ökologie

Widerstand gegen Flughafenausbau?

Im Rhein-Main-Gebiet bilden sich viele BürgerInneninitiativen gegen Landebahn Nord

| Red. Süd

Der Massenwiderstand gegen die Startbahn 18 West in den Jahren 1979 bis 1987 mit den Höhepunkten 1980-82 war eine der größten sozialen Bewegungen in der Geschichte der West-BRD. Nun soll mit der Landebahn Nord erneut eine Ausweitung des Frankfurter Flughafens durchgesetzt werden. Und wieder gründen sich BürgerInneninitiativen. Neben aktuellen Informationen werden wir in einer der nächsten Ausgaben auch einen Blick auf die Geschichte der Startbahnbewegung werfen, denn nichts ist notwendiger, als aus den Fehlern von damals zu lernen, sollte es erneut zu größeren Protesten kommen. (Red.)

An einem der symbolträchtigsten Orte sozialer Bewegungen der letzten Jahrzehnte, dem Frankfurter Rhein-Main- Flughaften, könnte es zu neuerlichen Auseinandersetzungen kommen. Jedenfalls bilden sich derzeit immer wieder neue BürgerInneninitiativen gegen die geplante Flughafenerweiterung, insbesondere eine „Landebahn Nord“, die von der zu gleichen Teilen dem Bund, dem Land Hessen und der Stadt Frankfurt/M. gehörenden „Flughafenaktiengesellschaft (FAG)“ gefordert wird. Erst Anfang Oktober haben sich im Frankfurter Stadtteil Niederrad 160 Menschen an der Gründung einer neuerlichen BI beteiligt. Begonnen hat der jüngste Protest bereits im März diesen Jahres, als sich auf Initiative der BI Mörfelden-Walldorf 14 Initiativen zum „Bündnis der Bürgerinitiativen gegen die Flughafenerweiterung – für ein Nachtflugverbot“ zusammengeschlossen haben.

Die Ausbaupläne

Seit dem Bau der Startbahn West und deren Inbetriebnahme 1984, und seit der repressiven Befriedung der Startbahn- Bewegung nach den Schüssen 1987, bei denen aus den DemonstrantInnen heraus zwei Polizisten getötet wurden, ist der Flughaften Frankfurt-Rhein-Main beständig erweitert worden (Terminal 2 im Norden, Frachtumschlagszentrum im Süden). Derzeit sprechen die BetreiberInnen von einer jährlichen Zunahme der Fluggäste um 6 Prozent. 1997 wurden allein auf diesem Flughafen 40 Mio. Passagiere abgefertigt. Die auf gegenwärtig drei Flugzeugbahnen möglichen 74 Starts und Landungen in der Stunde reichten angeblich bei weitem nicht aus, Bedarf gebe es für 104 Starts und Landungen in Spitzenzeiten.

Auf dem Flughafen wird derzeit der Flugsteig A massiv ausgebaut, so daß ab dem Jahr 2000 12 weitere Flugzeuge auf einer 510 Meter langen zusätzlichen Anlegestelle eindocken können (siehe Skizze). Eine Koordination dieses Kapazitätenausbaus im Innern mit der geforderten zusätzlichen Landebahn wird von den BetreiberInnen bestritten, ist aber offensichtlich.

Nach der parallelen Diskussion verschiedener äußerer Erweiterungspläne für eine vierte Start- oder Landebahn scheint sich in den letzten Wochen alles auf eine Landebahn Nord zuzuspitzen. Im Norden des Flughafens aber gibt es eine der letzten zusammenhängenden Waldflächen Frankfurts, das Gebiet ist zugleich Bannwald (steht als solcher unter Naturschutz), Trinkwasserschutzgebiet und Teil des angeblichen Grüngürtels der Stadt. Nicht nur ökologische und wasserpolitische Beeinträchtigungen hätten die anliegenden BewohnerInnen hinzunehmen, sondern auch Lärm- und Nachtflugbelästigungen.

