libertäre pädagogik

Summerhill bleibt

Schließung der Alternativschule konnte vorläufig abgewendet werden

| Bernd Drücke (GWR-MS)

Ende Februar berichtete die GWR in ihrer Ausgabe Nr. 247 (als erste deutschsprachige Zeitung?) über die wieder einmal drohende Schließung der antiautoritären Alternativschule Summerhill in Großbritannien. Nun ist die Schließungsgefahr vorläufig gebannt.

Das Unabhängige Schultribunal am Londoner High Court hat den Schmähungen und Schließungsgelüsten der britischen Labour-Regierung gegen die Summerhill School am 23. März eine Absage gegeben. Die Summerhill School habe „das Recht auf eine eigene Philosophie“, so die Begründung, mit der die Richter das britische Bildungsministerium dazu verdonnerten die „Schließungs-Warnung“ zurückzunehmen. Zuvor hatten Tony Blairs Schulinspektoren eine Hetzkampagne gegen das weltberühmte Schulprojekt losgetreten. Summerhill erlaube es seinen SchülerInnen „Faulheit als Übung in persönlicher Freiheit misszuverstehen“.

Die Summerhill School unterscheidet sich von anderen Schulen vor allem durch das Prinzip der freiwilligen Teilnahme am Unterricht. Dieses libertär inspirierte Schulkonzept, das schon der gewaltfreie Anarchist Leo Tolstoi 1861 unter dem Motto „Komm frei und geh frei!“ in seiner Schule in Jasnaja Poljana eingeführt hatte, wird in Summerhill seit 79 Jahren praktiziert. Es sei die „Wurzel des Übels“, so die britische Schulaufsicht, die Bildung der Jugendlichen sei „bruchstückhaft, entmutigend, eng angelegt und insgesamt wohl schädlich für die künftigen Aussichten der Betroffenen“. Die zur Zeit von 57 Kindern aus aller Welt besuchte Summerhill School erfülle nicht die britischen „Standards“ und sei deshalb zu schließen.

Zoe Readhead, Ex-Summerhillschülerin, Tochter des Schulgründers Alexander S. Neill und zur Zeit Summerhill- Direktorin, hat nun – unterstützt durch verschiedene Protestaktionen – den Prozeß gewonnen. Die „Schulschließungswarnung“ wird vorerst zurückgezogen. Hätte sie verloren, wäre Summerhill sofort geschlossen worden.

Dem Streben der neoliberalen Labour-Regierung nach Kontrolle, Macht und „Effizienz“ steht das nach wie vor funktionierende freie Alternativschulkonzept entgegen.

Der Ruf, den die 1921 von dem antiautoritären Pädagogen Neill zunächst als „Neue Schule“ in der Nähe von Dresden gegründete und später in die südbritische Grafschaft Suffolk umgesiedelte Summerhill School weltweit hat, war immer schon allen konservativen und etatistischen PädagogInnen und den Machthabern in England ein Dorn im Auge.

In der Frankfurter Rundschau vom 24. März 2000 wird Geoffrey Robertson, der Anwalt der Summerhill School, zitiert: „In jedem intelligenten Bildungssystem würde Summerhill doch als wertvolle Ressource betrachtet.“ Auch dass aus Summerhill-SchülerInnen „nichts Rechtes“ werde, wie die Schulinspektoren behaupteten, ist hirnrissig. Summerhill habe zufriedene Erwachsene und „unter anderem einen Astro-Physiker und eine Hollywood- Schauspielerin hervorgebracht“, so Robertson. Was es allerdings niemals produziert habe, das seien Mitglieder zweier Berufsbranchen – „Politiker und Schulinspektoren“.

Aktuelle Literatur zum Thema Summerhill

1) Peter Ludwig (Hrsg.): Summerhill: Antiautoritäre Pädagogik heute. Ist die freie Erziehung tatsächlich gescheitert?, Beltz Verlag, Weinheim und Basel 1997, nun neu im Vertrieb Verlag Klemm & Oelschläger, Pappelauer Weg 15, 89077 Ulm, 240 Seiten, ISBN 3- 932577-30-2, Sonderpreis für GWR-LeserInnen: 15 DM

2.) Matthew Appleton: Kindern ihre Kindheit zurückgeben, Schneider Verlag 1999, 30 DM