beilage: kein krieg am golf!

Die Rolle der UNSCOM-Inspektionen

| Clemens Ronnefeldt Versöhnungsbund-Referent

Die UNSCOM (United Nations Special Commission) soll nach den Waffenstillstandsvereinbarungen von 1991 die Zerstörung der Massenvernichtungswaffen des Irak überwachen. Die Weigerung des Irak, der UNSCOM ungehinderten Zugang zu allen Gebäuden zu gewähren, führte zur Eskalation des Konfliktes. Mehr zur UNSCOM und was sie wirklich fand in diesem Artikel.

Weil die Aufhebung des Embargos gegen den Irak von der Beendigung der Arbeit der UNSCOM (United Nations Special Commission) abhängt – und dieses Ende derzeit überhaupt nicht absehbar noch im Interesse der US-Regierung ist -, provoziert Saddam Hussein seit Ende 1997 mittels der Behinderung einzelner UN-Inspekteure einen Konflikt mit erheblichem Eskalationspotential.

Am 3. April 1991 verabschiedete der UN-Sicherheitsrat die Resolution 687. Mit ihr wurde eine UN-Spezialkommission beauftragt, alle chemischen und biologischen Waffen des Irak zu zerstören, ebenso alle Raketen mit mehr als 150 km Reichweite. Zusätzlich sollten sämtliche diesbezüglichen Reparatur- und Produktionseinrichtungen überwacht werden (SZ, 31.10.97). Zum ersten Leiter der Kommission wurde der schwedische Jurist Rolf Ekeus ernannt.

Seit sieben Jahren nun schon kontrollieren UN-Inspekteure rund 700 irakische Militäranlagen und sorgen für deren Zerstörung. Zu Zwischenfällen kam es in etwa sechs Fällen. In ihren Berichten ist nachzulesen, „daß das irakische Potential an Massenvernichtungswaffen zerstört und die Möglichkeit zur Verschleierung nur noch gering sei“ (Le Monde Diplomatique, 12.12.97). Weil dem Washingtoner State Departement diese Aussagen zu weit gingen, wurde – laut Le Monde Diplomatique, 12.12.97 – unter der Leitung des vorletzten UNSCOM-Leiters, Rolf Ekeus, der Wortlaut dieser offiziellen UN-Berichte auf Drängen des US-Außenministeriums nachträglich verändert.

Im Juli 1995 gab Ekeus öffentlich bekannt, „daß die UNSCOM im Kontrast zu den B-Waffen die Bereiche der Langstreckenraketen und der chemischen Kampfstoffe recht gut im Griff habe und die wesentlichen Bestandteile der beiden Kapazitäten zerstört seien. Ekeus schrieb, die paar ungeklärten Punkte stellten sein Urteil nicht in Frage, wonach sich der Irak im wesentlichen den Abrüstungsauflagen der UNO füge“ (Neue Züricher Zeitung, 7.7.1995). Der Artikel der NZZ endete: „Die Vereinigten Staaten haben keine andere ebenso wirksame Methode zur Zurückbindung des Iraks; diese dient auch ihren vitalen Erdölinteressen im Golf. Deshalb dürften sie die Lockerung der Sanktionsschlinge so lange wie überhaupt möglich hinauszögern.“

Am 23.8.95 verbreitete die Nachrichtenagentur AP eine Meldung unter folgender Überschrift: „U.N. inspektor: Iraq no longer a threat“ (UN-Inspekteur: Irak keine Bedronung mehr). Unter Bezug auf genau diese Pressekonferenz in Amman titelte die FAZ am 24.8.95: „Spätes irakisches Geständnis: Raketen mit bakteriologischen Sprengköpfen bestückt“, und setzte damit einen komplett entgegengesetzten Akzent. Im kleingedruckten Text wurde erwähnt: „Der Irak habe seine Politik ‚um 180 Grad‘ geändert und sich nun verpflichtet, alle Resolutionen der Vereinten Nationen zum Waffenstillstand von 1991 zu erfüllen, sagte Ekeus in Amman. (…) Die irakische Führung hatte ihm erklärt, ihre Politik sei von nun an eine ‚hundertprozentige Verwirklichung der Waffenstillstandsvereinbarungen‘ von 1991, berichtete Ekeus. Der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen, ‚alle Mitglieder ohne Ausnahme‘, sollten nun keine Chance mehr haben, die im nächsten Monat zur Entscheidung anstehende Aufhebung der Sanktionen zu verzögern, sagte Ekeus“ (FAZ, 24.8.95).

