Auch wenn der Bombenangriff auf den Irak eine Aktion der USA und Großbritanniens war, so ist die rot-grüne Bundesregierung dennoch nicht außen vor. Die Analyse eines Eiertanzes zur Verwirrung der Öffentlichkeit. (Red.)
Jetzt flogen also die befürchteten Bomben auf die Menschen im Irak! Die Regierungen der USA und Großbritanniens haben skrupellos Menschen auf dem Gewissen, für politische Interessen, die nicht einmal einem guten Teil der Medien in der ganzen Welt einsichtig sind. Im Gegensatz zum Golfkrieg 1991 hat sich die Mediensituation für die alliierten Bomber-Regierungen gewandelt. Die US-Regierung und ihr Adlatus Tony Blair sehen sich weltweit einer anderen Grundstimmung gegenüber, der Bombenkrieg wird kritischer gesehen. Das läßt Hoffnung aufkeimen. Doch Vorsicht! Auch die Reaktion der Bevölkerungen insbesondere in den arabischen Staaten und in Europa / Deutschland ist ebenso eine gänzlich andere als zu Golfkriegszeiten. Es gehen keine Massen auf die Straßen, um gegen die Luftangriffe zu demonstrieren. Die Situation in Deutschland ist symptomatisch: In vielen Städten gab es Demonstrationen, im übrigen sehr viel mehr als über die Medien gemeldet wurde, aber es waren meist nur zwei- bis dreistellige Zahlen von DemonstrantInnen. (Weiter hierzu vgl. den Artikel „Barbarischer Bombenterror“)
Die neue Bundesregierung: Volle Unterstützung für den Bombenkrieg
Viele Menschen sind derzeit noch verwundert und verärgert über die Reaktionen der neuen rot-grünen Bundesregierung zu den Luftangriffen gegen den Irak. Um aufzuzeigen, daß die neue Bundesregierung die Luftbombardements offen unterstützte, werde ich im folgenden Aussagen der Regierenden und beispielhaft von Parteivertreter/innen genau zitieren:
Zu Beginn der Angriffe gab es noch eine Erklärung des Regierungssprechers Uwe-Karten Heye, der die Bombardements bedauerte. („Die Bundesregierung bedauert, daß es angesichts der Haltung der irakischen Führung nun zur Anwendung von militärischen Maßnahmen kommen mußte. Sie hofft, daß die militärischen Aktionen so schnell wie möglich beendet werden können.“) Dann erklärte Bundeskanzler Gerhard Schröder ausgerechnet bei der Einführung des neuen BND-Präsidenten: „Die Anwendung militärischer Gewalt ist die Folge der beharrlichen Weigerung Saddam Husseins, mit den UNO- Waffeninspektoren zusammenzuarbeiten. … Unsere Solidarität mit unseren Bündnispartnern, den Vereinigten Staaten und Großbritannien, steht außer Frage.“ Anfangs war vom neuen Außenminister Joschka Fischer nichts zu hören, später erklärte er: „Die internationale Staatengemeinschaft hat das Verhalten von Saddam Hussein nicht länger hinnehmen können. Damit trägt ausschließlich er die Verantwortung für die Reaktion der internationalen Staatengemeinschaft. Deutschlands Solidarität gilt den Vereinten Nationen und unseren Bündnispartnern, eine Solidarität, die außer Frage steht.“ Rudolf Scharping stellte sich ebenfalls voll hinter die anglo-amerikanischen Bomben: „Die Bundesregierung hat klar gesagt, daß sie das Vorgehen der USA politisch unterstützt. Saddam Hussein muß in voller Übereinstimmung mit den UN-Resolutionen handeln. Das hat er nicht getan, und deshalb ist seine Verantwortung uneingeschränkt, auch für die militärischen Maßnahmen, die erforderlich sind.“ Auf den Internetseiten der Bundesregierung werden die Stellungnahmen der beiden obersten Kriegsherren Bill Clinton und Tony Blair wiedergegeben.
