beilage: kein krieg am golf!

Krieg nach der „Schurken“-Doktrin

Hintergründe der US-Politik gegenüber dem Irak

Die US-Kriegsmaschinerie rüstet zu einem neuen Golfkrieg. Ziel ist die Vernichtung des sogenannten „Schurken“ (Rogue) Saddam Hussein und seines B- und C-Waffenpotentials. Mittel ist das Massenbombardement auf die irakische Zivilbevölkerung und Infrastruktur. Die Medien in den USA und allen anderen westlichen Ländern werden auf Kurs gebracht, die diplomatische Maschinerie läuft auf Hochtouren, nur um dann sagen zu können, alle friedlichen Mittel seien nun aber ausgeschöpft. In Wirklichkeit ist es diesmal noch ein Stück dreister als damals: kein Land wurde vom Irak überfallen, es liegt keine befürwortende Beschlußlage des UN- Sicherheitsrates für einen US-Angriff vor, kein Anlaß ist so geheuchelt wie die Behinderungen der UN- Kontrolleure. Schließlich würde niemand auf die Idee kommen oder wäre auch nur in der Lage, die USA zu bombardieren, weil Washington ABC-Waffen in unbekannten Mengen lagert. Im Mai 1997 wurde in den USA ein Gesetz verabschiedet, das dem Präsidenten ein Verbot jeglicher Inspektionen chemischer Anlagen in den USA erlaubt (Nonviolence Web, 2/98). Daß ein Militärdiktator wie Saddam Hussein dazu bereit ist, chemische Waffen einzusetzen, hat er oft genug bewiesen, bisher immer gegen die eigene Bevölkerung: 1988 bei der Bombardierung der Stadt Halabja, 1991 beim Krieg gegen KurdInnen und SchiitInnen (Napalm). Doch die US- Bombardierung stellt eher eine Identität zwischen Regierenden und Regierten im Irak her. Wenn Hussein B- und C- Waffen gegen Israel einsetzt, dann allenfalls in einer für ihn verzweifelten Situation, in der er sich in die Enge getrieben fühlt. Schon deshalb und weil es uns vor dem Hintergrund der Shoah und der damit verbundenen Entstehungsgeschichte Israels auf keinen Fall gleichgültig lassen darf, wenn die israelische Bevölkerung sich vor Gasangriffen schützen muß, zudem erbaut mit Hilfe der deutschen Giftgas-Connection im Irak – kann die radikal-antimilitaristische Haltung nur lauten: Kein Krieg am Golf! Kein Bombardement! Aufhebung des Embargos! Wiederaufnahme, Fortsetzung und Erweiterung des Friedensprozesses in Israel und Palästina! Hierzulande steht die große Koalition aus Kohl, Scharping, Kinkel und Rühe schon Gewehr bei Fuß, bietet „logistische“ Unterstützung an und wartet nur auf den Ruf an die Bundeswehr, die gestern noch rechtsextrem war und morgen schon wieder „Friedenstruppe“ genannt werden soll.

Die USA und ihre „Schurken“-Doktrin

Der letzte Golfkrieg und das anschließende Embargo haben unterschiedlichen Schätzungen zufolge zwischen 300 000 und 1 Mio. Tote gefordert. Unmittelbar nach dem Krieg sprach die UN davon, der Irak sei in das vorindustrielle Zeitalter zurückgebombt worden. Diktator Hussein hat der zweite Golfkrieg, wie wir heute sehen, nicht geschadet, den Menschen im Irak umso mehr. Es gibt überhaupt keinen Grund anzunehmen, daß das diesmal anders werden wird.

Die US-Regierung mißt bei ihren Militärschlägen im Golf beständig mit zweierlei Maß: sie selbst hat das größte Arsenal von ABC-Waffen auf der ganzen Welt. Schon daran kann man/frau sehen, daß das Kriegsmotiv nicht der Besitz solcher Massenvernichtungswaffen ist, sondern die Frage, ob die Interessen der solche Waffen Besitzenden demjenigen der USA entgegenstehen. Die irakische Regierung wird als „unberechenbar“ dargestellt, aber ist die US-Kriegspolitik etwa nicht unberechenbar? Was ist mit den Napalmbomben in Vietnam, der Unterstützung des indonesischen Völkermords auf Osttimor, der Panama-Invasion mit der Begründung, dort einen „Schurken“ fangen zu wollen? Der Irak soll seine Waffenarsenale untersuchen lassen, wer untersucht die Waffenarsenale der USA?

Parallel zum Abbau und Ende des Ost-West-Konflikts und des Feindbilds Sowjetunion hat das Pentagon, angefangen mit den Bombardierungen Libyens in den 80er Jahren, eine neue Militärdoktrin aufgebaut: die „Rogue“-(Schurken)- Doktrin. 1993 sprach Clinton erstmals vor der UN davon, die Weiterverbreitung von ABC-Waffen an „nicht- demokratische“ Staaten zu stoppen. Vorher hatte der innere Zustand der Staaten keine Rolle gespielt, nun galt die historisch mehrfach widerlegte Politik-These des „liberalen Friedens“, daß nämlich Demokratien keine Kriege gegeneinander führen. Fortan konnten also von der US-Regierung „gute“ und „schlechte“ Staaten als Waffenbesitzer unterschieden werden. Für die US-Öffentlichkeit wurden populistische Vergleiche herangezogen: die Einstellung ist weit verbreitet, Waffenbesitz sei dann kein Problem, wenn die Waffen in Händen verantwortungsvoller US-BürgerInnen sind. Von nun an zirkulierten Listen, wer denn „Schurken“ seien. Iran und Irak waren zwar immer dabei, die Namen wechselten jedoch, bis 1996 Gary Seymour vom Nationalen Sicherheitsrat dreist und eindeutig erklärte: „Schurkenstaaten“ seien „Länder, die schlechte politische Beziehungen mit Washington haben.“ (FR, 4.2.98)