Da in den BürgerInneninitiativen neben vielen neuen Beteiligten auch einige alte Hasen aus Startbahnbewegungszeiten mitmachen, ist das politische Bewußtsein recht hoch. Thematisiert werden deshalb nicht nur ökologische Probleme, sondern der größte Flughafen Europas steht auch materiell und symbolisch für den gesamten militärisch-industriellen Komplex des kapitalistischen Systems: die unmittelbare Nähe zur US-Air-Base im Süden und zu weiteren Militärflughäfen (Wiesbaden-Erbenheim) verweist auf die militärische Nachschubbasis der NATO, die etwa im Golfkrieg 1991 ungeheuer wichtig war. Die BRD und damit ihre zivilen Einrichtungen sind seit 1982 durch das „Wartime Host Nation Support“-Abkommen zu Aufbau und Bereitstellung von „Unterstützungseinrichtungen“ verpflichtet, was nur heißen kann, daß zivile Flugzeugbahnen im Kriegsfall auch militärisch genutzt werden. Der ständige Ausbau der Fracht- und Kommunikationsstruktur des Flughafens erweitert zudem die internationale kapitalistische Arbeitsteilung, d.h. die Koordination und Auslagerung von Produktionsteilen in Billiglohnländer. Das kapitalistische System der BRD basiert auf hoher Exportfähigkeit und ständigem Wachstum. Um das alles reibungslos am Laufen zu halten, ist die Kapazitätserweiterung von Großflughäfen unabdingbar. Und schließlich ist der Flughafen gleichzeitig eine ins Landesinnere verlegte Grenze, an der Flüchtlinge und Menschen ohne gültigen Paß nach den neuen Asylgesetzen entweder sofort in Drittländer oder nach unglaublich rassistischen Schnellverfahren, in denen nur entschieden wird, ob die Person überhaupt im Asylverfahren zugelassen wird, auch in Folterstaaten abgeschoben werden. Das alles muß und wird bereits in Ansätzen bei der Auseinandersetzung um den Flughafenausbau thematisiert.

Mediation als neue Waffe der Herrschenden

Die BetreiberInnen wissen um die Brisanz einer neuen Landebahn – und die damalige Startbahnbewegung ist auch ihnen noch gut und unwohl zugleich im Gedächtnis. Es wird daher alles versucht, um den Konflikt bereits im Vorfeld zu kanalisieren, Radikalisierungsmöglichkeiten vorherzusehen und Protestpotentiale präventiv zu befrieden. Beliebtes Mittel dazu ist das auch von einigen ehemaligen BewegungsaktivistInnen mit Sympathie betrachtete Verfahren der „Mediation“. Am Beispiel solcher Großprojekte zeigt sich beispielhaft, wie das Mediationsverfahren von Herrschenden instrumentalisiert und zu deren Waffe werden kann.

Vorbild ist das Mediationsverfahren beim geplanten Großflughafen Berlin-Brandenburg, bei dem noch Anfang 1995 Hunderte von Personen an einen Tisch geholt wurden. Das Spektrum reichte dort von UmweltaktivistInnen der Verbände (BUND usw.) bis zu Flughafeninvestoren. Das Land Brandenburg ließ sich das was kosten: 500 000 DM im Jahr, einen großen Teil davon streichte die professionelle Oldenburger Firma „Mediator – Zentrum für Umweltkonfliktforschung und -management GmbH“ ein – dabei sollte recht besehen allein so ein Name schon Anlaß für drastische Mittelkürzungen sein. Ziel war eindeutig die Vermittlung und Durchsetzung des Projekts bei gleichzeitiger Minimierung des Protests oder gar Widerstandes. Noch im selben Jahr haben die Brandenburger Umweltgruppen das Berliner Mediationsverfahren verlassen, weil sie keinen faulen Kompromiß verantworten wollten. Sofort wurden sie von Mediator-Geschäftsführer Thomas Barbian als verantwortungslos diffamiert. Überhaupt wird in diesen Mediationsverfahren die Gewaltfrage ganz neu definiert: gewaltfrei ist nicht länger, wer etwa bei direkten Aktionen keine Gewalt anwendet, sondern nur noch, wer am Mediationsverfahren teilnimmt. Gewaltfreie Aktion wird so auf Gesprächsbereitschaft reduziert und damit völlig entpolitisiert. Alle NichtmitmacherInnen sind pauschal GewalttäterInnen. So habe man bei Mediaton „Krawallos und Null-Bock-Leute“ noch nicht erreichen können, meint Barbian und ist mit diffamierenden Begriffen schnell bei der Hand. Auch das Ziel der Mediation am Berliner Großflughafen ist interessant und überdies äußerst engstirnig und interessegeleitet: wenn „Gewalt am Flughaftenzaun“ – was immer das sein mag – vorkommt, meint Barbian, sei das gleichbedeutend mit dem Scheitern der Mediation, wenn aber „Eskalation“ vermieden wird, dann „gibt es einen gewaltigen Schub für die Mediation“ (Barbian in taz, 10.5.95). Die Alimentierung der eigenen Organisation und des eigenen Konzepts ist also das eigentliche Ziel der Mediationskaste, bisher im Falle Berlin recht erfolgreich, denn von wirksamen Protesten gegen das Projekt Großflughafen war nichts zu hören.

