anti-gentech

Anti-Gen-Camp für eine gentechnikfreie Landwirtschaft

Mit Sensen und Staubanzügen gegen das Genfeld

Im Landkreis Barnim erprobt der US-Multi 'Monsanto' genmanipulierten Mais im Freilandversuch und die Tochterfirma von Hoechst und Schering, die Firma Agrevo, pflanzt Mais, Raps und Zuckerrüben mit einer künstlich veränderten Genstruktur an, die die Pflanzen gegen das jeweils konzerneigene Herbizid resistent macht. Die Erträge der BäuerInnen gehen dadurch zurück, und sie werden von den Konzernen bis zur Existenzgefährdung abhängig. Die Gesundheitschäden bei VerbraucherInnen sind noch nicht abzusehen. Dieser Entwicklung setzt das Barnimer Aktionsbündnis eine kritische Aufklärung entgegen (Red.).

Der Landkreis Barnim liegt nordöstlich von Berlin. Kaum hat mensch die Ortschilder der Millionenstadt hinter sich gelassen, eröffnet sich das typische Panorama Brandenburgs. Nach den üblichen Baumärkten und Einkaufcenter des Stadtrands geraten neue gleichförmige Eigenheime Marke ‚Schöner Wohnen mit organisierter Langweile‘ ins Blickfeld. Doch nach ein paar Kilometern ist mensch dann endlich auf dem Land: In der Mitte gründurchflutete Alleen, rechts und links riesige Felder bis an den Horizont. Hier wurden schon zu DDR-Zeiten in hochindustrialisierte Form hohe landwirtschaftliche Erträge aus dem sandigen Boden herausgeholt. Heute sind die ehemals staatlichen Betriebe weitgehend privatisiert, aber an der Form des Wirtschaftens hat sich wenig geändert, noch größere Felder, noch größere Maschinen, noch mehr Dünger und Chemie. Auch hat sich am Bewußtsein der arg geschrumpften Zahl der BäuerInnen wenig geändert. Zwar ist die Zahl der Biobauernhöfe in der Umgebung von Berlin erstaunlich schnell gewachsen, aber die BiobäuerInnen werden von ihren Kolleginnen aus der Hightech Landwirtschaft wie Exoten behandelt. Genauso geht es den GegnerInnen der grünen Gentechnologie.

Im Landkreis Barnim liegen bei den kleinen Ortschaften Schönfeld und Tempelfelde zwei Genversuchsfelder. Im Tempelfelde erprobt der US-Multi ‚Monsanto‘ genmanipulierten Mais im Freilandversuch, und in Schönfeld pflanzt die gemeinsame Tochterfirma von Hoechst und Schering, die Fa. ‚Agrevo‘, ebenfalls Mais, aber auch Raps und Zuckerrüben mit einer künstlich veränderten Genstruktur an, das die Pflanzen gegen das jeweils konzerneigene Herbizid „Round-up“ (Monsanto) bzw. „Basta“ (Agrevo) resistent macht. Den Landwirten wird eine rosige Zukunft versprochen: Steigerung der Erträge und zugleich Rückgang des Herbizideinsatzes. So steht es in den Hochglanzbroschüren. Doch die Realität spricht eine andere Sprache. Besonders in den USA macht sich unter den Soja- und MaisbäuerInnen nach einer Anfangseuphorie Ernüchterung breit. Die Erträge steigen nicht wie von Monsanto versprochen und auch der Herbizideinsatz geht in der Praxis kaum zurück. Zu diesem vorläufigen Ergebnis kommt eine Untersuchung des US-Landwirtschaftsministeriums. Im Gegenteil, die Schädlinge werden schon z.T. resistent gegen das neue Wundermittel „Round-up“. Und über die hochgradige Abhängigkeit von nur einem einzigen Konzern, eben Monsanto, bei dem sie sowohl das Saatgut wie den Dünger und das Herbizid einkaufen müssen, sind die BäuerInnen vorher von keinem aufgeklärt worden.

Ein weltweites Problem

Die Saatgutmultis wie ‚Monsanto‘, ‚Novartis‘ oder ‚Agrevo‘ wollen aber nicht nur in Nordamerika und Europa die absolute Herrschaft in der Landwirtschaft erreichen, sondern greifen auch nach Lateinamerika oder Indien. Doch dort regt sich von einigen BäuerInnenorganisationen, die im Netzwerk „Peoples Global Action“ mitarbeiten, heftigster Widerstand gegen die Pläne von Monsanto oder Agrevo. Während des Kölner Weltwirtschaftsgipfel haben darüber südindische BäuerInnen auf einer Rundfahrt durch die BRD berichtet.

Von solchen Protesten der Landbevölkerung können wir vom Barnimer Aktionsbündnis nur träumen. Auf dem diesjährigen Camp vom 13. bis 23.8.am Rande des Schönfelder Versuchsfeldes konnten wir wieder die Erfahrung machen, daß große Teile der umliegenden Dorfbevölkerung uns mit Ignoranz bestrafen. Doch wir waren hartnäckig genug und haben nach anfänglich gescheiterten Versuchen mit Flugblattverteilen oder Einladung zu Kaffee und Kuchen für uns neue Formen der Aufklärung und Agitation entwickelt. Am erfolgreichsten waren dabei verschiedene kleine Straßentheaterstücke vor Supermärkten und Treffpunkten in den umliegenden Gemeinden.

