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Arbeit am Ende?

Ein Manifest gegen die Arbeit

| Susanne Dehmel

Die Arbeitsgesellschaft befindet sich in der Krise. Das wahre Ausmaß der ohnehin beständig hohen Arbeitslosenzahlen wird sichtbar in fast täglich zu lesenden Meldungen über weitere Rationalisierungen. Der Staat müht sich „verzweifelt“, wie das heißt, mit dem Bündnis für Arbeit und kostspieligen Steuergeschenken, Lohnsubventionen und Beschäftigungsprogrammen die Lage zu verbessern. Während alle anderen noch davon träumen, wie einst eine florierende Wirtschaft endlich auch den Arbeitsmarkt stimulieren wird, beschäftigt sich die Nürnberger Gruppe Krisis um ihren Theoretiker Robert Kurz mit einem Tabuthema: die Zukunft der Arbeitsgesellschaft. Das vorliegende Manifest ist eine schonungslose und bisweilen provokative theoretische Kritik der gängigen Vorstellungen über Arbeit. Es „soll die herrschenden Denkverbote frontal angreifen und ebenso offen wie klar aussprechen, was sich niemand zu wissen traut und viele doch spüren: die Arbeitsgesellschaft ist definitiv am Ende.“ (S. 41)

In siebzehn kurzen Kapiteln skizzieren die Verfasser eine Gesellschaft, die sich ideologieübergreifend einem Relikt verschrieben hat und nun von einem Leichnam beherrscht wird: dem Götzen Arbeit. Der wird nur noch künstlich und mit großem Aufwand weiter beatmet, denn die Erwerbsgesellschaft stößt nach Meinung der Autoren hier an ihre absolute Grenze: „Erstmals wird mehr Arbeit wegrationalisiert als durch Ausdehnung der Märkte (und die Schaffung neuer Produkte und Branchen) reabsorbiert werden kann.“ (S. 28) Die früheren Kompensationsmechanismen greifen nicht mehr, der systemimmanente Widerspruch von Kaufkraft und Konsum einerseits und betriebswirtschaftlicher Konkurrenz, d.h. Rationalisierungszwang andererseits, wird zum von der Gruppe bereits des öfteren vorhergesagten Kollaps führen. Die dritte – mikroelektronische – Revolution hat den arbeitenden Menschen überflüssig gemacht und „der Verkauf der Ware Arbeitskraft wird im 21. Jahrhundert genauso aussichtsreich sein wie im 20. Jahrhundert der Verkauf von Postkutschen.“ (S. 5)

Solche Szenarien über den nahenden Zusammenbruch des (fast) weltweit herrschenden warenproduzierenden Systems flößen Angst ein. Da verwundert es nicht, wenn um so vehementer an der Arbeit als gesellschaftlichem Zwangsprinzip festgehalten wird. „Wer nicht arbeitet, soll auch nicht essen!“, tönt es aus allen ideologischen Lagern, und: „Jede Arbeit ist besser als gar keine!“ – und sei sie noch so sinnlos. Kann das Dogma von der Arbeit als natürlicher Bestimmung des Menschen gelten, wenn „drei Viertel der Menschheit nur deshalb in Not und Elend versinken, weil das System ihre Arbeit gar nicht mehr brauchen kann?“ (S. 13)

Die ehedem noch stolz „sozial“ genannte Marktgesellschaft ist zu einer neoliberalen und sozialstaatlichen Apartheidsgesellschaft verkommen, die von rücksichtslosem Konkurrenzkampf, Entsolidarisierung, Naturzerstörung und Rechtsnationalismus geprägt ist. „Die ideologische Verwandlung der knappen Arbeit ins erste Bürgerrecht schließt konsequent alle Nicht-Staatsbürger aus.“ (S. 9) Und sie produziert eine Masse von wohlfahrtsabhängigen Überflüssigen, die als „lästiger Humanmüll“ angesehen werden.

Robert Kurz und den anderen Autoren des Manifestes ist ein interessanter und mutiger Aufriß des komplexen Themas „Zukunft der Erwerbsarbeit“ gelungen. Daß vieles nur angerissen und stellenweise mehr polemisiert als argumentiert wird, tut dem Manifest keinen Abbruch. Gerade dadurch eignet es sich als Diskussionsgrundlage für all diejenigen, die sich trauen, der Wahrheit über eine unsichere Zukunft ins Gesicht zu sehen.

Gruppe Krisis: Manifest gegen die Arbeit. Eigenverlag, Leverkusen 1999, 47 S., 5 DM.