transnationales / antimilitarismus

Prinzipienerklärung der War Resisters‘ International

Verabschiedet auf dem WRI-Ratstreffen in Carmaux/Frankreich 1997

Auf dem diesjährigen Ratstreffen der War Resisters' International im südfranzösischen Carmaux (vgl. Bericht in GWR 221) wurde eine aktualisierte Prinzipienerklärung verabschiedet, die die alte Erklärung aus den 50er Jahren ersetzt. Diese Erklärung stellt somit die aktuelle Positionsbestimmung der WRI dar. (Red.)

Die War Resisters‘ International (Internationale der KriegsdienstgegnerInnen) sind ein weltweites Netzwerk unabhängiger Organisationen, Gruppen und Einzelpersonen, die die WRI-Erklärung akzeptieren:

Krieg ist ein Verbrechen gegen die Menschheit.
Ich bin daher entschlossen, keine Art von Krieg zu unterstützen und für die Beseitigung aller seiner Ursachen zu kämpfen.

Es besteht, um gewaltfreie Aktionen gegen Kriegsursachen zu fördern und um Menschen auf der ganzen Welt zu unterstützen und zusammenzubringen, die sich der Beteiligung an Krieg oder der Vorbereitung von Krieg verweigern. Auf dieser Basis arbeitet es für eine Welt ohne Krieg. Die Mitgliedschaft in der WRI ist offen für alle, die die WRI-Erklärung akzeptieren.

Die WRI bekennt sich zur Gewaltfreiheit. Für einige ist Gewaltfreiheit eine Lebensweise. Für uns alle ist sie eine Aktionsform, die das Leben bejaht, sich gegen Unterdrückung ausspricht und den Wert einer jeden Person anerkennt. Gewaltfreiheit kann aktiven Widerstand, einschließlich Zivilen Ungehorsams, mit Dialog verbinden, sie kann Nicht-Zusammenarbeit – den Entzug der Unterstützung eines unterdrückerischen Systems – mit der konstruktiven Arbeit des Aufbaus von Alternativen verbinden. Als eine Art sich in einem Konflikt zu engagieren stellt Gewaltfreiheit manchmal den Versuch dar, auch Versöhnung zu bringen: Stärkung der sozialen Strukturen, Stärkung derjenigen am Boden der Gesellschaft, und Einbeziehung von Menschen verschiedener Seiten in die Suche nach einer Lösung. Selbst wenn diese Ziele nicht unmittelbar erreicht werden können, so bleibt Gewaltfreiheit die feste Grundlage unserer Entschlossenheit, andere Menschen nicht zu vernichten.

Krieg ist eine vermeidbare Form organisierter Gewalt. Seine Wurzeln reichen jedoch tief. Die WRI versucht, diese Wurzeln anzugehen, einschließlich der Veränderung von Sozialisationsprozessen und der Wandlung der Schemata der Dominanz, die alle Aspekte des Lebens, sowohl innerhalb als auch zwischen Gesellschaften, beeinflussen. Herrschaft findet sich in der Unterdrückung der weniger Mächtigen und in der Unterjochung der Natur selbst; Herrschaftsmechanismen können auf Faktoren wie Geschlecht, Klasse, kulturellen und ethnischen Unterschieden basieren und finden sich zwischen und innerhalb von Nationalstaaten. Kriegsvorbereitungen beschränken sich nicht auf Waffen, sie können innerhalb von Kulturen gefunden werden. Es sind nicht nur die SoldatInnen und PolitikerInnen, die dafür verantwortlich sind, sondern auch diejenigen, die ihre Einwilligung geben und mitarbeiten. Es sind nicht nur diejenigen, die Befriedigung durch Machtgewinn über andere suchen, sondern auch diejenigen, die ihre eigene Identität über die Dämonisierung des Anderen definieren, sei es im Namen einer Religion, Ideologie oder Nation.

Die WRI sieht und stellt sich gegen globale Ungerechtigkeit und die Rolle, die das Militär als Verursacher und bei der Aufrechterhaltung dieser Ungerechtigkeit spielt. Als die WRI 1921 gegründet wurde, hatte sie ihre Basis in Europa und ein großer Teil der Welt war noch kolonisiert. Seitdem hat sich die Ausbeutung durch wirtschaftliche, politische und militärische Strukturen fortgesetzt; aufrechterhalten durch das Verhalten der Staaten und Konzerne in der industrialisierten und materiell reichen Welt; und durch das Verhalten der postkolonialen Staaten selbst. Das Muster der ökonomischen Ausbeutung hat nicht nur zu gravierender Ungleichheit und Ungerechtigkeit – innerhalb und zwischen Gesellschaften – geführt, sondern auch zu Umweltzerstörung. Dies wird durch militärische Macht unterstützt, mit aktiver Unterstützung und häufig durch direktes Eingreifen der ehemaligen Kolonialregime und anderer dominierender Staaten. Unser Widerstand gegen diese Nutzung militärischer Gewalt – und gegen die Vorbereitung und damit verbundene Militarisierung der Gesellschaft – geht Hand in Hand mit aktivem Widerstand gegen das ungerechte System, von dem diese Gewalt ein Teil ist.