Die Einschätzung von Ekeus in Amman war umso erstaunlicher, als er nur kurze Zeit vorher von einem geheimen Rüstungsprogramm für biologische Waffen erfahren hatte. Der Schwiegersohn Saddam Husseins und Leiter des irakischen Rüstungsprogramms, Hussein Kamil Hassan, hatte Ekeus nach seinem Überlaufen nach Jordanien am 8.8.95 „über eine Million Blatt Akten“ (Der Spiegel, 4.9.95) Geheimmaterial übergeben, das die bis dahin unbekannte und verschwiegene Produktion biologischer Waffen enthielt.

Unter der Überschrift: „Am Rande einer Katastrophe“ schrieb „Der Spiegel“ am 4.9.95: „Mit der Enttarnung des Biowaffen-Arsenals, hofft Ekeus, sei nunmehr das letzte große Geheimnis irakischer Hochrüstung gelüftet.“ Dabei schloß er nicht aus, daß im Irak „auch jetzt noch viel verheimlicht wird“.

Im Juli 1997 wurde Ekeus von dem Australier Richard Butler abgelöst.

Butler gilt als enormer Beschleuniger der derzeitigen Krise, da er früh die Anwendung von Gewalt gegen den Irak rechtfertigte. Im US-amerikanischen Fernsehen erklärte er, Saddam Hussein sei in der Lage, seine Nachbarn zu bedrohen und wolle Führer der arabischen Welt werden. „Damit erklärte er nicht nur die von der UNSCOM in den letzten sieben Jahren geleistete Arbeit für null und nichtig, sondern ignorierte auch die Tatsache, daß die irakische Armee weitgehend zerschlagen ist und daß Saddam Hussein und seine Politik in fast allen arabischen Ländern sehr negativ gesehen wird“, stellte „Le Monde Diplomatique“ am 12.12.97 die Faktenlage klar.

Hauptstreitpunkt der letzten Monate war der überproportional hohe Anteil US-amerikanischer und britischer Inspekteure, denen Bagdad Spionage vorwirft. Im Londoner „The Independent“ vom 12.12.98 ist nachzulesen, daß UNSCOM- Inspekteure „often former intelligence officers“, also Geheimdienstagenten seien. In einem Brief vom 22.1.98 geht Butler sehr detailliert auf den Vorwurf des Irak ein, U 2-Überwachungsflüge seien eindeutig im US-amerikanischen Spionage- und nicht im UNSCOM-Interesse.

Seit Beginn der UNSCOM-Mission arbeitet auch eine deutsche Inspektorengruppe im Irak. „Natürlich hat auch der Bundesnachrichtendienst einen Mann nach Bagdad geschickt“, hat „Der Spiegel“ (2.2.98) erfahren. Mitte Januar ’98 berichtete der deutsche UN-Inspekteur Norbert Reinecke vor dem Landgericht in Darmstadt im Prozeß gegen die Firma „Harvel“ (Neu-Isenburg), angeklagt wegen illegaler Rüstungslieferungen in den Irak, seine Erfahrungen: „Auf Pumpen von Raketen-Startrampen sei ‚Made in Germany‘ zu lesen gewesen, in Büros irakischer Rüstungsfirmen hätten die Inspektoren deutschsprachige Pläne gefunden, und auf Druckluftbehältern für Militäranlagen seien deutsche TÜV-Stempel gefunden worden. In der internationalen Inspektorengruppe habe das zu so wenig erfreulichen Kommentaren geführt wie: ‚Wenn es um die Herstellung von Massenvernichtungswaffen geht, seid ihr Deutschen immer ganz vorn“, faßte Thomas Klein die Aussagen Reineckes zusammen (Junge Welt, 27.1.1998).