concert for anarchy

Little Steven: Revolution

Ernsthaft, wenn nach einem revolutionären Lied aus dem Jahre 1989 gefragt würde, wer dächte da an Little Steven aus dem Süden von New Jersey, bzw. wer kennt ihn überhaupt? Bekannt ist die Region eher durch Bruce Springsteen, in dessen Band Steven Van Zandt, wie Little Steven mit bürgerlichem Namen heißt, seid den 70er Jahren musizierte oder durch Southside Johnny, den er produzierte und für den er Songs schrieb. Doch stand Little Steven schon seit 1982 mit seinen „Disciples of Soul“ auf eigenen Füßen und hatte mit dem weißem Soul auf dem Album „Men Without Women“ einen großen Erfolg. Der Name „Jünger des Soul“ drückt seine Achtung für den traditionell schwarzen Soul aus, beinhaltet aber auch ihn aus seiner Perspektive einzusetzen. Damit entspricht er seiner grundsätzlichen politischen Haltung wie er sie in der CD „Revolution“ sieben Jahre später umsetzt. Seither hat er vor allem als Gitarrist, Produzent und zuletzt als Remixer für andere Künstler gearbeitet. Mittlerweile scheint Little Steven in Vergessenheit geraten zu sein, immerhin ist es schwer das Album „Revolution“ heute, zehn Jahre danach, im Plattenladen zu erhalten. „Mit ihm ist heute kein Geschäft zu machen. Aber die Musik ist gut!“, so hieß es bei einem Versuch. Aber es lohnt sich Stevens Revolutionslied noch einmal ganz bewußt zu hören und sich den Zusammenhang zu vergegenwärtigen. Denn wenn er singt: Was wir brauchen ist Befreiung, dann drückt sein Leiden am Leben in den USA aus. Seine Position ist nicht zuletzt deshalb bemerkenswert, weil er sie fast gleichzeitig mit dem gemeinhin als Sieg des Kapitalismus in der globalen Konkurrenz der Systeme begriffenen Niedergang der staatssozialistischen Staaten vorlegte. Und obwohl nun der Ostblock als Ort der revolutionären Veränderung zum Markt hochgehalten wird, zeugen zeitgenössische Äußerungen wie der Song von Little Steven, daß Revolution in einem ganz anderen Sinne auf der Tagesordnung gestanden hatte. Nur hätten wir diese nicht als Zuschauer erleben können, sondern hätten sie selbst in die Hand nehmen müssen.

Hören wir seine Analyse und sein Votum, das von den Soulrhythmen von Gitarre, Schlagzeug, Baß und Keyboard begleitet wird. Eine traumatische Situation steht am Beginn, ein dumpfes Erwachen, im Schleier von Lügen, Drogen, Alkohol und den Manipulationen der Politik. Er beobachtet fehlendes Geschichtsbewußtsein und Leitgläubigkeit statt genauem Hinschauen oder radikaler Praxis, die für ihn schon im Lesen beginnen kann. Aber in der Luft liegt Revolution, greifbar nah, für sie gilt es sich bereit zu halten. Sie hat weder etwas mit schönfärberischen noch mit überkommenen Vorstellungen gemein. Ausdrücklich widerspricht er Maos Vorstellung einer bewaffneten Revolution, meist sei Revolution gewaltlos. Gil Scott-Heron, bekannt durch seinen programmatischen Song „The revolution will not be televised“, versichert er, sie wird doch im TV übertragen und auch wiederholt werden. Und schließlich wird Stevens suggestiv, was wir brauchen ist Befreiung, nicht nur politische auch spirituelle, sexuelle, intellektuelle usw. Bezeichnend auch, daß für Little Steven die Farbe dieser Revolution Grün ist und das dieser visionäre Traum allen zugänglich sein soll. Die Ansagen vor Beginn und am Schluß des Liedes sind Szenen einer Gerichtsversammlung des Volkes. Sie weisen der Revolution die Position der Urteilsverkündung zu, die für alle mit dem Schuldspruch endet.

