beilage: nein zu bomben, krieg, vertreibung!

Krieg und Flüchtlingspolitik

| Volker Maria Hügel (ProAsyl/Arbeitskreis Asyl NRW)

Seit nunmehr zehn Jahren fliehen Menschen aus dem ehemaligen Jugoslawien, aus der BRJ, aus Bosnien, aus Kroatien und Macedonien zu uns in die Bundesrepublik.

Roma, Serben, Kosova-AlbanerInnen und Deserteure haben sowohl unsere Beratungsarbeit als auch unser politisches Engagement bestimmt.

Viele von Ihnen erhielten ein Bleiberecht, aber den meisten ist nur ein unsicherer Status geblieben oder sie sind abgeschoben worden. Einige sind unter dem Druck der Hoffnungslosigkeit und Entrechtung „freiwillig“ zurückgekehrt.

Seit Jahren bemühen wir uns um einen Minderheitenschutz insbesondere für Roma. Nicht erst mit der Dombesetzung im Jahre 1991 haben wir öffentlich gemacht, daß Abschiebungen nach Macedonien oder die BRJ nicht hinzunehmen sind. Auch die Romaproteste im letzten Jahr – leider ebenso engagiert geführt wie letztlich ergebnislos – haben uns immer wieder unsere Handlungsgrenzen brutal vor Augen geführt.

Seit zehn Jahren werden die Schicksale, die Menschenrechtsverletzungen und die Vertreibungen von der Politik, von der Verwaltung und den Gerichten heruntergespielt – genauso lange arbeiten wir unnachgiebig für eine rechtliche und soziale Perspektive für diese Flüchtlinge in Deutschland.

Wir haben Milosevic‘ Politik gegenüber den Roma, den Albanern im Kosova und den Deserteuren gegenüber heftig kritisiert, wir haben die Flüchtlingsschicksale dokumentiert und ihren Schutz eingefordert. Vergeblich. Diese Personengruppen wurden, besiegelt durch ein Rückübernahmeabkommen, daß die Bundesrepublik mit der BRJ geschlossen hat, gnadenlos abgeschoben – bis zum 8. September 1998 – dem Tag des Inkrafttretens des Luftembargos gegen die BRJ.

Wir haben gelernt, daß wir nur weniges ändern und vieles nicht verhindern können. Wir haben gelernt, damit zu leben, ohne uns schuldig zu fühlen. Wir haben aber auch gelernt, wer dafür die Verantwortung trägt: Eine Summe von Entscheidungsträgern und -umsetzern in Politik, in den Ausländerbehörden, in den Gerichten und in denjenigen Medien, die die Diffamierung von Flüchtlingen jahrelang hoffähig geschrieben haben.

Krieg, das haben wir auch gelernt, ist der größte und schlimmste Verursacher von Menschenrechtsverletzungen und Vertreibungen.

Seit dem 24. März 1999, 20.03 Uhr MEZ fliegen Natobomber mit deutscher Beteiligung ununterbrochen Einsätze in Serbien, in Montenegro und ins Kosova. Es geht um die Menschen im Kosova, so wird uns erzählt, alle diplomatischen Bemühungen, Milosevic am Völkermord zu hindern seien gescheitert – nun müsse gebombt werden.

21. April 1999, vier Wochen später – die Bombeneinsätze halten unvermittelt an – wird über den Einsatz von Bodentruppen diskutiert, da festgestellt wurde – wie von Militärstrategen vorausgesagt – daß das Morden , daß die Vertreibungen mit unvermittelter ja noch brutalerer Härte die Heimat der Kosovaren zunichte machen.

Einige von uns haben vom ersten Tag an Frieden jetzt! gefordert. Viele von uns fordern heute aber ein Ende der Bombardements – ein Zurück zu diplomatischen Bemühungen um einen Frieden. Denn bereits das sich Einlassen auf die Spirale der Gewalt versperrt den Blick auf friedliche Lösungen vollständig.

