Wir haben in den letzten Wochen viel positive und zum Teil auch negative Resonanz auf unsere „Stoppt den Krieg!“- Beilagen und -Schwerpunktausgaben (GWR 238 & 239) erhalten. Mehrfach haben wir auch Post aus dem Bundestag bekommen. Ende April bekam die GWR Münster z.B. von dem Bundestagsabgeordneten Dr. Winfried Wolf (PDS) folgenden Brief:
Dr. Winfried Wolf
Mitglied des Deutschen Bundestages„An die Herausgeberinnen und Herausgeber und die Autorinnen und Autoren der Zeitung ‚Stoppt den Krieg!‘
Liebe Freundinnen und Freunde,
liebe Kriegsgegnerinnen und Kriegsgegner!Eure Zeitung ‚Stoppt den Krieg!‘ haben wir erhalten und mit Interesse gelesen. Natürlich freuen wir uns mit Euch, über alle Aktivitäten, die gegen diesen Krieg gerichtet sind und die der Wiederherstellung des Friedens dienen.
Mit einem gewissen Erstaunen – verbunden mit Anerkennung für die entsprechende ‚Kunstfertigkeit‘ – nahmen wir zur Kenntnis, daß Ihr in Eurer Zeitung die PDS als einzige im Bundestag vertretene Partei und Fraktion, die gegen diesen Krieg stimmt und sich in diesem Sinne engagiert, nicht erwähnt. Dabei geht es nicht um eine Art ‚Beleidigtsein‘ von uns als PDS-Menschen; dieses Ausklammern dürfte auch bei den Leserinnen und Lesern Eurer Zeitung auf Unverständnis stoßen und könnte mit de-facto-Zensur in Verbindung gebracht werden.
Wie Ihr wißt, geben wir die ‚Zeitung GEGEN DEN KRIEG‘ heraus, von der soeben die dritte Ausgabe erschien. Sie hat inzwischen eine Auflage von 515.000 Ex. erreicht. Wir legen Euch die neue Ausgabe bei.
Wir haben keine festen Pläne, wie es mit der publizistischen Arbeit gegen den Krieg weitergehen soll. Ein – erstmals informelles – Gespräch darüber könnte sinnvoll sein. Dabei ist bereits klar, daß die größte Effizienz ein Blatt hätte, dasüberparteilich ist, das jedoch die real existierenden Parteien einer kritischen Bilanz angesichts dieses Angriffskriegs unterzieht.
Mit antimilitaristischen und solidarischen Grüßen,
Dr. Winfried Wolf (MdB, Bundeshaus)„
Und hier nun der Antwortbrief der GWR Münster:
„An die Herausgeberinnen und Herausgeber und die Autorinnen und Autoren der ‚Zeitung GEGEN DEN KRIEG‘
Liebe Freundinnen und Freunde,
liebe Kriegsgegnerinnen und Kriegsgegner!Eure ‚Zeitung GEGEN DEN KRIEG‘ haben wir erhalten und mit Interesse gelesen. Natürlich freuen wir uns mit Euch, über alle Aktivitäten, die gegen diesen Krieg gerichtet sind und die der Wiederherstellung des Friedens dienen.
Mit einem gewissen Erstaunen – verbunden mit Anerkennung für die entsprechende ‚Kunstfertigkeit‘ – nahmen wir zur Kenntnis, daß Ihr in Eurer Zeitung die GraswurzelrevolutionärInnen, die außer- und antiparlamentarischen AntimilitaristInnen, AnarchistInnen, libertären FeministInnen und sonstigen SozialrevolutionärInnen, die gegen diesen Krieg stimmen und immer schon gegen jeden Krieg gestimmt und sich in diesem Sinne engagiert haben, nicht erwähnt. Dabei geht es nicht um eine Art ‚Beleidigtsein‘ von uns als libertäre Oppositionsbewegung; dieses Ausklammern dürfte auch bei den Leserinnen und Lesern Eurer Zeitung auf Unverständnis stoßen und könnte mit de-facto-Zensur in Verbindung gebracht werden.
Wie Ihr wißt, geben wir die GWR-Aktionszeitung und Beilage ‚Stoppt den Krieg! Nein zu Bomben, Krieg, Vertreibung‘ heraus, von der soeben die zweite Ausgabe erschien. Sie hat inzwischen eine Auflage von 58.000 Ex. erreicht. Wir legen euch die neue Ausgabe bei. Dort findet sich auch eine kritische Auseinandersetzung mit der Politik der PDS. Es ist gut, daß auch die PDS eine Antikriegsarbeit macht. Die PDS ist somit ein Teil der noch schwachen sozialen Bewegung gegen den Krieg. Sie kann als Partei aber keine soziale Bewegung sein.
Anders als Parteien, wie PDS, SPD, Grüne, CDU usw., sind soziale Bewegungen nicht etatistisch orientiert und nicht auf den Erwerb formaler Machtpositionen fixiert. Nicht die „Partizipation am institutionalisierten Prozeß der Staatswillensbildung“ steht im Vordergrund ihrer Bestrebungen, es geht ihr um globale Fragen, um gesellschaftlichen und kulturellen Wandel. Es entspricht der spezifischen Vergesellschaftungsform sozialer Bewegungen, daß sie für ihre fundamentalen Zielsetzungen kein konkretes politisches Programm haben (können). Zumeist wird eine Vielzahl unterschiedlicher, oft sogar widersprüchlicher Konzepte diskutiert, propagiert oder in den politischen Prozeß implementiert. „Das Unfertige, der Suchcharakter ist Kennzeichen der meisten Bewegungen.“, so der Sozialwissenschaftler Joachim Raschke.
Ein anderer „Suchcharakter“ scheint mir bei der PDS im Vordergrund zu stehen: ihr geht es – wie allen Parteien – primär um die Suche nach neuen WählerInnen. Wäre die PDS an der Regierung, würde sie vermutlich ähnlich populistisch agieren wie die jetzigen deutschen Regierungsparteien SPD/Grüne, oder wie die am Krieg als Regierungspartei beteiligte französische Schwesterpartei der PDS. Ihre Vergangenheit als autoritäre DDR-Staatspartei ist alles andere als basisdemokratisch oder antimilitaristisch. Als SED hat sie die außerparlamentarischen Bewegungen in der DDR unterdrückt und z.B. in dem SED-Buch ‚Linksradikalismus‘ (Dietz-Verlag Ostberlin 1988) gegen libertäre Projekte wie z.B. die Graswurzelrevolution gewettert. Ihre NVA- Soldaten waren 1968 an der Niederschlagung des Prager Frühlings beteiligt. Angesichts dieser Geschichte habe ich ein gewisses Mißtrauen gegen die PDS und ihre Vereinnahmungsversuche. Eine Zusammenarbeit in der Antikriegspolitik ist dennoch sinnvoll.
Wir haben keine festen Pläne, wie es mit der publizistischen Arbeit gegen den Krieg weitergehen soll. Ein – erstmals informelles – Gespräch darüber könnte sinnvoll sein. Dabei ist bereits klar, daß die größte Effizienz ein Blatt hätte, das überparteilich ist, das jedoch die real existierenden Parteien einer kritischen Bilanz unterzieht, nicht nur angesichts dieses Angriffskriegs, sondern auch angesichts ihrer hierarchischen Struktur, angesichts ihrer Vergangenheit und angesichts ihrer Staatsfixierung.
Mit antimilitaristischen, li(e)bertären und solidarischen Grüßen,
Dr. Ückeberger (Anarchist, GWR Münster)“