aktuelles

Helm ab zum Gebet? – NEIN!

Aktion gegen die Soldatengottesdienste des Kriegspredigers Meisner

| die touristische Bande

Köln, 22.1.98. Der demonstrierende Mob von der Straße versucht den Dom zu stürmen - Kardinal Joachim Meisner rief die Bundeswehr zur Hilfe. So oder ähnlich mag der/dem BetrachterIn das Spektakel auf der Domplatte vorgekommen sein. Um was es wirklich ging bei dem Spektakel, darüber gibt der Artikel Auskunft. (Red.)

So einiges wurde geboten: Soldaten verschiedenster Waffengattungen und Nationalitäten, Feldjäger, Bereitschaftspolizei, verschiedene, zumeist schon ältere Männer in bunten Kostümen und – nicht zu übersehen, genauer: nicht zu überhören – eine lautstark sich artikulierende Menge von Menschen mit Transpas, Trillerpfeifen, Gitarren, Geigen, Sandwiches. Diese Menge war wesentlich bunter als die Herrschaften, welche sich zum Gottesdienst in den Dom begeben wollten: ältere Damen in schicken Wintermänteln Arm in Arm mit VertreterInnen der Haßkappenfraktion und grellbunten Freaks jeglicher Couleur, in Ehren ergraute Alt-68er, Punks mit Irokesenschnitt und zahlreiche andere friedliebende BürgerInnen, die in ihrer Unauffälligkeit schon wieder auffielen. – Jah, wenn denn der Anlaß, sich so früh am Morgen auf die Domplatte zu begeben nicht so traurig wäre, mensch könnte fast meinen, der Karneval hat schon eingeschlagen. Aber was war und ist denn der Anlaß dieser Versammlungen?

Kardinal Meisner dürfte seit 1945 der erste Kriegsprediger in der BRD sein. Beim Internationalen Soldatengottesdienst am 31. Januar 1991 sprach Meisner im Kölner Dom zu Soldaten der Bundeswehr und anderer NATO-Staaten. Viele von ihnen kamen aus den Staaten, die damals Krieg gegen den Irak führten.

Krieg entstehe dort, „wo der Mensch … zwar weiß, was gut und richtig ist, es aber nicht tut, … wo die Menschen unter sich zerrissen werden und … wo der Riß zwischen den Menschen und den Dingen der Welt geht.“ So weit noch nachvollziehbar. Aber weiter heißt es: „Friedensdienst ist Glaubensdienst. Wer dem Glauben und seiner Ausbreitung dient, der dient dem Frieden und seiner Verbreitung. Jeder Soldat muß daher immer auch … ein Mann Gottes (sein), um dem Frieden unter den Menschen dienen zu können.“

Im Klartext: Mit Gott an seiner Seite darf mann sich guten Gewissens ins Schlachtgetümmel stürzen und bleibt trotzdem als „gläubiger Mensch“ ein „friedlicher Zeitgenosse“. Und so weiter: „Wohlan, legen sie Hand ans Werk“, bat Kardinal Meisner seine Zuhörer (-Innen waren keine dabei) gegen Ende der Predigt.

Wurden nicht schon einige der grausamsten Massenschlächtereien der Weltgeschichte, wie die sogenannten Kreuzzüge und die „Eroberung“ Südamerikas, ähnlich legitimiert? Auch die Soldaten der Nazi-Wehrmacht trugen bei ihren Überfällen zur Beruhigung eines eventuell vorhandenen Gewissens den Spruch „Gott mit uns“ auf ihren Koppelschlössern.

Im Jahre 1997 predigte Meisner u.a.: „Genau dies ist die Definition des Soldaten: Hüter seiner Brüder und Schwestern zu sein … Die Bindung an Gott entbindet von menschlichen Abhängigkeiten und verleiht ihm den Mut zu den nötigen Handlungen, selbst wenn sie unpopulär sein sollten. Hier bewahrheitet sich das Wort „fürchte Gott und scheue niemand“.“

Anscheinend hatten die Militaristen am 27. Januar 1997 nicht richtig zugehört. Außer vor Gott fürchteten sie sich noch vor zwei Mitgliedern von Pax Christi (was so ziemlich genau exakt der protestierenden Menge vor dem Dom entsprach), welche ein Transparent mit der Aufschrift „Kriege verhindern – Rüstung ächten“ hielten. Mann scheute sich deshalb nicht, diese FriedensaktivistInnen vom Hauptportal des Domes weg für zwei Stunden in Gewahrsam nehmen zu lassen. Eine Leibesvisitation und Einzelhaft blieben ihnen nicht erspart.

