Im laufenden Verfahren wegen Beleidigung und übler Nachrede, das Lothar- Günther Buchheim gegen uns aufgrund einer Analyse seines Nazi-Buches "Jäger im Weltmeer" (1943) angestrengt hat, hat sich seit der Durchsuchung unserer Redaktionsräume und der Privaträume eines Redakteurs noch nichts Neues getan (vgl. dazu GWR 216, S.16 und GWR 221, S.7). Anläßlich des großspurigen Werbegetrommels (Director's Cut!) für Wolfgang Petersens in den Kinos derzeit wiederholten Films "Das Boot" legen wir in Sachen Buchheim mit folgender Analyse nochmals nach, denn auch die Romanvorlage für diesen angeblichen Antikriegsfilm eines jetzt gefeierten Hollywood-Regisseurs, Buchheims Nachkriegserfolgsroman "Das Boot", hat es in sich. (Red.)
Lothar-Günther Buchheim kam vor einigen Monaten wieder einmal wegen seiner expressionistischen Kunstsammlung im Wert von 200 Mio. DM in die Schlagzeilen. Bekannter als Buchheims künstlerisches Engagement jedoch ist sein schriftstellerisches Werk. Sein Roman „Das Boot“ verkaufte sich mehrere Millionen mal und wurde in viele Sprachen übersetzt. Als Verfilmung erreichte „Das Boot“ noch mehr Menschen und hat die Aufarbeitung der NS-Zeit in- und außerhalb Deutschlands beeinflusst. 1996 wurde sein neuestes Werk „Die Festung“ zum Weihnachts-Bestseller.
Buchheim schreibt immer wieder über den U-Boot-Krieg und erzählt in Variationen von einer Angriffsfahrt eines deutschen U-Boots, die er mitmachte. Sein Einfluss liegt nicht so sehr im Bereich der universitären Wissenschaft. In der Literaturwissenschaft wird er der Trivialliteratur zugerechnet und entsprechend gibt es bisher keine wissenschaftlichen Untersuchungen seiner schriftstellerischen Werke. Beachtung findet Buchheim aber nicht nur bei dem Millionenpublikum seiner Bücher, sondern auch bei JournalistInnen der Massenmedien. So taucht er immer wieder im Fernsehen auf, beispielsweise als „Zeitzeuge des Jahrhunderts“ im ZDF oder in Guido Knopps „Hitlers Helfer“ als U-Boot-Experte. So kann Buchheim zumindest das nicht-universitäre Geschichtsverständnis stark prägen.
1995 kam Buchheims Landserroman „Die Festung“ in den Buchhandel. Im Zusammenhang mit seinem Erscheinen machte der Verleger Matthias Wegner darauf aufmerksam, dass Buchheim 1943 eine „schreckliche Propagandafibel“ mit dem Titel „Jäger im Weltmeer“ veröffentlicht hatte. (1) Dies löste einen heftigen Medienskandal aus. Der Verlag Hoffman und Campe veröffentlichte darauf hin „Jäger im Weltmeer“ 1996 neu und versucht seidem, dieses Buch als „geradezu widerständig“ zu verkaufen (vgl. Analyse in GWR 216).
In einem Geleitwort in „Jäger im Weltmeer“, das Buchheim als Ghostwriter für Großadmiral Dönitz schrieb, beschreibt er den Band treffender als heute:
„Von den Taten der U-Boot-Waffe wird allgemein nur in Zahlen berichtet; Versenkungsziffern können wohl einen Begriff geben von den Leistungen unserer Waffen, diese Ziffern vermitteln aber kaum, unter welch schwerer körperlicher Beanspruchung in den Stürmen des Atlantiks, unter welch zähem und kühnem Einsatz, der harte, entschlossene Kämpfer erfordert, diese Erfolge errungen werden müssen. Diesen ständigen Einsatz des U-Boot-Mannes schildert auf das Beste das Buch ‚Jäger im Weltmeer‘ des Kriegsberichters Lothar-Günther-Buchheim.“ (2)
Buchheims Karriere im „Dritten Reich“ und in der Nachkriegszeit
Im „Dritten Reich“ war Buchheim Hitlerjugendführer und später ranghoher Kriegspropagandist. Er erhielt den Rang eines Sonderführers-Leutnant und schrieb begeisternde Artikel für verschiedene gleichgeschaltete Zeitungen (z.B. „Das Reich“). Buchheim war eine Nazi-Größe. Das ist nicht so aufregend. Die meisten Deutschen und viele KollaborateurInnen in anderen Ländern waren in unterschiedlichem Ausmaß mehr oder weniger stark in nationalsozialistische Diskurse verstrickt bzw. durch die NS-Ideologie geprägt. So wie etliche Menschen, die den Nationalsozialismus auch gelegentlich kritiserten, beispielsweise, wenn NachbarInnen oder FreundInnen deportiert oder ermordet wurden, so mag es vielleicht auch sein, daß Buchheim hier und da eine unscheinbare kritische Spitze in seinen Propagandaschriften versteckt hat. Ich habe allerdings noch keine gefunden.
