte Osman diese Erlebnisse noch berichten und ist seitdem unter der von ihm angegebenen Telefonnummer nicht zu erreichen. Die Leitung ist stillgelegt. Zur Zeit stellt der Verein Nachforschungen an, um etwas über den Verbleib des Mannes zu erfahren.

Wie sicher öffentlich erklärte Kriegsdienstverweigerer wie Osman und Erkan vor solcher Behandlung sind, ist ungewiß. Aber wenn überhaupt etwas Schutz gewähren kann, dann eine breite Öffentlichkeit. Im Verlauf der folgenden Prozesse wird es Ende Juni/Anfang Juli wieder eine internationale Delegation geben, die die Gerichtsverhandlungen beobachten wird. Dafür und für die Solidaritätsarbeit brauchen wir Spenden.

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