Janet Biehl: Der libertäre Kommunalismus. Die politische Praxis der Sozialökologie. Trotzdem-Verlag, Grafenau 1998, 168 S., 26 DM
Während alle Welt über „Nachhaltigkeit“ und lokale Agenda diskutiert – ob nun in überschwenglicher Begeisterung oder grundsätzlicher Ablehnung – legt der Trotzdem-Verlag nur ein Jahr nach Erscheinen des amerikanischen Originals die deutsche Übersetzung von Janet Biehl’s zusammenfassender Betrachtung der libertären Alternative zur Nachhaltigkeit vor. Damit werden – hoffentlich – die vor allem von Murray Bookchin entwickelten Vorstellungen der „Sozialökologie“ und des libertären Kommunalismus einem breiteren LeserInnenkreis zugänglich, ist es doch nicht immer leicht, sich durch Bookchin-Texte durchzubeißen.
Mit Janet Biehl fällt das nun wesentlich leichter, doch bringt ihre kurze und leicht verständliche Zusammenfassung natürlich mit sich, daß manches doch sehr holzschnittartig daherkommt. Doch bietet sich bei Interesse an einer Vertiefung ja immer noch die Lektüre der wichtigsten Werke Bookchins an, allen voran wohl von „Die Agonie der Stadt“, 1996 ebenfalls im Trotzdem-Verlag erschienen.
In 15 Kapiteln faßt Biehl nicht nur die Grundlagen des Libertären Kommunalismus zusammen – von der Abgrenzung zwischen Politik und Staatsraison über einen Abriß der Geschichte kommunaler Demokratie bis hin zu Föderalismus und Kommunalisierung der Wirtschaft – sondern versucht auch, Anregungen für die Politik und Strategie einer kommunalistischen Bewegung zu geben.
Gerade dieser Teil dürfte für Kontroversen gut sein, schlägt Biehl doch mit Bookchin die Beteiligung an Wahlen auf kommunaler Ebene vor und gar die Kandidatur für das BürgermeisterInnenamt. Ich wage jedoch zu Bezweifeln, daß libertär-kommunalistische Stadtratsabgeordnete oder gar BürgermeisterInnen wirklich zum Aufbau einer kommunalen Gegenmacht gegen den Staat beitragen können. daß sie dazu in der Lage wären, die real-existierenden Kommunen mit ihren Verwaltungen der Sphäre der Staatsraison zu entreißen und in das Reich der Politik zurückzuholen.
Ich weiß zu wenig über das amerikanische Kommunalsystem, um Biehl hier konkret etwas entgegensetzen zu können. Für sinnvoller würde ich es daher halten, diese Diskussion sachlich für den hiesigen Raum zu führen. Und da bleibt für mich bei den real existierenden Kommunen wenig Spielraum. Sie sind ja noch nicht einmal in der Lage, sich ihre eigene Kommunalverfassung zu geben, ist doch die „Gemeindeordnung“ in der Regel Ländersache. Und auch eine eigenständige Steuerpolitik ist ihnen – von der Gewerbesteuer abgesehen – nicht möglich, wie spätestens das Urteil des Bundesverfassungsgerichts zur Verfassungswidrigkeit einer kommunalen Abfallsteuer gezeigt haben dürfte.
Die real-existierenden Kommunen in Deutschland sind daher viel zu sehr Handlanger des Staates (die Kommunalverwaltungen sind zu mehr als 50% mit der „bürgernahen“ Umsetzung staatlicher Gesetze und Verordnungen beschäftigt – genau das ist übrigens auch Motivation der Lokalen Agenda 21), als daß ihre Institutionen zum Aufbau einer „dualen Macht“, mit der dem Staat die Macht streitig gemacht werden soll, taugen würden. Es geht dabei auch gar nicht um die Grundsatzfrage, ob eine Wahlteilnahme überhaupt statthaft ist – schon Landauer hat, wenn überhaupt, dann auf kommunaler Ebene ein Verständnis für eine solche gehabt – sondern um eine realistische Einschätzung der Möglichkeiten kommunaler Politik.
Es ist schade, daß es dem Trotzdem-Verlag nicht möglich war, eine Diskussion darüber in Gang zu bringen. So bleibt auch bei diesem Buch der Mangel der bisherigen Veröffentlichungen zu diesem Thema bestehen: es fehlt der Versuch, einen Bezug zur Situation hierzulande herzustellen.
Trotz dieser Kritikpunkte ist dem Buch eine weitere Verbreitung zu wünschen, gerade über die üblichen libertären Zirkel hinaus. Denn eine libertäre Perspektive tut Not, und einig bin ich mit Janet Biehl, daß eine solche zu einem großen Teil bei der Kommune ansetzen muß.