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Heim und Herd sind Goldes wert

Utopien und Realitäten zu Existenzsicherung und Erbrecht

| Gita Tost

Als ich noch verheiratet war und mich in Normalität versuchte, kam ich natürlich auch in den zweifelhaften Genuß der obligatorischen Großversammlungen meiner Schwiegerfamilie. Zum Beispiel zu Omas 80. Geburtstag. Da saßen sie alle traulicht beisammen: die sieben Kinder nebst GattInnen, die fünfzehn Enkelkinder nebst Gesponsen und auch schon das ein oder andere Urenkelchen. Saßen und unterhielten sich. Vornehmlich über Omas Besitztum, und wie selbiges wohl im unvermeidlichen Todesfalle der rüstigen alten Dame – der wir alle ein langes Leben wünschen! – aufzuteilen wäre. Rund um die Festtafel und unter Omas noch gut hörenden Ohren wird da fröhlich geschachert. Vor allem um den größten Brocken: um die bescheidene Eigentumswohnung.

In den meisten Familien läuft das verdeckter. Meine angeheiratete Familie – alles rechtschaffene ArbeiterInnen – waren da wenigstens offener und ehrlicher als allgemein üblich. Meist beginnt dieses Gerangel erst nach Eintreten des Todesfalles. Dafür wird dann mit umso härteren Bandagen gekämpft. Am meisten um Häuser und Grundbesitz. Hand auf’s Herz: in welcher Familie gärt nicht ein alter Streit ums Erbe, um Neid und übers Ohr gehauene Anverwandte? Ist es ein sonderbarer Zufall, daß dabei anscheinend immer die Frauen den Kürzeren ziehen? Wohl kaum. Eher patriarchale Stringenz, folgerichtig.

Mein Vater prellte seine Tante um ein Erbe von mehreren Häusern und ließ sie, die schlaganfallgeschädigte Rentnerin, almosenhalber weiter in ihrer selbst angezahlten, noch hypothekenbelasteten Eigentumswohnung bleiben. Wie gnädig! Eine Freundin von mir mußte zusehen, wie ihr einziger Bruder den väterlichen Betrieb nebst zugehörigen Wohngebäuden erbte. Sie selbst und ihre Schwestern gingen nicht nur leer aus, sondern durften künftig ihrem Bruder sogar horrende Mieten für den Verbleib in ihren dortigen Wohnungen zahlen. Eine andere, in der Stadt wohnende Freundin bekam immerhin noch ein Stück Acker irgendwo im hintersten Bayrischen Wald, während der Bruder Haus und Hof übernahm. Auch bei meinen Nachbarn sind die Töchter gut unter die Haube gebracht worden, sprich: außer Haus verheiratet, während der Sohn den Bauernhof bekommen hat. Zufall?

Das Mittelalter ist noch lange nicht so weit weg, wie wir uns das wünschen würden…

Utopien

Ich sitze mit einer Gruppe feministischer Freundinnen zusammen und diskutiere Utopien, Zukunftsperspektiven, Gesellschaftsentwürfe und politische Forderungen. Wir hatten angefangen bei Forderung nach Abschaffung von Eheprivilegien und materiellen Abhängigkeiten, die in den derzeitigen Ehegesetzen angelegt sind. Von da aus gingen wir nahtlos über zur Forderung nach einer eigenständigen Existenzsicherung für jede Person, unabhängig von einem angeheirateten Versorger, bzw. im Fall der geplante Homoehe: einer Versorgerin. Privilegien, darin waren wir uns einig, sollte es selbstverständlich nur für jene geben, die Kinder erziehen oder Alte und Kranke pflegen.

Und wie das Ganze realistischerweise finanzieren? Manche behaupten ja, eine Abschaffung des Ehegattensplitting wäre ausreichend, um aus den Steuermehreinnahmen eine menschenwürdige Existenzsicherung für alle – ohne Zwangsarbeit und gesellschaftliche Stigmatisierung – bezahlen zu können. Dann gibt es noch das weiterreichende Modell, einen Fond zu schaffen, aus dem diese Grundsicherung finanziert werden soll. Dieser Fond wird durch eine Abschaffung des herkömmlichen Erbrechts gefüllt, indem sämtliche Besitztümer von Verstorbenen in den Fond fließen. Sozusagen eine Weitergabe von Erbe über Umwege und mit einer gerechteren Verteilung als bisher.

