Die Medien und die Informationspolitik der Regierungsinstitutionen in der BRD sind nicht platterdings gleichgeschaltet, die Bindung des nationalen Bewußtseins an den Krieg funktioniert differenzierter, über ein Ansprechen der Mechanismen des "Staats im Kopf" in jede/r BürgerIn.
Die Medienberichterstattung reproduziert durch selbstverständliche Einigkeit in bestimmten Bereichen, bei akzeptierter Toleranz abweichender Positionen in anderen Bereichen, ständig den für den Krieg notwendigen Konsens. Dabei wird das reale Leid der kosovo-albanischen Flüchtlinge, die Opfer der serbischen Vertreibungspolitik sind, für den NATO- und Bundeswehr-Krieg instrumentalisiert.
Zum Konsens der Medienberichterstattung in der BRD gehören:
1. Es gibt ein von der NATO gesteuertes, „zieharmonikaartiges“ Sammeln, Zurückhalten und Ausgeben von Informationen über die Vertreibungspolitik der jugoslawischen Regierung. Bei Legitimationslücken oder – krisen der NATO-Angriffe werden die Medienbeiträge über Gewalttaten gegen Kosovo-AlbanerInnen tendenziell erhöht. Auch bei der öffentlichen Legitimation der nächsten qualitativen Schritte, wie etwa bei Einführung von Bodentruppen, ist damit zu rechnen, daß sie von einer Vielzahl von Berichten über Vergewaltigungen, Hinrichtungen, Lager usw. begleitet werden, die gar nicht falsch sein müssen, die lediglich nicht in einen zeitlichen Zusammenhang mit ihrem realen Geschehen, sondern eher in einen zeitlichen Zusammenhang mit der militärischen Logik und Legitimation der NATO gestellt werden.
2. Es wird ein willkürlicher Feindbildkanon benutzt, nach welchem die jugoslawische Regierung mal dem Kommunismus (eher BILD), mal dem Faschismus (eher Fischer) zugeordnet wird, in jedem Fall antidemokratisch und als Diktatur dargestellt wird. Real hat die Sozialistische Partei Milosevics ein sozialdemokratisches Programm, ist demokratisch gewählt, befindet sich aber im Bündnis mit rechtsextremen Tschetnik-Strömungen (Seselj, Draskovic), eine national-soziale Kombination, die bald auch in Rußland möglich werden kann. Der Skandal ist, daß eine Demokratie (jedenfalls eher Demokratie als die Türkei) zu solch brachialer Gewalt wie der gegen die Kosovo-AlbanerInnen fähig ist, daß das aber nicht so dargestellt wird, denn der „gute“ Westen muß per se eine „Diktatur“ angreifen.
3. Es wird der möglichst konkreten, dramatisierenden Schilderung der Gewalt bei der Vertreibung die möglichst abstrakte, nur mit fernen Bildern von den Flugzeugcomputern garnierte, Darstellung eventueller Opfer bei der Bombardierung gegenübergestellt (mit der Ausnahme von Djakovica, dort wurde die offensichtliche Brutalität von Bombentoten mit einem Wechsel von Zugeben und Abstreiten verwischt und verwirrt).
