Der Kampf um die Autonomie des Frauenhauses in Kassel währt schon lange (vgl. zuletzt GWR 216). Den Höhepunkt erreichte er Anfang 1997, als das Frauenhaus ihr Gebäude räumen sollte, um es in die Trägerschaft der AWO zu geben. Nach fast einem Jahr ständig neuer Gewißheiten und Ungewißheiten kehrt nun langsam wieder Ruhe in das autonome Frauenhaus Kassel ein. (Red.)
Das Land Hessen – Ministerium Frau Nimsch – hat das autonome Frauenhaus Kassel in der gesamten Zeit finanziell unterstützt. Die Stadt Kassel hat bis Anfang Dezember 1997 nicht einen Pfennig für Personalkosten und laufende Kosten des Frauenhauses beigetragen. Das autonome Frauenhaus Kassel konnte auch im zurückliegende Jahr trotz aller Widrigkeiten und administrativer Widerstände die Arbeit fortsetzen und geht nun in das 19. Jahr. Zur Jahreswende 96/97 sah noch alles ganz anders aus. Die CDU-FDP-Rep-Mehrheit im Kasseler Stadtparlament beabsichtigte die Vereinsmitarbeiterinnen räumen zu lassen, sofern sie nicht freiwillig das städtische Gebäude in dem das Frauenhaus untergebracht ist, verlassen würden. Sie hatte mit der Arbeiterwohlfahrt Verträge zur Übernahme der Frauenhausarbeit zum 1.1.97 abgeschlossen und die Arbeiterwohlfahrt hatte in einer bundesweiten Ausschreibung 6 Mitarbeiterinnen eingestellt. Jegliche Zahlung von Zuschüssen seitens der Stadt Kassel an den autonomen Frauenhausverein wurden zum 1.1.97 eingestellt.
Räumung nur knapp verhindert
Ohne die Veränderung der kommunalpolitischen Mehrheitsverhältnisse Anfang März 1997 zu einer Rot-Grünen Koalition, wäre es zur polizeilichen Räumung des Frauenhauses gekommen, daraus machte der amtierende CDU-Oberbürgermeister und FrauenLesbendezernent keinen Hehl. Denn Mitte März gewann die Stadt Kassel einen beim Landgericht angestrengten Prozeß auf sofortige Herausgabe des Gebäudes. Hierüber wurde die Ausgangslage des Vereins aber auch von Bündnis 90/Die Grünen gegenüber der SPD erheblich verschlechtert, Viele GenossInnen befürworteten den Trägerwechsel nicht nur deshalb weil ihre Schwesteroranisation Arbeiterwohlfahrt das Frauenhauserbe antreten sollte. In den Koalitionsvereinbarungen zwischen SPD und Grüne wurde schließlich nur festgelegt auf eine polizeiliche Räumung zu verzichten und nach einer politischen Lösung zu suchen. Ausdrücklich mußte von den GRÜNEN die abgeschlossenen Verträge mit der Arbeiterwohlfahrt anerkannt werden.
AWO stellt sich stur
Die Arbeiterwohlfahrt wurde immer wieder aufgefordert von den Verträgen zurückzutreten, viele Einzelpersonen, Gruppen, Frauenhäuser unterstützten die Forderung weiterhin nach einem autonomen Frauenhaus in Kassel. Allein dies bewegte nichts bei der Arbeiterwohlfahrt. Der Kompromiß der schließlich zwischen SPD und Grünen ausgehandelt wurde: Das autonome Frauenhaus in Kassel muß seine Platzzahl für Frauen und Kinder von bisher 45 auf 32 absenken, kann aber in dem Gebäude – ein Vermächtnis der ersten deutschen Frauenbewegung an die Stadt – weiter arbeiten. Parallel dazu müssen Personalmittel in Höhe von 1,5 Stellen an die Arbeiterwohlfahrt abgetreten werden, die hierüber eine Nachbetreuungsstelle finanzieren wird.
Frauenhaus zum Nulltarif?
