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Schwules Gejammer

Eike Stedefeldts Lamentieren über das Fehlen einer radikalen Schwulenbewegung

| Andreas Speck

Eike Stedefeldt: Schwule Macht oder Die Emanzipation von der Emanzipation. Antifa Edition, Elefanten Press Verlag, Berlin 1998, 224 S., 29,80 DM

Gerhard Schröder (SPD) verspricht im Wahlkampf die Einführung eines Rechtsinstituts für schwule/lesbische PartnerInnenschaften, um somit die schwul/lesbischen WählerInnen zu gewinnen. Ebenfalls kurz vor der Wahl hat das rot-grüne Hamburg als rein symbolischen Akt die standesamtliche Eintragung homosexueller PartnerInnenschaften – ohne jede rechtliche Bedeutung – eingeführt. Alles klar also mit der Gleichstellung von Lesben und Schwulen?

Dem ist natürlich nicht so, und das liegt nicht so sehr an der fehlenden Möglichkeit einer „Homo-Ehe“. Dennoch ist eine radikale Schwulenbewegung nicht in Sicht, was es dem bürgerlichen Schwulenverband in Deutschland (SVD) ermöglicht, für die nicht mehr präsente Bewegung zu sprechen und diese für eine bürgerliche Gleichstellungspolitik zu vereinnahmen.

Eike Stedefeldt zeigt diesen Prozeß auf 222 Seiten durchaus detailliert und mit Insiderblick auf. Deutlich wird dabei, wie letztlich durch Einsatz von Macht und Beziehungen emanzipative Ansätze zurückgedrängt wurden, und die Kommerzialisierung der Schwulenszene nutzbar gemacht wurde für die Durchsetzung einer Gleichstellungspolitik, die es sich in der bestehenden Gesellschaft bequem macht. Ob es nun um die „Homo-Ehe“ geht, um Schwule im Militär, oder um die Entpolitisierung des Christopher Street Day – mit der Durchsetzung bürgerlicher Gleichstellungskonzepte geht eine Anpassung an den gesellschaftlichen (heterosexuellen) Mainstream und eine Kommerzialisierung einher.

In der Kritik an diesem Prozeß kann ich Eike Stedefeldt daher nur zustimmen, dennoch fehlt mir vieles in seinem Buch. Während sich Stedefeldt in der Kritik am SVD und dessen „Machern“ (insbesondere Volker Beck) in Details verliert (und nicht immer deutlich durchblicken läßt, daß er selbst an manchen Auseinandersetzungen auf der Verliererseite beteiligt war), bleibt er dennoch viel zu oberflächlich in der Analyse. Bei der Lektüre seines Buches scheint es einem fast so, als ginge die Misere einer radikalen Schwulenbewegung allein auf das Konto des bösen SVD, der hier für nahezu alles verantwortlich gemacht wird.

Eine radikale Schwulenpolitik, die sich in der Kritik an bürgerlichen Ansätzen erschöpft und ansonsten den alten Zeiten nachtrauert, in denen die Gleichung „schwul = links“ noch galt, ansonsten aber keine politische Handlungsperspektive anzubieten hat, braucht sich aber nicht zu wundern, daß sie zur Bedeutungslosigkeit geschrumpft ist. Vielleicht ist es das Tragische am Erfolg der radikalen Schwulenbewegung der 70er Jahre, daß sie den bürgerlichen Schwulen das Coming Out ermöglicht hat, und dadurch gleichzeitig in der Bewegung in die Minderheit geraten ist.

Wie jedoch mit dieser Tragik konstruktiv umgegangen werden kann, wie eine emanzipatorische Schwulenpolitik auszusehen hat, der es nicht um die Teilhabe an den Fleischtöpfen des Patriarchats geht, dazu kann auch Stedefeldt nicht mehr als Allgemeinplätze anbieten. Mehr als die Selbstbestätigung frustrierter und perspektivloser linker Schwuler hat das Buch daher leider nicht zu bieten. Schade eigentlich.