Für den 22. Januar 1998 rief der Kardinal wieder anläßlich des Weltgebetstages für den Frieden zu einem Soldatengottesdienst auf. Gegen diese mentale Aufrüstung im Kirchenraum, gegen diese klerikale Vorab-Legitimierung der kommenden Kriege, regte sich zunehmend Widerstand.

Aus dem Aufruf des Bündnisses: „Nach dem Ende der Sowjetunion und der Auflösung des Warschauer Paktes sah sich die NATO um ihre Existenzberechtigung gebracht und verschaffte sich schnellstens eine neue Legitimation, indem sie dem existierenden umfangreichen Militärapparat der NATO-Staaten „neue Aufgaben“ zuwies. Das „Neue Strategische Konzept“ des NATO-Gipfels in Rom im November 1991 wurde schon im Februar in Deutschland konkret in Strategiepapiere umgesetzt: als neue „deutsche Sicherheitsinteressen des freien Welthandels und des Zugangs zu strategischen Rohstoffen“. Seitdem wird um- und aufgerüstet, seitdem wird die Bundeswehr vorbereitet auf „out-of-area“-Einsätze in aller Welt. … Gegen diese Verharmlosung und Beschönigung von längst zielstrebig betriebenen Kriegsvorbereitungen protestieren wir aufs Schärfste.“

Diese und andere profane Tatsachen werden in Meisners Soldatengottesdiensten nicht erwähnt. Den Zuhörern würde hiermit allzu deutlich geschildert, für wen und was die deutschen Soldaten endlich wieder töten und sich töten lassen dürfen.

Nicht für die Reichen und die Rohstoffe, sondern für die gerechte Sache und die abendländische Kultur kämpfen wir. Kriege sind eine Naturkatastrophe, aber Abtreibung ist genauso schlimm. Fehlt nur noch, daß die Erde eine Scheibe ist.

„Wir dienen dem Frieden, indem wir die Ökonomie des Guten durch die Beachtung der Gebote Gottes stärken. … Hier ist der Soldat aufgefordert, das Seinige in dieser Weise zu tun.“ (20.1.94)

„Auch in Friedensperioden bleiben Soldaten für die Sicherung des Friedens notwendig. Der durch die Erbsünde geprägte Mensch bleibt für den Weltfrieden immer eine Gefahr, weil aus seinen tiefen Abgründen dunkle Mächte und Bewegungen erwachsen können, die sich in Kriegskatastrophen auswirken.“ (23.1.92)

„Wer zum Töten ungeborener Kinder schweigt, richtet wenig durch lautstarke Proteste gegen die Tötung der Menschen in Kriegen aus.“ (20.1.94)

„Die Krise Westeuropas ist eine Folge der Atheisierung europäischen Denkens. Nur indem … einer gesellschaftlichen Gruppe, wie die der Soldaten, Gott wieder bewußt wird, werden sich die Menschen … ihrer Verantwortung gegenüber der Welt … bewußt. Darum ist der Aufruf Papst Johannes Paul II. zu einer Re-Evangelisierung Europas und der Welt ein Gebot der Stunde, von dem das Überleben unserer abendländischen Kultur abhängig ist. Tun sie als Soldaten dazu das Ihre.“ (31.1.95)

„Ganz realistisch sieht die Kirche im Soldaten aber eine Möglichkeit, … den Menschen vor der Versuchung des Bösen zu schützen.“ (21.1.93)

Zwar räumt Meisner im selben Jahr ein, daß „auch Soldaten gefährdet (sind), Macht zu mißbrauchen“, aber mit dem richtigen ideologischen Rüstzeug läßt sich dies seiner Meinung nach weitgehend verhindern. „Wem käme es in den Sinn, Soldaten, die auch Beter sind, dann noch als Mörder zu diskriminieren? Nein, in betenden Händen ist die Waffe vor Mißbrauch sicher.“ (30.1.96)