Dieser Ansatz sägt natürlich gewaltig an den Grundpfeilern des Kapitalismus und des Patriarchats. Denn wofür rackert sich der traditionelle Familienernährer ab? Doch dafür, daß es seine Kinder einmal besser haben; für’s traute Eigenheim, das er an die Kinder (bzw. vornehmlich an seinen Sohn, der die Schwestern dann – siehe oben – um ihren Anteil prellt) vererben will. Wo kämen wir denn da hin, wenn das Heer der ausgebeuteten Arbeitnehmer es plötzlich nicht mehr einsähe, sich unter den immer unmenschlicher werdenden Bedingungen der globalisierten Marktwirtschaft kaputtzuschuften, weil für die Kinder schon gesorgt ist, nämlich mittels Grundsicherung für alle!? Wenn es keinen Sinn mehr machte, uferlos Besitz anzuhäufen, der weder mit ins Grab genommen noch an bestimmte Privilegierte weitergegeben werden kann?

Und sind die Dinosaurier Ehe und Zwangsmonogamie für Frauen, die mit ihren Ungerechtigkeiten und ihrer verlogenen Doppelmoral auch heutzutage noch zentnerschwer auf dieser Gesellschaft lasten, nicht ursprünglich aus eben diesen Motiven entstanden? Nämlich: dem Sohn – und zwar nachweislich dem leiblichen, eigenen Sohn – über das Vererben von Besitz auch den eigenen Status weiterzugeben. Bedenken wir, welch weitreichende Folgen das hatte und hat: angefangen beim mittelalterlichen Keuschheitsgürtel über Hexenverfolgung und Erfindung der Prostitution bis hin zu den reaktionären Homoehebestrebungen dieser Tage, um schließlich auch noch die letzten freien Vögel in diesen nur mäßig vergoldeten Käfig zu sperren.

Auch hätte die Abschaffung des herkömmlichen Erbrechts eine völlig andere Strukturierung der Wohnformen zur Folge. Keine Eigenheime mehr! Das bedeutet nicht nur eine drohendes Aussterben der Gartenzwerge, sondern – gerade hier bei mir auf dem Land oder in den Besserverdienenden-Schlafghettos der Vororte – ein Wegfallen des Hauptgrundes für Nachbarschaftsstreitigkeiten und Generationen währende Familienfehden (von wegen: „Der Ast Ihres Baums hängt auf mein Grundstück!“ oder: „Der Stadl-Bauer haßt seinen taubenzüchtenden Nachbarn, weil sein Vater einmal mit dessen Großvater… irgendwas war da, aber ich weiß nicht mehr so genau, was eigentlich.“).

Erschwingliche Genossenschaftswohnungen für alle, keine unverschämten Vermieter mehr, keine Wucherpreise und Kaputtmach-Spekulationen, durchaus noch Wohnrechte auf Lebenszeit, aber ohne Besitzansprüche… – die Welt könnte so schön sein!

Und was die eingangs erwähnten Erbstreitigkeiten angeht: Ich steh ja nun überhaupt nicht auf (leibliche) Familie, und zum Glück bleiben mir diese obligatorischen Jubiläumsversammlungen inzwischen erspart. (Partys mit meinen Schlampenschwestern und unseren Kindern machen um Längen mehr Spaß!) Aber wenn ich mir vorstelle, was eine Abschaffung des Erbrechts da für positive Wirkungen zeitigen könnte! Kein Geschacher mehr, kein Neid, kein generationenlanger Groll um Besitzstreitigkeiten…. Da könnte ja glatt sowas wie Harmonie und Wohltat ausbrechen – sogar in den traditionellen Familien!

Realitäten

Gerade als unser Grüppchen sich solchermaßen wunderbar einig ist und wir in rosigen Zukunftsvisionen schwelgen, kommt aus einer Ecke ein Räuspern. Ute, die überall als furchtbar linksradikal und schrecklich politisch Verschrieene, meldet sich zu Wort. Ganz leise und verschämt sagt sie: „Aber, ähem, also, meine Eltern haben auch ein Haus, und, ehrlich gesagt, also ich hätte nix dagegen, das zu erben. Ist euch eigentlich klar, was wir da gerade fordern? Meint ihr das wirklich ernst?“

Oh du meine Güte! Das wird wohl noch ein langer Weg…