Dem Frauenhaus verbleiben 4 Stellen. Der Arbeiterwohlfahrt wurde um die Kompensation des „erlittenen“ Schadens perfekt zu machen, noch weitere 4 Stellen für ein zusätzliches Projekt zugesichert. Unterschriftsreif wurden die Verträge erst Anfang Dezember 97, nachdem im Vorfeld noch mehrere Vertragsentwürfe dem Verein zur Unterschrift vorgelegt wurden, allesamt Modifikationen des „AWO-Vertrages“, zugunsten der Stadt Kassel und zu Lasten des Vereins Frauenhaus Kassel e.V., beispielsweise. die geforderte Zusicherung des Vereins sämtliche Prozeßkosten zu tragen und der Verzicht auf jegliche Zuschußforderung für das Jahr ’97. Ein Frauenhaus zum Nulltarif für die Stadt. Das konnte der Verein nicht unterschreiben, zumal Kredite aufgenommen werden mußten, um den Betrieb aufrechtzuerhalten. Der Passus wurde nach abermaliger Intervention des Vereins gestrichen. Das schafft zwar eine bessere Voraussetzung, doch Geld gibt es deshalb auch noch lange nicht. Mittlerweile ist man sich rathausintern zwar einig, daß Zuschüsse für ’97 fließen sollen, in welcher Höhe, wann, wer überhaupt zuständig ist, ob in diesem Jahr, im nächsten Jahr, alles ungeklärte Fragen. Der Verein erhielt die Information aus dem Rathaus, erneut – nachdem schon in ’96 ganz regulär für ’97 beantragt wurde – einen Antrag zu stellen, um die im Haushalt veranschlagten Gelder zur Auszahlung zu bringen. Dies ist umgehend geschehen, doch nachwievor hat es im Rathaus niemand mehr eilig. Auf Nachfrage im Rathaus, erhält frau immer wieder nur Auskünfte bezüglich der nicht geklärten Zuständigkeit. Ganz offensichtlich wird hier eine Auszahlung der Gelder verzögert und das obwohl allen Beteiligten bekannt ist, daß in ’97 die Frauenhausarbeit durch den Verein aufrecht erhalten wurde und angefallene Kosten durch den Verein durch Kredite vorfinanziert werden mußten. Damit muß nun endlich Schluß sein, es ist unbedingt notwendig, daß das Geld noch in ’97 ausgezahlt wird. Ab 1. Januar 1998 treten nun die neuen Verträge in Kraft. Auch das Frauenhaus Kassel muß nun – für das 20 Jahre lang mietfrei zur Verfügung gestellte Gebäude – , Miete zahlen, nicht wenig und diese komplett auf die Bewohnerinnen des Hauses abwälzen. Eine immer vehement abgelehnte Finanzierung über das Bundessozialhilfegesetz wird damit auch in Kassel Realität.
Mehr Transparenz – mehr Kontrolle!
Die Kosten bleiben für die Stadt Kassel gleich, zu erwartende Rückforderungen und noch mehr Rennereien für die Bewohnerinnen, weitere bürokratische Hürden dafür aber bessere Kontrolle und „mehr Transparenz“ sowie sie der Oberbürgermeister immer wieder eingefordert hatte, das sind die Folgen. Nun wird von Stadtseite aus auch noch der angrenzende und für die Frauenhauskinder extrem wichtige Kinderspielplatz als Bauplatz verscherbelt. Bei allen Kompromissen, die das autonome Frauenhaus eingehen mußte, ist es doch als großer Erfolg anzusehen, daß das Ruder in einer Phase, wo rechtsgültige Verträge mit der AWO vorlagen und fast alle glaubten der Kampf sei verloren, doch noch einmal herum gerissen werden konnte.
Dieser Erfolg basiert nicht zuletzt auf der sehr breiten Unterstützung, die dem Frauenhaus zuteil wurde, basiert auf der öffentlich immer wieder geäußerten und uneingeschränkten Solidarität der Frauenhausbewohnerinnen mit den Mitarbeiterinnen des Vereins, basiert auf der durchweg positiven Berichterstattung der Medien und auf dem Einsatzwillen von Bündnis 90/die Grünen im Stadtparlament, die zum Teil gegen sehr hartnäckigen Widerstand aus den Reihen der SPD diesen Kompromiß durchsetzten und dafür sicherlich auch ihren Tribut in den Koalitionsverhandlungen zahlen mußten. Eine brutale polizeiliche Räumung, wie sie im zurückliegenden Monat die BauwagenplatzbewohnerInnen durch die Reform-Uni-Leitung verordnet bekamen oder auch die Räumung des Kulturzentrums Messinghof im Dezember 96, blieb den Bewohnerinnen, den Kindern und den Mitarbeiterinnen des Frauenhauses in Kassel ersteinmal erspart.
Wie sich die Verträge des Frauenhaus auf die Situation der Bewohnerinnen auswirken werden, wie mit Rückforderungen nach dem Bundessozialhilfegesetz umgegangen wird, welche Auswirkungen die neue Mietregelungen für Migrantinnen haben werden, dies alles können wir erahnen, welche Probleme tatsächlich entstehen, das wird sich in den nächsten Monaten zeigen.
Abschließend bleibt festzuhalten, das Frauenhaus Kassel hat die Verträge unterschrieben, was fehlt ist die Unterschrift der Stadt Kassel und das Geld für die in ’97 geleistete Arbeit, nämlich 90.000,- DM, welche im städtischen Haushalt für Frauenhausarbeit veranschlagt sind.
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