Vom Schwulenverband in Deutschland (SVD) und anderen lesbischen und schwulen "Mainstream"-Organisationen wird immer wieder die Forderung nach Lesben und Schwulen ins Militär aufgestellt. So notwendig eine Kritik an der Diskriminierung von Homosexuellen im Militär ist, so fragwürdig ist allerdings die als Alternative angepriesene Forderung nach Gleichberechtigung im Militär. (Red.)
In den USA und Großbritannien machen schwule Soldaten und lesbische Soldatinnen seit Jahren Öffentlichkeits- und Lobbyarbeit gegen Diskriminierung und für ihre Rechte im Militär. In einem bürgerrechtlichen Verständnis von Gleichberechtigung fordern sie ihre volle Gleichstellung innerhalb der Institution Militär. In den letzten Jahren sind diese Forderungen – zusammen mit der Forderung nach Anerkennung gleichgeschlechtlicher Lebensgemeinschaften – auch in der BRD stärker geworden. Im September 1995 fand das erste Treffen schwuler Soldaten statt, bei dem es zwar um Diskriminierung und Gleichberechtigung im Militär ging, nicht jedoch um Sinn und Unsinn des „Dienstes am Vaterland“.
Ähnlich der Auseinandersetzung um die Forderung nach Frauen ins Militär zeigt sich hier ein Widerspruch zwischen einem emanzipatorischen Ansatz, dem es um die Beseitung der Ursachen von Diskriminierung und dem Abbau von Herrschaftsstrukturen (Patriarchat und/oder Heterosexismus) geht, und einem bürgerlichen Ansatz rechtlicher Gleichstellung, der sich auf Chancengleichheit und Gleichberechtigung beruft und dabei zwar individuelle Diskriminierung kritisiert, aber Herrschaftsstrukturen ausblendet.
Warum gerade Gleichberechtigung im Militär eingefordert wird – und auch noch für möglich gehalten wird – bleibt mir dabei schleierhaft. Das Militär ist schließlich der Inbegriff des (hetero-)sexistischen Männerbundes, ein Ort eindeutiger Hierarchien und einer aggressiven, militarisierten Männlichkeit, so daß gerade hier eine Aufgeschlossenheit für Schwule und Frauen/Lesben am wenigsten zu erwarten ist.
Der Reiz, den das Militär auf Schwule ausübt (bzw. ausüben kann), verweist dabei eher auf die Nicht-Auseinandersetzung mit Männlichkeit, Heterosexismus und mit patriarchalen Gewaltstrukturen auf Seiten der Schwulen, als auf Fortschritte in Sachen ‚gay liberation‘. Die Überbetonung von Männlichkeit innerhalb eines Teiles der ‚gay community‘ als Gegenreaktion auf Diskriminierung führt hier zu einer Politik, die zur Festigung der gesellschaftlichen Gewaltstrukturen führt und höchstens einige Schwule an die Fleischtöpfe des patriarchalen Staates bringt, an der Gesamtsituation jedoch nichts ändert.
Gleichzeitig zeigt diese Entwicklung aber auch, daß die etablierten antimilitaristischen Gruppen die besondere Situation schwuler Wehrpflichtiger nicht im Blick haben. Ein offenes Zugehen auf schwule Kriegsdienstgegner gibt es i.d.R. nicht, es wird sich lediglich über Schwule im Militär lustig gemacht (vgl. z.B. einen Beitrag in der tilt 3/95) oder Unverständnis über Beschwerden geäußert. Der besonderen Probleme schwuler Wehrpflichtiger widmen sich daher in Berlin die „Schwulen Kriegsdienstgegner“, eine kleine Gruppe antimilitaristischer Schwuler, die versuchen, eine Brücke zwischen der ‚gay community‘ und Antimilitarismus zu schlagen.
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