In Frankfurt/M. haben Ministerpräsident Eichel (SPD) und die drei Mediatoren zu Beginn der Mediationsrunden die „absolute Gleichbehandlung“ aller Beteiligten „unmißverständlich zugesichert“, so ein Regierungssprecher. Doch Frank Niethammer, einer der Mediatoren und interessanterweise gleichzeitig Präsident der „Internationalen Handelskammer“ – also wohl kaum neutral, wie es die Mediation eigentlich fordert -, hat sich bereits eindeutig pro Ausbau geäußert. Daher haben die Naturschutzverbände Anfang Oktober 1998 und auch das Bündnis der BürgerInneninitiativen Ende September 1998 endgültig entschieden, nicht am Mediationsverfahren teilzunehmen. Das Ergebnis sei von Anfang an nicht offen gewesen, so BI-Sprecher Martin Kessel, es solle nur über das „Wie des Ausbaus“ gesprochen werden. Auch hier zeigt sich der völlige Bankrott des Mediationsansatzes in der politischen Praxis. Es wird sofort zum Mittel der Instrumentalisierung: denn nun sind die NichtmitmacherInnen die Schuldigen. Regierungssprecher Schmidt-Deguelle sagte auf die Austrittserklärungen direkt, das Beratungsverfahren werde dadurch weder „beeinträchtigt noch behindert“ und meinte, es sei doch inkonseqent, wenn die BürgerInneninitiativen und Verbände jahrelang mehr Bürgerbeteiligung forderten und nun, wo sie geboten werde, nicht mitmachten. Bei den Stadtverwaltungen gibt es derzeit unterschiedliche Entscheide, am Mediationsverfahren teilzunehmen. Während die Stadt Hofheim eine Beteiligung ablehnte, hat die Stadt Darmstadt erst am 14.10.98 ihre Beteiligung am Mediationsverfahren erklärt.

Die heiße Phase wird wohl erst nach der kommenden Landtagswahl in Hessen beginnen. Es bleibt zu hoffen, daß bis dahin das Mediationsverfahren Schiffbruch erlitten hat und sich der Protest auch stärker als bisher auf der Straße oder im Wald manifestiert. Einzelne Sonntagsspaziergänge haben bereits stattgefunden.

Literatur

Berichte zur alten Startbahnbewegung in der GWR finden sich in Nr. 59, 61, 63, 64, 98, 122, 126, 131, 134 und 155. Wir werden sie in einem Artikel in einer der nächsten GWRs noch einmal aufbereiten.

Burkhard Straßmann: Großversuch in Sachen Streitkultur. "Mediator": eine kleine Oldenburger Firma will den großen Streit um den Berliner Großflughafen entschärfen, taz, 10.4.1995, S.22.

Michael Wilk: Flughafen Rhein-Main, in: Schwarzer Faden Nr. 64, 2/89, S.18-23.

Aktuelle Meldungen in der Frankfurter Rundschau, Frankfurt/Hessen-Teil, vom 24.9., 28.9., 29.9., 9.10., 10.10., 14.10., 16.10.1998.

Kontakt

BI-Bündnis & BI Mörfelden-Walldorf
c/o Martin Kessel (BI-Sprecher)
Taunusstraße
64546 Mörfelden-Walldorf
Tel: 06105/76970 oder 0177/3222979
Fax: 06105/7436
oder Jens Henrich, Tel: 069/358464

BI Niederrad
Paul-Gerhardt-Gemeinde
Gerauer Straße 52
60528 Frankfurt/M.
Tel: 069/6662349
oder Benno Mayer, Tel: 069/6667588