Seit Anfang 1999 wendet sich die Chiapas Kaffee-Kampagne an die Öffentlichkeit, um auf die Verflechtungen zwischen einer TransFair-Bio-Kaffeegenossenschaft, regierungstreuen Gruppen und dem Terror rechtsgerichteter Paramilitärs hinzuweisen (vgl. GWR 237).
Der Chiapas Kaffee-Kampagne geht es dabei keinesfalls darum, dem fairen Handel zu schaden, wie es ihr von einigen VertreterInnen des fairen Handels vorgeworfen wurde. Die Kampagne hält es jedoch für wichtig, daß der faire und ökologische Handel konsequent die Achtung von Menschenrechten gewährleistet.
Die Hintergründe – der Bio-Kaffee-Skandal in Mexiko
In hiesigen Bioläden wird der Kaffee der Kooperative Otilio Montaño (UDEPOM) verkauft, die eng mit der chiapanekischen Organisation SOCAMA verflochten ist. Letztere wird von mexikanischen Menschenrechtsgruppen und der Presse als „Nährboden“ der Todesschwadron „Paz y Justicia“ qualifiziert.
Das TransFair-Siegel steht für die sinnvolle Idee, mehr soziale Gerechtigkeit für kooperative ProduzentInnen in Entwicklungsländern zu erreichen. Ein aktueller Anlaß zeigt jedoch deutlich, daß kooperativ produzierter Kaffee nicht automatisch „fair“ ist. Der von TransFair zertifizierte „Mexiko-Kaffee“ der Firma Lebensbaum, der in Deutschland für DM 30,- pro Kilo verkauft wird, stammt von dem Genossenschaftsverband UDEPOM, mit Sitz in Motozintla, Chiapas. Dieser Verband wird wegen seiner zentralen Rolle im Aufstandsbekämpfungskonzept von der mexikanischen Regierung bevorzugt gefördert.
Konkret: Die UDEPOM ist personell und ökonomisch Teil des regierungstreuen chiapanekischen Verbandes „Solidaridad Campesino Magisterial“ (SOCAMA), als deren paramilitärischer Arm die Organisation „Paz y Justicia“ gilt, die seit 1995 tausende andersdenkende Bauern und Bäuerinnen vertrieben, deren Kaffeepflanzungen zerstört, deren Ernte geraubt hat und auch vor Vergewaltigungen und Massakern nicht zurückschreckt. Menschenrechtsgruppen wie das Centro de Derechos Humanos Fray Bartolomé de la Casas schätzen die Zahl der Opfer von „Paz y Justicia“ auf über 300 Menschen. Die SOCAMA finanziert sich durch staatliche Unterstützungen genauso wie durch Beiträge ihrer Mitgliedsgenossenschaften.
Der Umsatz der UDEPOM-Kooperative liegt bei ca. 3,5 Millionen DM für geschätzte 920 t Biokaffee. Davon werden 70% nach Europa exportiert, der Rest in die USA und nach Japan (zum Vergleich: 1997 hat Mexiko insgesamt 3.253 t Kaffee aus fairem Handel produziert).
Seit der provisorischen Aufnahme in das FLO-Register (Fair Trade Labelling Organizations International – Dachverband des internationalen fairen Handels) Mitte 1996 trägt der Kaffee das TransFair-Siegel, seine Öko-Qualität wird durch den deutschen Bio-Anbauverband Naturland zertifiziert und von der Finca Irlanda kontrolliert. In Deutschland wird der Kaffee von der Firma Lebensbaum (Diepholz) über Naturkostläden vermarktet. Darüber hinaus unterstützt die Gesellschaft für Technische Zusammenarbeit (GTZ) des deutschen Entwicklungshilfeministeriums die Vermarktung weiterer ökologischer Produkte der UDEPOM über ihr GreenTrade-Net.
Die UDEPOM nimmt eine wichtige Funktion ein, um im Sinne der mexikanischen Bundesregierung die Lage in Chiapas zu stabilisieren: Neben Manuel Hernández Gómez, einem der Führer der SOCAMA und PRI-Abgeordneten im mexikanischen Bundesparlament, stellt die UDEPOM weitere hochrangige SOCAMA-Funktionäre. So z.B. einen ihrer Regionalkoordinatoren, der nach Angaben der mexikanischen Presse im Juli 1998 in dieser Funktion an Verhandlungen mit dem Ministerium SEDESOL (Min. für Soziale Entwicklung) teilnahm, bei denen es u.a. um die Mittelvergabe an „Paz y Justicia“ und um „die Priorität der SOCAMA in Chiapas“ ging. Angesichts dieser engen Verflechtungen verwundert es nicht, daß Präsident Zedillo alleine im Jahre 1998 zwei Mal mit Vertretern der UDEPOM zusammengetroffen ist. Die SOCAMA genießt Priorität – deshalb beklagte der Vorsitzende der mexikanischen Kaffeeproduzentenvereinigung CNOC jüngst, daß praktisch nur noch die SOCAMA und insbesondere UDEPOM in den Genuß staatlicher Unterstützung kämen.
