Seit sieben Jahren bedroht das UN-Handelsembargo weniger die Macht der Hussein-Regierung denn das Leben der irakischen Bevölkerung. Die Aufstandsversuche auch innerhalb des Irak von 1991 haben gezeigt, daß es keine damals oft unterstellte Identität von Bevölkerung und Regierung im Irak gibt. Doch Embargo und drohende Bomben bringen die Menschen nicht gegen Hussein, sondern gegen den Westen auf und lassen sie gerade näher an Hussein rücken.
Betroffen vom Embargo sind vor allem Kinder. Berichte von UN-Hilfsorganisationen und des Welternährungsprogramms der FAO zeigen, daß „gegenwärtig ungefähr eine Million Kinder an durch chronische Unterernährung hervorgerufenen Wachstumsschäden leiden“ und „diese konstante Verschlechterung langfristige Probleme schaffen wird, die mehrere Generationen betreffen würden.“ Und: „Die Kindersterblichkeitsrate ist zwischen 1990 und 1996 von 61 auf 117 pro tausend Geburten angestiegen. Der Mangel an Trinkwasser und geeigneten Medikamenten hat zu einem Wiederauftreten von Malaria und Typhus geführt. Nach vertrauenswürdigen Statistiken liegt die Zahl der Sterbefälle, die den Embargofolgen zugerechnet werden, bei 800 000, darunter 320 000 Kinder unter fünf Jahren.“ (Le Monde Diplomatique, 12.12.97)
Dennis Haliday, UN-Koordinator des Programms „Öl gegen Nahrung“, erklärte, daß das Programm nicht einmal 10 % des Benötigten an Nahrung und Medikamenten erbringe. Auch mit der vor der Krise anvisierten Verdoppelung des Programms könnte die kaputte Infrastruktur, die Krankenhäuser und die zerstörte Wirtschaft nicht wiederaufgebaut werden. Vor allem die zerstörte Wasserversorgung durch die Bomben im letzten Golfkrieg hat einen Anstieg der Typhus-Fälle von 1.819 im Jahre 1989 auf 24 436 1994 bewirkt. 50 % der Landbevölkerung hat keinen Zugang zu Trinkwasser, die meisten Kläranlagen der Städte sind bis heute zerstört (Nonviolence Web 2/98). Der Lebensalltag ist vom Kampf ums Überleben geprägt. Ein Kilo Fleisch kostet das halbe Monatsgehalt. Dabei haben viele Betriebe und Geschäfte mangels Kaufkraft der KundInnen zugemacht. Viele verdingen sich als Tagelöhner oder verkaufen auf den Märkten eigenes Hab und Gut. Die verarmten Menschen im Irak reagieren auf die angedrohten Bomben, die sie wieder einmal zum Aufstand gegen Hussein anstacheln sollen, nur noch apathisch. „Ein Putsch könnte blutiger werden als jedes amerikanische Bombardement“, fürchten viele, besonders diejenigen kurdischer oder schiitischer Herkunft. Und: „Nicht ein Militärschlag, sondern die Sanktionen bringen uns um.“ (taz, 14.2.98)