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Ein Jahr Wanderkirchenasyl

Hungerstreik kurdischer Flüchtlinge im besetzten grünen Landesbüro zur Unterstützung der Forderungen des Kirchenasyls

| Andreas Speck

Als am 21. Januar 1998 in der Kölner Antoniterkirche zwanzig kurdische Flüchtlinge eine auf vier Wochen angesetzte Protestaktion gegen Abschiebungen in die Türkei starteten, rechnete wohl niemand damit, das daraus das größte Kirchenasyl in der Geschichte der BRD hervorgehen würde. Mittlerweile befinden sich ca. 140 Flüchtlinge seit mehr als 1 Jahr "auf Wanderschaft” durch verschiedene Kirchengemeinden Nordrhein-Westfalens. (Red.)

Und ebenfalls seit mehr als einem Jahr stellt sich das nordrhein-westfälische Innenministerium stur. Allenfalls eine Einzelfallprüfung für Flüchtlinge, für die Nordrhein-Westfalen auch zuständig ist, wird von der Landesregierung offeriert. Dabei waren doch alle Flüchtlinge bei der „Einzelfallprüfung” im Rahmen des Asylverfahrens abgelehnt worden, eine erneute Einzelfallprüfung stellt da kaum eine reale Perspektive für die Flüchtlinge dar.

Die Forderungen der Flüchtlinge im Wanderkirchenasyl lauten dagegen: als Minimum ein Bleiberecht für die Gruppe, die sich im Kirchenasyl befindet, darüber hinaus jedoch die Wiederherstellung eines gesicherten Aufenthaltsstatus für Illegalisierte, die Anerkennung als Kriegsflüchtlinge nach der Genfer Konvention, sowie ein genereller Abschiebestopp in die Türkei. In der angebotenen Einzelfalllösung sehen sie eher eine Politik des „Teile und Herrsche”, würde dies doch zum Auseinanderreißen der Gruppe und zur Individualiserung der Flüchtlinge gegenüber den deutschen Behörden führen.

Die überwiegend kurdischen Flüchtlinge verstärkten ihren Druck auf die Landesregierung mit einer Besetzung des grünen Landesbüros am 11. Januar 99. 100 kurdische Flüchtlinge und ihre UnterstützerInnen wollen mit der mittlerweile mehr als zweiwöchigen Besetzung den Forderungen des Wanderkirchenasyls Nachdruck verleihen. Die KurdInnen traten zusätzlich in einen Hungerstreik, den sie aber am 22. Januar – trotz unerfüllter Forderungen – zunächst beendeten. Vom Innenministerium NRWs war den BesetzerInnen lediglich eine erneute Einzelfallprüfung zugesagt worden.

Der Aufwand für das Wanderkirchenasyl und die Belastungen für die Flüchtlinge sind enorm. Mehr als 80 evangelische und katholische Kirchengemeinden unterstützen mittlerweile den Protest der Flüchtlinge, die in kleineren oder größeren Gruppen alle paar Wochen von einer Gemeinde in die nächste weiterwandern, um die Belastungen auf möglichst viele Gemeinde zu verteilen. Neben Köln waren Düren, Aachen, Bielefeld, Mönchengladbach, Düsseldorf, Bochum, Dortmund … waren mittlerweile die Stationen des Wanderkirchenasyls. Überall, wo Flüchtlinge Aufnahme fanden, gab es öffentliche Veranstaltungen über das Asyl-Unrecht und die Situation der Flüchtlinge im Wanderkirchenasyl.

Das Wanderkirchenasyl führte somit auch zu einer öffentlichen und innerkirchlichen Auseinandersetzung, die bis heute nicht abgeschlossen ist. Wurde zunächst von 2/3 der Kirchenkreise der Evangelischen Kirche im Rheinland ein Abschiebestopp in die Türkei gefordert, so äußerte sich die Kirchenleitung später kritisch und orientierte auf Einzelfallprüfungen. Eine weitere Eskalation stellt der Beschluß der Bundesarbeitsgemeinschaft Asyl in der Kirche dar, die im wesentlichen von ihr finanzierte Stelle der entsprechenden AG in NRW, deren Geschäftsführer das Wanderkirchenasyl massiv unterstützt, ab Ende März 99 nicht mehr zu finanzieren (ak 422).

Immer wieder kam es zu Verhaftungen von Flüchtlingen, die sich im Wanderkirchenasyl befinden. Derzeit sitzen Hasan Ay und Mustafa Tayfun im Abschiebegefängnis in Büren und hätten eigentlich schon längst abgeschoben werden sollen. Die Abschiebung wurde jedoch aufgrund des öffentlichen Drucks zunächst für einen Monat ausgesetzt – ein kleiner Teilerfolg.

Wie es weitergeht im Wanderkirchenasyl bleibt weiter unklar. Die Landtagsfraktion der NRW-Grünen setzt ihre Hoffnungen auf die „Altfallregelung” auf Bundesebene zugunsten der Flüchtlinge, die nach Ablehnung ihres Asylantrages einen bestimmten Zeitraum geduldet wurden. Diese Regelung würde auf einen großen Teil der kurdischen Flüchtlinge im Wanderkirchenasyl zutreffen – aber eben nicht auf alle.

Doch auch ohne konkrete Lösung hat das Wanderkirchenasyl schon jetzt in einer Breite Menschen für die Unterstützung von Flüchtlingen mobilisiert, wie es vorher kaum denkbar war. Vielleicht läßt sich daran ja anknüpfen und vielleicht lassen sich die Grenzen NRWs ja auch behutsam überschreiten – Kirchengemeinden gibt es auch anderswo…

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