SOCAMA – der Nährboden für Paramilitärs
Die „Lehrer-Bauern-Solidarität“ (SOCAMA) wurde 1988 von ehemaligen maoistischen Lehrern gegründet und zählt heute mit 30.000-50.000 Mitgliedsfamilien zu den größeren Produzentenverbänden in Chiapas. Sie verfügt über einen enormen ökonomischen und politischen Einfluß und steht in engster Verbindung zur mexikanischen Regierungspartei PRI. Für diese stellt sie Abgeordnete im Parlament von Chiapas und im mexikanischen Bundesparlament. So zum Beispiel den bereits erwähnten Manuel Hernández Gómez, der im mexikanischen Bundesparlament auch Vorsitzender des Ausschusses für Wälder und Regenwälder ist. Sein Bruder Silvano wurde als Stadtkämmerer von San Juan Chamula beschuldigt, im April 1998 im großen Stil die Versorgung paramilitärischer Gruppen mit Waffen organisiert zu haben. Gründer und General von „Paz y Justicia“ ist der Schuldirektor Samuel Sánchez Sánchez, ein weiterer SOCAMA-Funktionär, der bis zum Ablauf seiner Wahlperiode 1998 für die PRI im Parlament des Bundesstaates Chiapas saß. Durch die engen Verflechtungen mit der Regierungspartei, die bis in den Beraterstab des mexikanischen Präsidenten Zedillo reichen, ist es der SOCAMA in den letzten Jahren gelungen, Millionensummen nationaler und internationaler Entwicklungsgelder für ihre Projekte zu kanalisieren.
Der blutige Kampf um den Bio-Kaffee
Mexikanische Menschenrechtsgruppen bezeichnen die SOCAMA als Schlüsselfaktor des Aufstands-bekämpfungskonzeptes der mexikanischen Regierung gegen die Rebellion der indigenen Bevölkerung infolge des zapatistischen Aufstandes seit Anfang 1994.
Während die Armee die EZLN und die aufständischen Gemeinden militärisch eingekreist hat, hat sich in den Landkreisen außerhalb der Kernzone ein „Krieg niederer Intensität“ entwickelt. Eine Doppelstrategie aus paramilitärischem Terror einerseits und sozialer Spaltung durch gezielte Kanalisierung von Fördermitteln über regierungsnahe Organisationen andererseits. Regierungsunabhängige ProduzentInnenvereinigungen werden z.T. wirtschaftlich ausgelöscht, der geraubte Kaffee dient nach Angaben Betroffener u.a. zur Finanzierung von Waffenkäufen der Paramilitärs. „Der Kampf um den biologischen Kaffee“, heißt es in einem mexikanischen Zeitungsbericht, „ist blutig entbrannt“.
FLO: Neutral bei der Austandsbekämpfung?
Im Dezember 1998 baten wir TransFair (Köln) um eine Stellungnahme zu dem von uns vorgelegten Material. Geantwortet hat uns darauf die Fair Trade Labelling Organizations International (FLO). Es wurde zugegeben, daß der FLO „Gerüchte um die politischen Verflechtungen rund um die UDEPOM“ bekannt seien. Gleichzeitig wurde darauf hingewiesen, daß aufgrund der „angespannten politischen Situation (…) die Arbeit als Zertifizierer enorm behindert“ sei, da „derzeit keine Arbeitserlaubnis für die (…) Vor-Ort-Inspektionen in Chiapas“ ausgestellt würde. Dennoch wolle man im Laufe des Jahres 1999 zu einer Entscheidung über den Status der UDEPOM kommen. Angesichts der Funktion „gewisser Gruppen“, die „von der Regierung als Inseln der Stabilität benutzt werden, um übergeordnete Interessen des Staates in Chiapas durchzusetzen“, behalte man sich vor, „eine neutrale Position zu beziehen“. Eine in unseren Augen mehr als bedenkliche Neutralität, zumal zum gleichen Zeitpunkt Mitglieder einer anderen FLO- Partnerorganisation in Chiapas von Paramilitärs gewaltsam um ihre Ernte gebracht werden!
Die Forderungen
Angesichts der aufgedeckten Verflechtungen stellt sich die Frage, ob nicht diejenigen Firmen, die Erlöse aus der Vermarktung des UDEPOM-Kaffees erzielen – wissentlich oder unwissentlich – die Aufstandsbekämpfung der mexikanischen Regierung und ihre „Inseln der Stabilität“ mitfinanzieren. Und mit ihnen die arglosen KonsumentInnen.
Wir fordern deshalb:
- TransFair, Naturland und die GTZ auf, sofort alle Beziehungen zu den SOCAMA- Anbauvereinigungen abzubrechen, dem UDEPOM-Kaffee das TransFair-Siegel zu entziehen und sicherzustellen, daß keine weiteren SOCAMA-Produkte vermarktet werden
- eine bessere Kontrolle und eine Überarbeitung der Zertifizierungskriterien seitens TransFair und Naturland, um sicherzustellen, daß in Zukunft keine Produzentenvereinigungen mehr zertifiziert werden, die im Zusammenhang mit menschenrechtsverletztenden Strukturen stehen
- mehr Transparenz seitens TransFair und Naturland: Auf der Verpackung jedes zertifizierten TransFair-Produktes soll seine genaue Herkunft kenntlich gemacht werden. Das TransFair- Kaffeeregister soll wieder öffentlich zugänglich gemacht werden
- die Offenlegung sämtlicher Dokumente der FLO-Untersuchung über die UDEPOM sowie des Abschlußberichtes dieses Jahres.
Stoppen wir die Unterstützung der Paramilitärs in Chiapas!
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