Bezeichnend für die westdeutsche Nachkriegsgeschichte ist Buchheims Verhalten nach der Befreiung 1945. Kein Wort der Reue, kein Moment der Selbstkritik und kein Hinterfragen der eigenen Tätigkeit als faschistischer Propagandist. Stattdessen stilisiert sich Buchheim nach und nach zum Opfer. Buchheim gehört zu den Menschen, die nicht in der Lage sind, eigene Schuld einzugestehen. Täter sind immer die anderen. Das bezieht Buchheim nicht nur auf sich. Er pflegt den Wehrmachtsmythos und konstatiert einen angeblichen „tiefe(n) Widerspruch zwischen Soldatentum und Nazigesinnung“. Seine damaligen Mittäter entschuldigt er: „Sie alle hatten ja keine Wahl, sie wurden zu Rädchen in der schrecklichen Kriegsmaschinerie und so um die besten Jahre ihres Lebens betrogen.“ (3)
Daß die Widersprüchlichkeit von Buchheims Verdrängungsstrategie kaum bemerkt wird, läßt sich nur durch den ausgeprägten Verdrängungswillen seiner LeserInnen erklären. Buchheim, der von sich selber sagt: „Ich war immer mittendrin, wenn es Rabatz gab“ (4), und sich heute als rüstiger und immer angriffslustiger Rentner präsentiert, kann widerspruchslos schreiben: „Wir, die wir den Krieg erlebt haben, sind eine Generation von Beschädigten und bis zur Verzweiflung Gebrochenen.“ (5)
Vor diesem Hintergrund lässt sich Buchheims Roman „Das Boot“ und dessen Erfolg leichter erklären. Der Roman enthält tatsächlich einige Elemente, die auf den ersten Blick antimilitaristisch erscheinen. Gebetsmühlenartig wiederholen RezensentInnen des „Bootes“, die Beschreibungen der Enge, der ewigen Warterei und der Angst würden das „Boot“ zu einem – ja zu dem – Antikriegsbuch machen. Nun gibt es verschiedene Lesarten und der gelesene Text eines Buches wird erst im Kopf der LeserIn produziert bzw. reproduziert. So nehme ich an, daß das „Boot“ tatsächlich einigen LeserInnen die Lust am Kriegerischen nimmt. Verdächtig wurde mir „Das Boot“ aber schon als Schüler. Wenn Mitschüler – die männliche Form ist hier korrekt – von der Verfilmung des „Bootes“ erzählten, waren sie begeistert von diesem dramatischen, spannenden Kriegsfilm. Von Antimilitaristischem war in ihren fiebernden Berichten nichts zu spüren. Wurden sie dann mit Kritik konfrontiert, betonten sie schnell, es handele sich eigentlich um einen Antikriegsfilm und irgendwie würde dieser ja zeigen, wie schlimm Krieg doch ist. Sie haben Buchheim richtig verstanden.