4. Über Alternativen zum Krieg, über die antimilitaristischen, feministischen und nicht-nationalistischen Oppositionsgruppen seit 1991 in Jugoslawien wird nicht berichtet. Gleichzeitig wird tendenziell diffamierend über Antikriegsinitiativen hier berichtet, die undifferenziert in einem Bündnis mit serbischen NationalistInnen dargestellt werden. Real aber gibt es überall Kritik an serbisch-nationalistischen Parolen, gleichzeitig sind nicht alle serbischen ProtestiererInnen pro-Milosevic. Beispiel für den diffamierenden Jargon, taz, 6.4.99: „Tschetnik-Lieder wurden angestimmt – und nebenher schlenderten arglos deutsche Friedensfreunde, die sich in ihrem Willen, Gutes zu wollen, nicht irritieren ließen.“ (S.1)
5. Es wird ein verharmlosender oder dramatisierender Sprachjargon benutzt, je nachdem, ob es den eigenen kriegsführenden Interessen dient oder nicht. Dadurch kommt es zu offensichtlichen Legitimationswidersprüchen, bei denen die Regierenden und die MedienmacherInnen aber hoffen, daß sie nicht direkt einander gegenübergestellt werden, wie das hier nun beispielhaft geschieht:
a) während einerseits weder Regierung noch Medien ernsthaft in Zweifel zogen, daß es sich beim NATO- Angriff um einen Völkerrechtsbruch – eben für einen „guten Zweck“ – handelte, empörte sich Scharping bei der Gefangennahme und medienpolitischen Ausstellung der drei US-Soldaten aus Mazedonien durch jugoslawisches Militär sofort, es handle sich hierbei um einen Bruch des Völkerrechts.
b) während westliche Medien bei dem Mord an 45 albanischen ZivilistInnen am 16.1.99 in Racak sofort von einem „Massaker“ sprachen, die Vorwürfe von der finnischen Pathologin Ranta eher bestätigt wurden und Racak fortan als Begründung für die Bombardierung instrumentalisiert wurde, gilt der Bombenangriff auf Djakovica mit ca. 75 Toten (noch dazu Kosovo-AlbanerInnen, die man/frau vorgab, schützen zu wollen) keineswegs als Mord oder „Massaker“. Im NATO-Jargon wird von „Unfall“ gesprochen, von „Kollateralschaden“, für die in jedem Fall Milosevic verantwortlich sei. Zugleich wird von einem „Wunder“ gesprochen, daß das nicht schon früher passiert sei und also für die Zukunft Vergleichbares oder Schlimmeres angekündigt.
c) Bombenangriffe werden verharmlosend als „Luftschläge“ bezeichnet, während bei der serbischen Vertreibungspolitik hemmungslos in Ineinssetzung mit der Nazi-Vernichtungspolitik von „Konzentrationslagern“, „Deportationen“, „Genozid“, „neues Auschwitz“ geredet wird. Ein Beispiel: „Deportation“ soll laut vierter Genfer Konvention als Begriff nur benutzt werden, wenn er die „erzwungene Verschleppung“ von Individuen oder Bevölkerungsgruppen zu dem Zweck, „sie in Arbeits- oder Vernichtungslagern zu internieren“ bezeichnen soll. Bis zum Beweis des Gegenteils ist das im Kosovo nicht der Fall, sondern es findet eine brutale Vertreibung an die Landesgrenze statt.
Ergebnisse dieses tendenziösen Sprachjargons sind sinnwidrige Schlagzeilen oder Militarismen mit diffamierender Tendenz. Zwei Beispiele aus der taz, bei der sich die Mechanismen dieser differenzierten Medienpropaganda aufgrund ihrer neuen Regierungsfunktion nachweisen lassen: Überschrift S.1 am 26.3.99: „Trotz Bomben: Kosovo leidet“ (Überschrift bewegt sich im medienpolitischen Konsens, ist aber sinnwidrig: es wird als normal vorausgesetzt, daß bei Bomben erstmal niemand leidet!); Artikelüberschrift taz, 8.4., S.2 unten, zum vergeblichen Versuch der „Mütter gegen den Krieg“, im Kanzleramt etwas zu bewirken: „Bodenaufprall der Friedenstauben“ (diffamierender Stil: Ablehnung wird militaristisch mit etwas verglichen, was nur den Tod bedeuten kann, Begriff ‚Friedenstaube‘ meint eher ‚Trottel‘, gewendet als Häme und Zynismus!)
Grundlage libertärer und gewaltkritischer Medienkritik sollte sein: die Tatsachen der Vertreibung kleiner zu machen, „weil wir deren Instrumentalisierung ohnmächtig ausgeliefert sind, wäre politisch untragbar.“ (Autonome LUPUS-Gruppe)