antifaschismus

Eine Gesellschaft, in der Angst herrscht

| Karl Pfeifer

Es ist nicht zu fassen. In Wien konnten von der FPÖ tausende rassistische und fremdenfeindliche Plakate aufgestellt werden, ohne daß es in der Öffentlichkeit (wenn wir von einer Reaktion der Israelitischen Kultusgemeinde, der Evangelischen Kirche und einiger weniger Intellektueller absehen) zu einem empörten Aufschrei gekommen wäre.

Österreichs katholischer Kardinal Christoph Schönborn meldete sich erst ein paar Tage vor der Wahl, nachdem der sozialdemokratische Bundeskanzler eine „Ausländerfrage“ entdeckt hat, die Emotionen erweckt mit allgemeinen Floskeln zu Wort, denn er wollte „nicht in die Wahlkampagne eingreifen“. Der Bundespräsident, der bei seiner letzten Wahl von Haider unterstützt wurde, schwieg auch zum verhetzenden Rassismus Haiders und seiner Partei. Und nun, nachdem die FPÖ zweitstärkste Partei geworden ist, kommen die guten „Linken“ und stimmen in den „nationalen“ Konsens ein. Bundeskanzler Klima kündigt eine internationale Pressekonferenz an und meint: „Es geht nicht, dass Wähler als Nazis diffamiert werden. Es geht um die Reputation Österreichs.“ Grünen-Chef Van der Bellen glaubt erklären zu müssen: Österreich „war vor dieser Wahl und ist auch danach kein Naziland“ und tappt damit in die Falle der FPÖ. Denn kein vernünftiger Journalist in der Welt, keine seriöse Zeitung hat behauptet Österreich wäre ein „Naziland“. Wenn Haider wiederholt, was schon die ÖVP und deren Kandidat während der antisemitischen Wahlkampagne 1986 praktizierte, nämlich jede Kritik an ihn oder seiner Partei als Angriff auf Österreich auszugeben, dann darf uns das nicht wundern, wenn aber die Führer „linker“ Parteien in diesem Chor einstimmen und Ursache mit Wirkung verwechseln, dann muß das schon Sorge bereiten und zwar sowohl im In- als im Ausland.