Stevens revolutionäre Perspektive verdeutlicht auch ein Blick auf die Themen der anderen Songs der CD: Bildung, Befreiungstheologie, Liebe oder der Indianer Aktivist Leonard Peltier. Ihm geht es immer um eigenes aktiv werden, wofür er den Interessierten Informationsmöglichkeiten bei zwanzig Adressen von Umwelt- bis Tierrechtsgruppen und 15 Lesehinweise im CD-Beiheft gibt. Dort entwickelt Little Steven auch sein kurzes Manifest einer „Living Revolution“, das mit einer Aktualisierung des klassischen Beginns des Kommunistischen Manifestes von 1848 startet: „Ein Gespenst geht um in Europa, das Gespenst einer dauerhaften Umweltzerstörung…“ Statt der Gefahr des Kommunismus als sozialer Bedrohung in der Mitte des 19.Jh. stellt er die ökologische Gefährdung im späten 20.Jh. ins Zentrum. Little Steven wußte wovon er sprach, denn er produzierte im gleichen Jahr 1989 für Greenpeace ein Rainbow Warrior Album. Die Analyse der „Living Revolution“ wie sie Little Steven vorlegte, erscheint etwas grob. Eine gesichtslose Macht schafft eine Diktatur, die Medien kontrolliert, Umwelt vergiftet und allen indigenen Kräften die Souveränität raubt. Essenz der Revolution sei es, die Tyrannei abzuschaffen, die basisdemokratische Freiheit zu realisieren und sich spirituell neu schaffen. Um das zu erreichen propagiert er die Einigung verschiedenster Revolutionäre.

Heute wissen wir: die Geschichte hat 1989 eine andere Wende genommen. Das Gespenst in Europa war tatsächlich der Kommunismus, kein Manifest hatte der staatssozialistischen Herrschaft helfen können. Sie war brüchiger als die kapitalistischen Verhältnisse. Das Leiden in kapitalistischen westlichen Ländern, die ökologischen Bedrohungen, all das hat sich wenig geändert. Eine Revolution wie sie Little Steven propagiert steht auf der Tagesordnung. Aber ein Wandel liegt solange in der Luft, bis er ergriffen wird.

Revolution
[The people's court is now in session
All rise - here come the judge]
Woke up this morning moving in a slow crawl
I've been brainwashed with lies, dope and alcohol
I found common sense driven undercover
by some politician smiling trying to be my mother
we don't know our own history
we believe everything we hear
the truth is all around you if you know where to look
it's time for something radical
like read a book
There's a change in the air
you can feel it everywhere - revolution
You can hide you can run
better get ready here it comes - revolution
It's about everybody working
Not some fake apology
Human rights not some civil liberty
True education - not some phony history
real freedom not some outdated ideology
Sorry Mao ain't gonna come from the barrel of a gun
sorry Gil it's gonna be televised and rerun
it's non-violent most of the time
it speaks a new language that is well defined
There's a change in the air
you can feel it everywhere - Revolution
You can hide you can run
better get ready here it comes - Revolution
What we need is liberation
political - spiritual - sexual - intellectual - physical - economical
colour this revolution green
let's give everybody a piece of the dream
[The people's court is now in session
All rise - here come the judge
we are all guilty in the eyes of the judge]

Revolution
[Das Gericht des Volkes tagt
Alle stehen auf - hier kommt die Richterin]
Heut Morgen erwacht, schleppte ich mich nur langsam dahin
Mein Gehirn war mit Lügen, Drogen und Alkohol gewaschen
Mein gesunder Menschenverstand war vertrieben
von einigen aalglatt lächelnden Politikern, die versuchen mich zu bemuttern
Wir kennen unsere eigene Geschichte nicht
Wir glauben allem was wir hören
Die Wahrheit ist überall um dich herum, wenn du hinzuschauen verstehst
Es ist Zeit für etwas radikales wie ein Buch lesen
Ein Wandel liegt in der Luft
du kannst es überall fühlen - Revolution
Du kannst dich verstecken, du kannst flüchten
halt dich besser bereit hier kommt sie - Revolution
Es ist etwas wofür Jede arbeitet
Kein frisierter minderwertiger Ersatz
Menschenrechte keine zivile Freiheit
Wahre Bildung - keine gefälschte Geschichte
wirkliche Freiheit keine veraltete Ideologie
Tut mir leid Mao, sie kommt nicht aus den Gewehrläufen
Tut mir leid Gil
(*), sie wird gefilmt und wiederholt
sie ist meist gewaltlos
sie spricht eine neue Sprache, die sehr scharf umrissen ist
Ein Wandel liegt in der Luft
du kannst es überall spüren - Revolution
Du kannst dich verstecken, du kannst flüchten
halt dich besser bereit hier kommt sie - Revolution
Was wir brauchen ist Befreiung
politische - spirituelle - sexuelle - intellektuelle - physische - ökonomische
die Farbe dieser Revolution ist Grün
Gebt Jederfrau ein Stück des Traumes
[Das Gericht des Volkes tagt
Alle stehen auf - hier kommt die Richterin
Wir sind alle Schuldig in den Augen der Richterin]

CD: Little Steven, Revolution, 1989, BMG Music

(*) Steven spricht hier Gil Scott-Heron an, dessen Song "The revolution will not be televised" von 1975 sehr bekannt geworden ist, vgl. gwr