Die neue Bundesregierung unterstütze also offen den Kriegskurs der USA und Großbritanniens. Die neue Bundesregierung machte sich damit zum Lakaien der imperialen Politik der USA.
Die Parteien der Bundesregierung: Rot und Grün ambivalent für die Luftangriffe
Während die Bomben fielen und Menschen im Irak starben, schwiegen viele FunktionärInnen und Parteimitglieder der regierenden Parteien, ihre Bundesregierung war „solidarisch“ kriegerisch, also Augen zu und durch. Nur wenige wagten es, mit eigenen Positionen herauszugehen. Dabei zeigte sich ein – in einem bestimmten Rahmen – deutlich aufgefächertes Spektrum von Positionen in den Parteien der neuen Regierung:
Einerseits – Andererseits
Auf der einen Seite sprachen sich relevante Mitglieder der SPD-Regierungsfraktion wie Hans-Ulrich Klose, der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses des Bundestages, und Helmut Wieczorek, der Vorsitzende des Verteidigungsausschusses, für eine logistische Unterstützung der Militäraktionen der USA und Großbritanniens durch die deutsche Regierung aus. Das hätte nicht nur die umfassende Nutzung der US- amerikanischen militärischen Infrastruktur in Deutschland (u.a. Airbase Frankfurt, Airbase Ramstein u.a.), sondern auch direkte militärische Hilfe durch die Bundeswehr, beispielsweise durch Aufklärungs-Tornados bedeutet. Die Bombardements seien so Wieczorek, „nicht nur verständlich, sondern erforderlich“.
Nach dem Bekenntnis zur „Solidarität mit unseren Verbündeten“ und der (alleinigen) Schuldzuweisung an Saddam Hussein folgte dann auch innerhalb der Regierungsfraktionen doch Kritik an den Luftschlägen gegen den Irak: Angelika Beer von Bündnis 90 / Die Grünen bezeichnete die Bombenabwürfe am 17.12. zuerst als „riskant, aber verständlich“. Sie kritisierte, daß es „kein UNO-Mandat für die Operation“ gebe und bezeichnete den Einsatz als „unverhältnismäßig“. Tags darauf wurde ihre Kritik deutlicher: „Die Strategie der militärischen Abschreckung ist an der Unberechenbarkeit Saddam Husseins gescheitert“. Sie appellierte an die USA und die Briten, die Luftangriffe nicht fortzusetzen. Die UNO sei durch die USA massiv geschwächt worden. Die Frage sei jetzt, ob es gelinge, das Gewaltmonopol wieder zurück an die UN zu geben oder ob man dem „Weltpolizist Amerika mit einigen Hilfssheriffs“ gestatte, die Welt in Ordnung zu halten. Das ganze Dilemma grüner Außenpolitik zeigte sich in der Stellungnahme von Helmut Lippelt: „Wir sind nicht überzeugt von der Richtigkeit der Lösung dieses Problems. Man muß doch sagen dürfen, dieses Problem ist so nicht lösbar.“
Gernot Erler, stellvertretender Vorsitzender der SPD-Fraktion meinte während des Bombenhagels, es gebe „neben der politischen Solidarität mit dem wichtigsten westlichen Bündnispartner“ doch „große Zweifel … über die tatsächlichen politischen Folgen dessen, was jetzt vorgeht, und die ausdrückliche Hoffnung darauf, daß jetzt schnellstmöglich die Rückkehr zur Politik gefunden wird“. „Das wird ja das Schwierigste. Es ist ja ziemlich leicht, solche Militäraktionen anzufangen, aber es ist nicht so leicht, sie wieder zu beenden. Der irakische Staatschef Saddam Hussein befindet sich in einer „No-win“-Situation. Ob er kooperativ ist oder nicht, Saddam und die irakische Öffentlichkeit haben den Eindruck, sie kommen nie aus den von den UN verhängten Sanktionen heraus, egal wie sie sich verhalten. Wir brauchen sicherlich einen politischen Ansatz, der sozusagen eine rationale Politik von Saddam wieder ermöglicht oder unterstützt, auch natürlich mit einer Möglichkeit der internationalen Gemeinschaft, sicher zu sein, daß er nicht neue Massenvernichtungsmittel zum Überfall von Nachbarn entwickelt.“
Neben diesen beiden Positionen sollen die kritische Stellungnahmen der stellvertretenden Juso-Vorsitzenden zum Irakkrieg sowie die Teilnahme mancher Jusos und Bündnisgrüner an Demonstrationen nicht unerwähnt bleiben.