Wir in der Flüchtlingsarbeit werden uns entscheiden müssen, ob wir, nicht nur in der Kosovafrage, sondern auch in die Zukunft gerichtet, in der Todesspirale der militärischen Intervention überhaupt einen Anflug von Friedenserzwingung erkennen können.

Wir meinen, nein.

Wer Flüchtlingsschutz will, darf sich nicht einer Kriegslogik unterwerfen, sondern muß es aushalten können, daß Menschen nicht gerettet werden können, die, das mag zynisch klingen, mit den Bombardements leider auch sterben. Millionen Tote in Kriegen, die weit weg stattfinden, rühren uns an, machen uns betroffen – aber wir fordern richtigerweise keine Bombardements z.B. auf Ankara, um den Kurdenmord zu stoppen. Konsequente Friedenspolitik ist die Abkehr von eben dieser Spirale der Gewalt, die Hinwendung zu friedlichen, scheinbar hilflosen Mitteln der Diplomatie, des Boykottes, des Einfrierens von Kapital auf ausländischen Banken, der internationalen Ächtung von Menschenrechtsverletzungen, des Anklagens von Kriegsverbrechen, des Verhaftens von Diktatoren, des konsequenten Unterstützens von Menschenrechts-, Flüchtlings- und Friedensarbeit – mit den gleichen finanziellen Aufwendungen, die Verteidigung und Militär erhält. So konsequent will man das aber nicht. Daher ist Krieg die anscheinend alternativlose Konsequenz des Natohandelns.

Weder Kriege noch Bürgerkriege retten Menschenleben – sie beseitigen keine Fluchtursachen, sie sind die Fluchtursache.

Flüchtlingsorganisationen und Menschen, die sich diesen Problemen stellen müssen weiter denken können als ein Militärstratege. Was kommt denn nach den Bomben in der BRJ? Friede, Freude, Eierkuchen, mit EU-Aufbauhilfe und Minderheitenrechten?? Wir erwarten, daß engagierte Flüchtlingsarbeit hier nicht mit Scheuklappen diese Frage ignoriert. „..bedenke das Ende! Denn Haß, Unversöhnlichkeit und gestärkter Nationalismus ist das Ende!

Wir fordern daher den sofortigen Stopp der Bombardements und die Rückkehr zu Verhandlungen.

Konkret für die Flüchtlinge fordern wir:

  • Alle Flüchtlinge aus der Krisenregion (BRJ, Macedonien, Bosnien und Albanien) erhalten einen sicheren Aufenthaltsstatus und ihnen wird Familienzusammenführung ermöglicht.
  • Wer außerhalb des Kontingentes einreist, wird unbürokratisch aufgenommen und erhält ebenfalls einen sicheren Aufenthaltsstatus.
  • Kein Flüchtling wird in die Krisenregion abgeschoben.
  • Die Kommunen müssen die Unterbringung, Versorgung und Betreuung der Flüchtlinge gemeinsam mit Flüchtlingsorganisationen planen und umsetzen.
  • Wir fordern angesichts der mittlerweile 700.000 vertriebenen Flüchtlinge eine Ausweitung des viel zu kleinen Kontingents auf mindestens 100.000. In das Kontingent sind neben den albanischen Volkszugehörigen auch andere Minderheiten, Roma und serbische Deserteure aufzunehmen.
  • Abweisungen an der Grenze – wie im Erlaß des BMI vom 8.4.99 geregelt – dürfen nicht vorgenommen werden.
  • Einladungen gemäß § 84 AuslG dürfen nicht länger – wie im Erlaß des Im NRW vom 15.4.99 geregelt – verweigert werden, sondern müssen, wie es bei den bosnischen Flüchtlingen auch möglich war, umgehend realisiert werden. Dazu sind die deutschen Auslandsvertretungen aufzufordern, Visa zu erteilen.
  • Ein offizieller Abschiebungsstopp für die gesamte Region muß erlassen werden.