Innerkapitalistische Konkurrenz als US-Kriegsmotiv

Die Falken im Pentagon bedauern heute, daß sich die US-Armee beim Golfkrieg 1991 vom Einmarsch nach Bagdad abhalten ließ, obwohl die irakische Armee besiegt war. Erstens galt der US-Regierung ein zerfallender und womöglich islamistischer Irak als weniger willfährig denn ein domestizierter Hussein, zweitens fürchteten die Türkei bei Verschwinden Husseins einen unabhängigen KurdInnenstaat im Nordirak und Saudi-Arabien sowie Kuwait einen Anschluß des schiitischen irakischen Südostens an den Iran. Deshalb setzten sich alle drei Länder für die Aufrechterhaltung des Hussein-Regimes ein. Heute aber fühlt sich die Türkei militärisch stark genug, den kurdischen Norden zu kontrollieren und der Iran bemüht sich um die Normalisierung der Beziehungen zu Saudi-Arabien. Die USA wiederum mußten erkennen, daß sich Hussein nicht so willfährig verhielt wie gewünscht.

Durch das Embargo, die Nahrungsmittel- und Medikamentenknappheit, sind selbst nach UN-Angaben seit Ende 1990 jährlich ca. 100 000 Menschen umgekommen, vorwiegend Kinder (Nonviolence-Web 2/98). Seit 1996 darf der Irak sehr beschränkt Erdöl gegen Nahrungsmittel und Medikamente aus- bzw. einführen. Vom Erlös müssen noch die Kosten für die UN-InspektorInnen und Reparationszahlungen für den letzten Golfkrieg abgezogen werden. Die Abschläge für die Versorgung der kurdischen Gebiete kontrolliert die UN. Unabhängige BeobachterInnen aus der Friedensbewegung schätzen, daß das irakische Regime schon aus Interesse am Machterhalt tatsächlich Erlösgelder für Nahrung und Medikamente einsetzen wird (vgl. z.B. Versöhnungsbund: Info zur Golfkrise 98). Noch vor wenigen Monaten war angedeutet worden, daß die Sanktionen für den Irak weiter gelockert werden sollten, weil erstens schon viele Waffenarsenale vernichtet worden waren (vgl. FR 14.2.98) und zweitens Mächte wie Frankreich, China, Rußland und Kanada sich in Vorverträgen mit dem Irak das Recht zur zukünftigen Ausbeutung irakischer Ölfelder gesichert haben. Großbritannien und die USA als Hauptfeinde aus dem letzten Golfkrieg würden aber mittelfristig keine Geschäfte mit der irakischen Regierung mehr machen können. „Auch Deutschland, das die amerikanische Haltung unterstützt, wird sich im Irak nicht weiter um Aufträge bemühen müssen: Saddam Hussein hat für die Zukunft auch deutsche Unternehmen – vor dem Krieg die wichtigsten Partner des Irak – von der Auftragsvergabe grundsätzlich ausgeschlossen.“ (FAZ, 10.2.98)

In einer Pressekonferenz am 14.11.97 hat Clinton daraufhin als neues Ziel der US-Außenpolitik formuliert: falls Hussein nicht abgesetzt werde, bleibe das Embargo „bis ans Ende aller Zeiten“ bestehen. Damit ist das Ziel der US-Politik, der Sturz des „Schurken“ festgeschrieben worden. Derart mit dem Rücken zur Wand getrieben, entschloß sich Hussein Ende 1997 zur Flucht nach vorn und forderte das Ende der Inspektionen bis Mai 98.

Seither läuft die „Schurken“-Propaganda der US-Medien auf Hochtouren. Vergessen wird dabei immer wieder, daß die irakische Regierung durch westliche Waffenhilfe überhaupt erst ihre Machtposition aufbauen konnte und im Interesse des Westens und der arabischen Nachbarstaaten in den 80er Jahren den Krieg gegen den Iran geführt hat. Hussein galt dem kapitalistischen Westen damals als „Gemäßigter“. Dies änderte sich beim zweiten Golfkrieg schlagartig, plötzlich wurde er als „Wiedergänger Hitlers“ gehandelt.

Die Antikriegsbewegung gegen den zweiten Golfkrieg war wegen ihres von der US-Friedensbewegung übernommenen Slogans „Kein Blut für Öl!“ hierzulande heftig kritisiert worden. Brent Scowcroft, Sicherheitsberater unter Bush, räumte 1996 ein, „daß der wahre Grund für den Krieg natürlich das Öl gewesen sei.“ (FR, 18.1.96) Heute geht es um die Ausschaltung innerkapitalistischer Konkurrenz im zukünftigen Ölhandel mit einem weniger oder nicht mehr sanktionierten Irak. Deshalb stehen die USA und Großbritannien in ihrem Bemühen um Bündnispartner so alleine da und wollen die BRD über die verstärkte Rolle, die die NATO zukünftig spielen soll, politisch-militärisch einbinden. Es sind genau die Staaten, die in den Vorverträgen Husseins über zukünftigen Ölhandel nach Aufhebung des Embargos leer ausgingen, während Frankreich, Rußland oder China lukrative Geschäfte zu erwarten haben. Der einzigen Weltmacht USA tut das keinen Abbruch. Clinton hat angekündigt, notfalls auch im Alleingang loszuschlagen.