Die Kriegsursachen anzugehen verpflichtet zu gesellschaftlicher Veränderung. Die WRI versucht, mit anderen zusammenzuarbeiten, um eine Welt aufzubauen, die weder auf der Angst vor militärischer Gewalt noch auf Herrschaft und Hierarchie beruht, sondern auf Beziehungen der Gleichheit, wo grundlegende menschliche Bedürfnisse erfüllt werden, wo Frauen und Männer als gleich betrachtet werden, wo unterschiedliche Kulturen und ethnische Gruppen sich gegenseitig akzeptieren, wo Grenzen nicht trennen, und wo die natürliche Umwelt respektiert wird. Wir arbeiten für den Aufbau von Gesellschaften, wo jede/r bei den Entscheidungen, die sie/ihn betreffen mitreden kann und wo kollektive Verantwortung und freiwillige Zusammenarbeit Zwang ersetzen.

Die WRI wird niemals irgendeinen Krieg billigen, egal ob dieser Krieg durch einen Staat, durch eine „Befreiungsarmee“ oder unter der Schirmherrschaft der Vereinten Nation geführt wird, oder ob er humanitäre militärische Intervention genannt wird. Kriege, wie nobel die Rethorik auch immer sei, dienen immer machtpolitischen oder ökonomischen Interessen. Nichtsdestotrotz gestehen wir zu, daß manche Situationen für das Gewissen Probleme aufwerfen können: bewaffneter Widerstand gegen Faschismus oder Völkermord, oder bewaffnete Kämpfe für Befreiung von unterdrückerischen oder von außen gestützten Regimes. Jeder Konflikt erfordert eine Analyse. Während wir uns in Opposition zu der militärischen Politik und den unterdrückerischen Strukturen, die zu solchen Situationen führen zusammenschließen und gemeinsam gewaltfreie Formen der Solidarität entwickeln, sind wir uns der Grenzen dessen bewußt, was unsere Herangehensweise kurzfristig erreichen kann. Deshalb verfolgen wir einen langfristigen Ansatz. Wir wissen, wozu Krieg führt – zu Leiden und Zerstörung, zu Vergewaltigung und organisiertem Verbrechen, zum Verrat an Werten und neuen Strukturen der Herrschaft. Und so lehnen wir Krieg ab, und handeln entsprechend unserer Verpflichtung für eine bessere Lösung.

Das ‚Nein‘ der WRI zum Krieg beabsichtigt, die Spirale der Gewalt zu durchbrechen. Auch in der trostlosesten Situation bestehen wir auf der Suche nach Auswegen für gewaltfreie Aktionen, und wir müssen erforschen, wie, und mit welchen Gruppen, gewaltfreie Aktion dazu beitragen könnte, die Gewalt zu reduzieren. Wir bleiben bei unserer Verpflichtung mittels Gewaltfreiheit zu arbeiten, da wir überzeugt sind, daß die Mittel, die wir benutzen, die Ziele, die wir erreichen werden, gestalten und schon enthalten, und wir wissen, daß Gewalt und Krieg ihre eigene Logik haben: Gewalt neigt dazu, das schlechteste im Menschen nach außen zu bringen, und Krieg kann niemals die Wurzeln des Krieges zerstören und führt nur dazu, zukünftige Konflikte zu schüren.

Die Mitglieder der WRI beteiligen sich an einer weiten Palette gewaltfreier Aktionen. WRI-Gruppen sind oft gut bekannt für Kriegsdienstverweigerung oder Kriegssteuerverweigerung, Kampagnen gegen Waffenproduktion und Rüstungsexport, oder für die solidarische Zusammenarbeit mit örtlichen PazifistInnen in Kriegssituationen. Doch die Gruppen können ebenfalls an Projekten zum psychischen und physischen Wiederaufbau während und nach eines Krieges arbeiten, den Dialog zwischen Gruppen eines Konfliktes fördern oder kleinräumige gemeinschaftliche wirtschaftliche Entwicklungsprojekte unterstützen. Hinter all diesen Strategien steht das Grundthema des Aufbaus einer Kultur des Friedens: eine Kultur, die ein globales und umfassenden Bewußtsein fördert, die unsere Art zu Leben und die Entscheidungen, die wir treffen, in Verbindung damit bringt, welche Wirkungen unser Tun auf andere hat; es geht um eine Kultur, die militaristische, rassistische und patriarchale Werte in Frage stellt, und die die Perspektiven derjenigen mit einschließt, die marginalisiert worden sind; eine Kultur, welche die Vielfalt würdigt; es geht um eine Kultur, die ein Gespür der Verantwortlichkeit für die Welt fördert und angemessene Methoden findet, dies lokal mit gewaltfreien Methoden umzusetzen und auszudrücken. Darin ist die WRI-Erklärung ein wichtiger erster Schritt.