In einem Interview mit der Heidelberger Studierendenzeitung „ruprecht“ (6) bringt Buchheim seine Position auf den Punkt. Kriegsbilder beschreibt er „als erschreckend“ aber „es scheint, als verfalle die Natur immer wieder in einen Kriegsrausch, und weil der stärker ist als jedes Gesetz, kann man diese Kriegsgelüste nicht unterdrücken.“ Krieg ist für Buchheim etwas Naturgegebenes und damit Unvermeidbares. „In jeder Generation schlagen sich die Menschen einmal tot“, stellt er fest. Und das liegt daran, dass der Mensch „nicht aus der Geschichte lernen“ könne. Hier schließt Buchheim fälschlicherweise von sich auf andere. Er jedenfalls gehört nicht „zu den Ostermarschierern“. Diese begreifen nämlich nicht, was Buchheim antreibt: „Die Faszination (am Krieg) bleibt. Das treibt einen an.“ Krieg ist für ihn irgendwie schrecklich aber faszinierend, spannend, toll.
„Das Boot“
In „Das Boot“ beschreibt Buchheim zunächst tatsächlich die ewige Warterei und die Langeweile. Oberflächlich gesehen passt das nicht in das Bild ständig aktiver und heldenhaft tätiger Soldaten und widerspricht teilweise tatsächlich den Darstellungen in Action-Kriegsfilmen.
Aber auch hier kann Buchheim seine Faszination für das Kriegerische nicht verstecken. Er beschreibt die ewige Warterei darauf, endlich kämpfen zu dürfen, endlich schießen zu dürfen: „Das ist doch eine elende Sauzucht, diese verdammte Gammelei!“ (7) Diese hat allerdings ein Ziel: „Nichts mobilisiert so viele geistige Kraft wie der Wunsch, den Gegner zu vernichten.“ Nur diese geistige Kraft läßt die Besatzung durchhalten. Gelegentlich klingt Kritik an diesem Prinzip an. Aber eines bleibt offensichtlich: das Ärgernis, dass man so selten zum Schuss kommt. Jeder Zweifel ist weggewischt, wenn endlich eine Chance besteht.
In der Fantasie des Erzählers kann der befreiende Akt des Angriffes sogar in das Phantasma eines sexuellen Aktes oder genauer, einer Vergewaltigung gesteigert werden: „Die Eisenhymnen der Dampfer, in die sich der Torpedophallus einrammt. Die gezackten Schamlippen. Das Hochbäumen der Dampferkühe, wenn der Torpedo zwischen ihre Spanten eingedrungen ist und seine Ekrasit-Ejakulation entlädt. Und dann das Reißen, Brechen, Stöhnen und Röcheln…“ (8)
Auffällig ist Buchheims Verehrung für die Kommandanten der U-Boote. Schon in seinen Propagadaschriften sind es die Kommandanten, über die er bevorzugt schreibt. Sie sind es, die in einem U-Boot handeln und kämpfen und an sie hält sich auch Buchheim.
Im ersten Kapitel des „Bootes“ werden sie vorgestellt: „Die Asse! Viele gibt’s nicht mehr.“ (9) An der entsprechenden Stelle nennt er namentlich die Kommandanten Otto Kretschmer, Günther Prien, Joachim Schepke und Egelbert Endrass. Diese vier Namen habe ich in einer kleinen Tabelle im Internet wiedergefunden: Sie alle gehören zu den „Top 20 Commanders“ – ermittelt nach Versenkungszahlen in Bruttoregistertonnen. Buchheim verehrt auch an anderen Stellen gerade die Kommandanten, die wirklich etwas für die Wehrmacht geleistet haben.
Er verehrt die „alten Asse“ und zu denen zählt auch der Kommandant der U 96 – dem „Boot“. Buchheim bezeichnet ihn durchgehend liebe- und hochachtungsvoll als „den Alten“. Mit ziemlicher Sicherheit ist mit dem „Alten“ Heinrich Lehmann-Willenbrock gemeint. Er ist verantwortlich für die Versenkung von 22 Schiffen. Nach seiner Begegnung mit Buchheim wurde er zum Chef der 9. U-Boot-Flottille in Brest befördert.