Subventionen für die Biotechnologie

Da der Landtagswahlkampf gerade seinem Höhepunkt zustrebte, verloren sich auch hochrangige Politiker und Minister in den kleinen Wirtshaussälen. Wir bekamen davon Wind und stellten den brandenburgischen Landwirtschaftsminister zur Rede, wieso die Landesregierung so massiv die Gen- und Biotechnologie fördert (zusammen mit dem Land Berlin soll die Gen- und Biotechnologie in Berlin-Brandenburg in den nächsten sieben Jahren 480 Millionen DM an Subventionen erhalten!!) und die Risiken unter den Teppich kehrt. Der Minister kam ganz schön ins Stottern und die anwesenden Landwirte aus der Umgebung hörten aufmerksam zu, was wir zu sagen hatten über die Macht der Saatgutkonzerne und die Risiken für Mensch und Natur.

In dem nahegelegenen Städtchen Bernau waren wir am erfolgreichsten mit einer von Greenpeace abgekupferten Aktionsform. In weißen Staubanzügen besuchten wir am Samstagmorgen die örtlichen Filialen von ‚Edeka‘ und sammelten die Lebensmittel ein, die laut Greenpeace im Verdacht stehen, genmanipuliert zu sein. Innerhalb von 10 Minuten hatten wir große Einkaufswagen gefüllt und begannen die Geschäftsführung zu nerven. Einen Tag zuvor hatte dies Greenpeace in der Edeka-Zentrale in Hamburg getan, weil Edeka sich bis dahin weigerte, ähnlich wie Tengelmann und Rewe, seine Genfood aus den Regalen zu nehmen. Die Geschäftsführung tat ganz betroffen, dass nach dem „Dioxinskandal nun schon wieder was Falsches“ in den Regalen steht, und die Kundinnen vor den Supermärkten schauten sich neugierig das große Sortiment der genmanipulierten Lebensmitteln auf unseren Infotischen an. Wieder einmal konnten wir feststellen, wenn wir mit unseren Aufklärungsaktionen die Menschen auf der Straße tatsächlich ansprechen können, große Betroffenheit und ein hohes Informationsbedürfnis anzutreffen ist. Während des zehntägigen Camps wollten wir aber nicht nur die Bevölkerung und die Lebensmittelkonzerne agitieren, sondern wir hatten uns von Anfang an vorgenommen, in den Stunden nach Sonnenuntergang Geländeerkundungsspiele durchzuführen.

Mit gesteigerter Phantasie wurde bei den nächtlichen Spaziergängen die Aufmerksamkeit der Wachleute und ihrer uniformierten Beschützer an den beiden Genfeldern getestet. Mehr und mehr genervt durch unsere Beharrlichkeit rüstete besonders die Polizei auf, installierte Flutlicht, errichtete Straßensperren und rückte am Ende mit 5o Polizisten an. Doch selbst ein paar Festnahmen und ein Warnschuß eines druchgedrehten Jägers aus seiner Schrotflinte auf eine übers Kornfeld flüchtende Frau, konnte uns nicht davon abhalten, am Schlußtag eine Aktionsform erstmals in Deutschland auszuprobieren, die sehr erfolgreich in England gegen Genversuchsfelder angewendet wird, nämlich „Genetic Snowball“. Das Prinzip ist relativ einfach. Es gehen möglichst viele AktivistInnen auf das von der Polizei geschützte Genfeld und reißen jeweils nur eine Genpflanze raus, damit der individuelle anzulastenden Sachschaden möglichst gering bleibt. Die Presse wird vorher eingeladen und alles soll möglichst friedlich ohne große Rangelei mit den Uniformierten ablaufen. Gesagt, getan. Wir zogen mit über 100 AktivistInnen zum Maisfeld und hatten uns auch mit Erntegerät ausgestattet, ca. 10 Leute zogen mit ihren Sensen voran und erheischten so die Aufmerksamkeit der Polizei. Am Absperrzaun erwiesen sich die Ordnungshüter als schnell überfordert, sie stürzten sich auf die Sensenleute, währenddessen ca. 10 andere die Zäune übersprangen und den Mais rausrissen. Nach einer Personalienfeststellung wurden die Erntehelfer wieder freigelassen und inzwischen erhielten sie von Agrevo eine Anzeige wegen “ Sachbeschädigung und Hausfriedensbruch“.

Danach war die Stimmung im Camp reichlich ausgelassen. Uns war es nach anfänglich Schwierigkeiten und Frust doch gelungen, besonders unter der Bevölkerung der größeren umliegenden Orte und auch in der Berliner Presse eine gute Resonanz auf unsere Forderungen und Kritiken an der Gentechnologie herzustellen. Das Camp hat trotz des miesen und kalten Wetters viel Spaß gemacht. Wir haben viel gelacht und geschwatzt, aber auch ernsthafte Diskussionen und Vorträge gehört über den biologischen Landbau wie auch die globalen Zusammenhänge und nicht zuletzt über den überall in Brandenburg anzutreffenden Rassismus. Die Erkenntnisse daraus wiederum in Aktionen und Straßentheater umzusetzen, dürfte einer der Aufgaben fürs nächste Camp sein. Zugleich überlegen wir zusammen mit dem Berliner Genethischen Netzwerk die Idee eines zentralen bundesweiten Camps und Kongresses im nächsten Jahr.

Kontakt

Barnimer Aktionsbündnis gegen gentechnische Freilandversuche
c/o DOSTO
Breitscheidstr. 43a
16321 Bernau
genaktionsbündnis@bernau.net
www.bernau.net/home/dosto/gengruppe.htm