Wenn Bundeskanzler Klima und Herr Van der Bellen glauben im Ausland Imagewerbung für Österreich machen zu müssen, so ändert das nicht an der Tatsache, daß junge jüdische Österreicherinnen sich überlegen auszuwandern. Aber es sind nicht nur junge Juden und Jüdinnen, die so denken, sondern auch viele junge Nichtjuden und Nichtjüdinnen, die nicht in einer Atmosphäre der konstanten Heuchelei leben wollen und die sich vor einem Haider in der Regierung fürchten. Ein Rechtsextremist, der das Leugnen des Holocausts erst im August als „Randthema“ bezeichnet hat, macht als Führer der zweiten oder dritten Partei nicht nur jungen Menschen Angst. Die Erklärung, die hier für Haiders Wahlerfolg von den Medien vorgegeben wird ist nur eine halbe Erklärung. Angeblich will Haider mit ganzer Kraft gegen Postenschacher, politische Packelei und Privilegienwirtschaft auftreten. Haider gab sich als ein Saubermann, bei dem alles anders wird. In Kärnten konnte der FPÖ-Führer beweisen, wie er sich das vorstellt: Landeshauptmann Jörg Haider will bekanntlich zwei „Aufpasser“, nämlich Pressesprecher Karl-Heinz Petritz und seinen persönlichen Sekretär, Gerald Mikscha, in den Aufsichtsrat der Kärntner Elektrizitätsgesellschaft beziehungsweise in den Vorstand der Kärntner Landesholding hieven (Der Standard, 22. Juni 1999). Haider will also nur den schwarz- roten Proporz durch seine Leute ablösen. Und hier habe ich nur ein Beispiel angeführt, deren gibt es aber mehrere. Haider geht es nicht um Postenschacher, wie den bisherigen Koalitionsparteien, ihm geht es um die Eroberung der Macht. Er wettert gegen seine politischen Gegner und versucht, wo es nur geht den Apparat mit seinen Leuten zu unterwandern. Politik wird als stereotype Schuldzuweisung an Minderheiten oder sonstige unbeliebte Bevölkerungsgruppen betrieben. Und die Masche zieht, nicht nur bei seinen Anhängern. Gemeinheit, Hetze und Intrige, darauf baut Haider und seine Partei, die an die niedrigen Instinkte der Menschen appelliert. Es soll ein Klima der Angst erzeugt werden. Eine Gesellschaft, in der Angst herrscht kann auch keine unbeschränkte Machtausübung verhindern. Denn Haider akzeptiert keine Kontrolle und keinen Widerspruch: weder in seiner Partei, noch in seinem Kärnten. Und sicherlich auch nicht in einem Österreich, das er regiert. Nicht einmal seine blindesten Anhänger sollen sich in Sicherheit wiegen können. Auch sie müssen wissen, dass ihnen das gleiche passieren kann, was sie den Gegnern antun. Ich erinnere mich, wie man sich vor 1938 in der Hoffnung wiegte, die Suppe wird nicht so heiß gegessen, wie sie gekocht wird. Das Vertrauen in die demokratische rechtsstaatliche Struktur Österreichs ist das Vertrauen an eine Chimäre. Das Moderne, Zivilisatorische, ist nur ein dünner Anstrich über einer jahrhunderte alten Struktur der Obrigkeit, Willkür und Gewalt. Diese Tünche ist schneller abgeblättert, als es in den schlimmsten Alpträumen vorstellbar ist. Ein Regime Haider wird eine andere Gesellschaft hervorbringen, in der oppositionelle Politik nicht einfach möglich sein wird. Viele Bevölkerungsgruppen werden in berechtigter Angst leben: Ausländerinnen, Sozialhilfeempfängerinnen, Schwule, Lesben, Künstlerinnen, kritische Intellektuelle usw. Ist Haider einmal an der Macht, wird er alles mögliche daran setzen, daß er von dort nicht mehr so leicht wegzubringen ist. Er wird den Haß schüren, um von seiner Politik abzulenken. Die Schuld werden die anderen haben, und die „Ordentlichen und Fleißigen“ werden dann schon wissen, wie man mit denen umspringt, die ein sauberes Österreich als Nestbeschmutzer besudeln und verunglimpfen. Haider und Co. werden eine unternehmerfreundliche Politik betreiben. Einen beispiellosen Sozialabbau durchpeitschen. Den Reichen die Steuern senken, die Arbeitschutzgesetze aushöhlen. Die Wohnungen werden nicht billiger werden, wie das Haider nicht müde wird zu versprechen. Ein gesunder Geist in einem gesunden Körper, so ließ Haider sich in Kärnten plakatieren. Was passiert unter solch einem Politiker mit psychisch Kranken? Mit Behinderten? Mit Alten und Schwachen? Die Tatsache, daß die FPÖ im Polizei und Justizapparat sowie im Militärbereich zahlreiche SympathisantInnen hat, gibt berechtigten Anlaß zur Sorge. Die Zahl von FPÖ-FunktionärInnen, die im Zivilberuf bei Polizei oder Bundesheer arbeiten, ist hoch. Die deklariert rechtsextreme und neonazistische Szene setzt in die FPÖ nicht zufällig große Hoffnungen. Das Problem sind nicht nur Haiders Wähler, sondern diejenigen außerhalb seines Lagers, die ihm zustimmen. So wie sich Antisemitismus in der Ersten Republik (1918-1938) nicht nur auf die Nazi beschränkte, sondern der Großteil der österreichischen Bevölkerung antisemitisch war, so sind heute nicht nur FPÖ-WählerInnen „ausländerfeindlich“. Die FPÖ hat in diesem Punkt die kulturelle Hegemonie erreicht. Wer nicht autoritätshörig und kein Kriecher ist, wird auch keinem Rattenfänger nachtrotten. In einer Gesellschaft, in der es keine Diskriminierung und Ausgrenzung von Menschen aufgrund ihrer Herkunft, ihrer Hautfarbe, ihres Geschlechts, ihrer sexuellen Orientierung, ihres Alters oder ihrer Behinderung gibt, wäre eine Partei wie die FPÖ eine unbedeutende Sekte.

Anmerkungen

Karl Pfeifer berichtet am 4.11. in der Fachhochschule Bielefeld, Karl-Schumacher-Str. 6, über die Zustände in Österreich und über den jetzt an der FH Bielefeld "forschenden" rechtsextremen Professor Pfeifenberger (s. GWR 241), Info über FH-AStA- Bielefeld, Tel: 0521/1062623