Buchheim beschreibt den „Alten“ als einen „erstklassigen Mann“, „durch nichts zu erschüttern“ und „kein blindwütiger Draufgänger. Verläßlich. Schon auf Segelschiffen gefahren. (…) Der hat’s noch immer geschafft. (…) Der Kommandant ist kein Freund großer Worte. In seinen Kriegstagebüchern nehmen sich seine Unternehmungen wie Kinderspiele aus.“ (10) Das ist der Typ von Krieger, der bei Buchheim verehrt wird: erfolgreich, besonnen, aber auch wagemutig, wenn nötig.
Natürlich kann ein solches Ass wie der „Alte“ kein Nazi sein. Die Nazis sind bei Buchheim „die Quexe – die naßforschen Typen – die Maulhelden. (…) …die ‚jungen Marschierer‘, die weltanschaulich Durchgeformten, die mit dem Glauben an den Führer im Blick, die Kinnmuskelspanner, wie sie der ‚Alte‘ nennt, die vor dem Spiegel den dräuenden Bella-Donna-Blick üben.“ (11) Nazis sind der Abschaum, die Widerlichen, oder aber „diese wahnsinnige, vom Haß zerfressene (…) Führung, die so viele jungen Menschen in einen absolut sinnlosen Krieg geführt hat.“ (12) Nazis sind ein paar durchgeknallte Führer und ein paar verführte junge Marschierer. Buchheims Bewunderung hingegen gilt den wahren Kämpfern, ‚den alten Recken‘.
Damit keiner auf die Idee kommt, gerade der „Alte“ wäre ein Nazi, philosophiert dieser im „Boot“ immer wieder über die Problematik des Krieges und über die vielen Opfer. Der größte Vorwurf aber, den der „Alte“ und mit ihm Buchheim dem Befehlshaber der U-Boote (BdU) macht, ist der, dass Deutschland den Krieg zu verlieren droht und dass die deutsche U-Boot-Kriegstaktik nicht gut genug sei.
Der „Alte“ hat auch ein Unrechtsbewußtsein und die Art der nationalsozialistischen Kriegsführung geht ihm zu weit. Entsprechend kritisiert er den BdU nicht nur für seine taktischen Schwächen, sondern gelegentlich auch für seine Skrupellosigkeit. Dass es aber der Kommandant ist, der die Dampfer versenkt, wird im „Boot“ nur ein einziges Mal reflektiert. Ein Moment des Zweifelns taucht auf – wird aber sofort wieder beiseite geschoben. Im „Boot“ scheint es das Schicksal eines deutschen U-Boot-Kommandanten zu sein, alles beschießen zu müssen, was sich bewegt. Die Möglichkeit zu desertieren oder auch nur um Versetzung zu bitten, existiert bei Buchheim nicht.
Buchheim verehrt die großen Kommandanten und lässt keinen Zweifel an ihrer Integrität aufkommen. Dass niemand Heinrich Lehmann-Willenbrock gezwungen hat, zu einem der größten nationalsozialistischen Kriegshelden zu werden, spielt für Buchheim keine Rolle. Dass Lehmann-Willenbrock vielleicht tatsächlich hin und wieder Bedenken hinsichtlich seiner Tätigkeit hatte, nützt seinen hunderten oder vielleicht noch mehr Opfern nichts.
Für Buchheim gilt, was für viele Deutsche gilt: die Nazis – das sind immer die anderen. So konnten Richter nach ’45 in ihren Berufen weiterarbeiten, Wehrmachtsoldaten die Bundeswehr aufbauen und Kriegspropagandisten erfolgreiche Nachkriegsschriftsteller werden.
(1) Matthias Wegner in: Börsenblatt des deutschen Buchhandels, 41/23. Mai 1995.
(2) Vorwort Dönitz im Original: "Jäger im Weltmeer", Berlin 1943.
(3) Buchheim: "Jäger im Weltmeer", Hamburg 1996, S. VIII.
(4) Matthias Wegner in: Börsenblatt, s.Anm. 1
(5) "Jäger im Weltmeer", 1996, S. VIII.
(6) Nr. 45/Dez. 1996
(7) Buchheim: Das Boot, München 76, S.171.
(8) Das Boot, S.408.
(9) Das Boot, S.13.
(10) Das Boot, S.12.
(11) Das Boot, S.15f.
(12) Buchheim in einem Interview des "Kulturreport".