„Über die Navajo-Frau habe ich nur dieses zu sagen“ hielt ein früher Besucher des amerikanischen Südwestens fest, „sie ist die unabhängigste Frau unter der Sonne. Sie ist Herrin über ihren gesamten Besitz. Heirat nimmt ihr nichts. Scheidung liegt ebenso in ihrer Hand wie in der ihres Mannes. Ihre Familie ist ihre eigene. (…) Eine Lieblingsfiktion von Soziologen ist, die Lage der Frauen verbessere sich in direktem Verhältnis zum Vordringen der Zivilisation. Laßt Euch nicht täuschen, oh Schwestern, geht zu der wilden Frau der Wüsten Arizonas und lernt etwas von ihr.“
„Sogar Personen, die das Leben unterschiedlichster indianischer Gesellschaften ursprünglich als Gefangene kennenlernten, lebten sich manches Mal derart gut in der neuen Umgebung ein, daß sie sich weigerten, diese wieder zu verlassen, wenn sich ihnen einige Zeit später eine entsprechende Gelegenheit bot. (…) Die Engländer hatten ebenfalls Probleme, Individuen, die in die Gefangenschaft indianischer Nationen geraten waren, dazu zu bringen, die indianische Lebensweise wieder aufzugeben: ‚Keine Argumente, keine Bitten, noch Tränen ihrer Freunde und Verwandten konnten viele von ihnen dazu bewegen, ihre neuen indianischen Freunde und Bekannten zu verlassen; einige, die (…) überredet wurden, nach Hause zu kommen, wurden unsere Art zu leben nach kurzer Zeit müde, liefen wieder weg zu den Indianern und blieben bis zum Ende ihrer Tage bei ihnen.'“
„In indianische Gefangenschaft geratene europäische und anglo-amerikanische Frauen berichteten anschließend oftmals mit einer gewissen Verwunderung, daß sie dabei trotz ihres völligen Ausgeliefertseins keinerlei sexuelle Belästigung erfahren hatten. Der Respekt, den die Männer indianischer Gesellschaften ihren eigenen Frauen entgegenbrachten, wurde offenbar auch auf weibliche Gefangene ausgedehnt.“
„Großzügigkeit und Freigebigkeit wurden innerhalb der Lakota-Gesellschaft nicht nur von Führerpersönlichkeiten, sondern auch von allen anderen Menschen erwartet. Lakota-Frauen und -Männer, die mehr Güter ansammelten, als sie tatsächlich benötigten, und sie für sich behielten, anstatt sie an Bedürftige weiterzuverschenken, galten als erbärmlich. ‚Persönlicher Wert wurde nicht daran gemessen, wieviel Güter eine Person besaß, sondern wieviel sie loslassen konnte.'“
„Jeder Mensch“, so Dhyani Ywahoo, „hat eine Verpflichtung, diesem Planeten und all unseren Verwandten (Menschen, Tieren, Pflanzen) den Klang von Schönheit, die Macht des Gebetes und das Gefühl von Harmonie wiederzugeben.“
Dies und mehr läßt sich nachlesen in dem Buch „Indianische Frauen Nordamerikas“ von Heidelis Bode-Paffenholz – ein Lesebuch, historisch anspruchsvoll und überzeugend, und gleichzeitig überraschend angenehm und spannend zu lesen: mit Begeisterung und Sympathie geschrieben, doch von „neuem indianischem Mythos“ und den „guten Wilden“ keine Spur.
Die Autorin hat eine enorme Menge an Material zusammengetragen und gründlich recherchiert, die Quellenangaben sind korrekt und klar und umfassen ein breites Spektrum – sowohl klassische Quellen sind vertreten als auch solche, die von der traditionellen westlichen Geschichtsschreibung gerne übersehen werden (wie z. B. Paula Gunn Allen).
Das Buch unterteilt sich in zwei große Abschnitte: der erste gibt einen Überblick über den Status der Frauen indianischer Völker Nordamerikas, eine geschichtliche Einführung und eine Einführung in das traditionelle Weltbild uramerikanischer Frauen.
Im zweiten Abschnitt werden Frauen einzelner Stämme und Regionen exemplarisch herausgegriffen und verschiedene Bereiche ihres Lebens näher beschrieben.
Wie in einem Kaleidoskop lernen wir die verschiedenen Aspekte kennen, die das Leben uramerikanischer Frauen ausmachten: Nahrungsgewinnung, Wohnformen, Zusammenleben und soziale Beziehungen, Kindererziehung, Rechtsprechung, Stellung der Frau innerhalb ihrer Gemeinschaft, Umgang mit internen und externen Konflikten, Arbeit, Spiritualität, Besitz und vieles mehr. Wir erfahren, wie unterschiedlich die über 300 damals existierenden „nations“ lebten und worin sich viele doch ähnelten. Auch die fatalen Folgen der Eroberung durch die EuropäerInnen und der Untergang vieler uramerikanischer Gesellschaften werden in ihrem bedrückenden Ausmaß deutlich.
Jenseits trockener historischer Belehrung ist hier ein „Lesebuch“ entstanden, ein wunderbarer Schmöker – ein Hochgenuß für alle, die es lieben, wenn eingefahrene Vorstellungen durcheinandergewirbelt und auf den Kopf gestellt werden!
Bedauerlich ist nur der Preis: 79 DM sind für das Buch angemessen, machen es aber leider für normale Geldbeutel nicht gerade erschwinglich.
Heidelis Bode-Pfaffenholz: Indianische Frauen Nordamerikas. Centaurus Verlagsgesellschaft, Pfaffenweiler 1997, 458 S., 79 DM.