Widersprüche verstärken – doch sie gehen nicht aus dem vorgegeben Rahmen heraus
Die zitieren und wiedergegeben Stellungnahmen zeigen meiner Ansicht nach einiges auf: Es taten sich deutliche Widersprüche auf in der rot-grünen Außenpolitik, dann als es konkret um die Unterstützung dieses imperialen Krieges der USA ging. Diese Widersprüche sind groß genug, daß es sich lohnt mit den unterschiedlichen Positionen politisch auseinanderzusetzen und sie nicht als monolithischen Block zu behandeln.
Zugleich wird deutlich, die Positionen wollen und dürfen sich nur im vorgegeben Rahmen der Koalitionsvereinbarung bewegen. Dort heißt es beispielsweise: „Die USA sind der wichtigste außereuropäische Partner Deutschlands. Die enge und freundschaftliche Beziehung zu den USA beruht auf gemeinsamen Werten und gemeinsamen Interessen.“
Quadratur des Kreises
Die Grundlinie des Kriegs gegen den Irak werden beispielsweise von Gernot Erler oder Angelika Beer auch erkannt, klar artikuliert und kritisiert. In meinen Worten: Es geht um das brutale menschenverachtende Agieren einer Regierung eines Staates, die sich mit ihren eigenen auch wirtschaftlichen Interessen zum militärischen Weltpolizisten erkoren hat. Politische Schlußfolgerungen, wie etwa die, auf Distanz zu gehen zur Brutalo-Politik der US-Regierung, das ist offensichtlich bei den Koalitionären nicht gewollt und/oder nicht erlaubt.
So versuchen kritischere Geister innerhalb der Regierungsparteien eine Politik, die einer Quadratur des Kreises gleichkommt: Auswirkungen vorsichtig kritisieren, zugleich aber Grundkomponenten anerkennen. Oder konkreter: Der neue Golfkrieg war vermutlich nur ein erster Anfang der neuen rücksichtslosen, kriegerischen Wirklichkeit der US- Außenpolitik. Die bisherigen Koordinaten der Weltpolitik haben sich verschoben, die neue Bundesregierung hat nur die Chance dem hinterherzuhecheln. Die Alternative, ein grundlegender Bruch mit dieser (neuen) US-Kriegs-Politik, ist offensichtlich nicht gewollt. So kommt es zu der Situation, daß die konkreten Ausformungen (neuen) US-Politik derzeit bei den neuen Regierenden und innerhalb ihren Parteien z.T. noch sehr schmerzhaft erlebt werden. Aber bald werden sie uns von den neuen Regierenden als unvermeidlich beschreiben werden. (vgl. „Rot-grüne Kriegspolitik“ in der GWR November 1998) Wir als neue soziale Bewegungen haben eine natürliche Alternative, nämlich Protest und Widerstand gegen die Militarisierung, die durch die neue NATO, die neue imperiale US-Politik und eben auch die neue Bundesregierung vorangetrieben werden. Wer sich derzeit (auch noch) bei den neuen Regierungsparteien verortet oder organisiert ist, muß spätestens jetzt seine Grundloyalitäten klären: Parteiloyal oder loyal gegenüber politischen Inhalten, wie Militär- oder Kriegskritik.