Die angemeldete Protestaktion durfte nur mit recht einschränkenden Auflagen überhaupt stattfinden. Ganz an eine Seite der Domplatte wurden die ca. 200 Protestierenden gedrängt – eine Polizeikette verhinderte fast jeden Ansatz, auch nur ein paar Schritte zur Mitte der Domplatte zu kommen. So konnten die Militaristen ungehindert das Gotteshaus erreichen. Die Trillerpfeifen und die FlugblattverteilerInnen waren pausenlos im Einsatz. Ein Polizist, den Knüppel parat, meinte sinngemäß: Er könnte aufgrund der lautstarken Unmutsäußerungen nicht verstehen, wie die Demonstrierenden so für den Frieden wären. Aufgrund der realen Machtverhältnisse, einerseits bewaffnete grüne Haufen auf der Domplatte, andererseits trillerpfeifende GewalttäterInnen, kann solch eine Bemerkung nur kopfschüttelnd zur Kenntnis genommen werden. Nach Beginn der Veranstaltung im Dom zog sich die Polizeikette in Richtung Mitte der Domplatte zurück.

Drinnen lauschten die Militaristen andächtig dem guten Herrn vom Dom, welcher diesmal ein Loblied auf die Vermittlung christlicher Werte im Rahmen des soldatischen Unterrichts anstimmte. Worin bestehen diese Werte denn, wenn sich so gute ChristInnen wie der verurteilte Nazi-Führer und Bombenleger Manfred Röder als Dozenten betätigen dürfen?

Darüber ließ Meisner sein Publikum leider im Unklaren. Stattdessen wurden der Bundeswehr und ihren Repräsentanten geradezu göttliche Weihen zuteil. Eigentlich logisch, nachdem Meisner im vergangenen Jahr den Kriegsdienst in die Nähe des Gottesdienstes gerückt hatte.

„Weil der Mensch der höchste irdische Wert ist, ist es unserer Gesellschaft so lieb und teuer, daß sie sich die Bundeswehr leistet. Sie wird den Erwartungen und Aufgaben nur gerecht, wenn der einzelne Soldat davon Ahnung hat, daß der Mensch – er selbst, und die, für die er da ist, der Gott nach Gott ist.“ (22.1.98)

Nächstes Jahr ist demnach die Heiligsprechung der Generäle zu erwarten. Vielleicht darf mann bald auch seine Lieblingswaffe für den nächsten out-of-area-Einsatz von Meisner persönlich segnen lassen.

Bei der Abschlußkundgebung auf dem Wallraffplatz schilderten die beiden Pax Christi-Mitglieder Hanna Jaskolski (die als Kind die Kriegsfolgen in Köln miterleben mußte) und Tony Schreiber noch einmal ihre Erfahrungen mit der kölner Polizei anläßlich des Soldatengottesdienstes 1997. Diesmal konnte die Demonstration nicht so einfach abgeräumt werden. Außerdem – woher soll die Polizei im einsperrfreudigen Köln so schnell 200 leere Einzelzellen nehmen?

Anschließend legte die bekannte Theologieprofessorin Dorothee Sölle dar, in welchem Maße Meisner und Konsorten die Botschaft des Evangeliums im Sinne der Herrschenden verbiegen. Von der Absage an jede Form von Gewalt, Ungleichheit und Unterdrückung bleibt dabei nichts mehr übrig.

Schließlich ging eine Sprecherin, deren Namen wir leider vergessen haben, auf die Geschichte des Kölner Domes als Herrschaftsort ein, wie von dort aus immer wieder, seit seiner Errichtung auf den Mauern eines „heidnischen“ Tempels, Minderheiten im Namen des Christentums verfolgt wurden.

Auf die Soldaten wartete nach der mentalen Aufrüstung durch Kardinal Meisner noch eine vor dem römisch-germanischem Museum aufgebaute GulaschKANONE. Hier bewahrheitet sich das Wort „Ohne Mampf kein Kampf“. Ob das Gulasch ebenso schwer verdaulich war wie Meisners Kriegspredigten, darüber konnten oder wollten die Militaristen keine Auskunft geben.