„Bei allem was jetzt passieren wird, denkt daran, wir sind die Glücklichen! Wir haben hier gebaut und gepflanzt. Die Unglücklichen sind die, die jetzt in weißen Helmen, die jetzt mit Knüppeln gegen uns losgehen sollen…“ (Heinz Brandt)
Es war am 4. Juni 1980 als im Morgengrauen der ganze Landkreis Lüchow-Dannenberg abgeriegelt worden war. Um halb sechs war die Republik Freies Wendland von schließlich bis zu 3.000 Polizisten umstellt worden. Insgesamt sollen 7.000 Mann für den Einsatz zusammengezogen worden sein. Über Lautsprecher und aus Hubschraubern wurde die Räumungsverfügung verlesen und die Freien WendInnen bekamen ein Ultimatum gestellt. Die Sperrketten wurden immer enger um das Dorf gezogen. Noch nach Ablauf des Ultimatums donnerten Hubschrauberstaffeln im Formationsflug über den Platz und brachten frische Polizisten für das Räumen. Erst hinterher erfuhren wir, daß gerade diese Polizisten durch die Desinformation der Führung eine Auseinandersetzung mit Schußwaffen erwarteten. Einige von ihnen kamen mit geschwärzten Gesichtern, wie sie bei der GSG 9 gebräuchlich waren. Entsprechend brutal begannen die Greiftrupps die Räumung. Es wurde trotz der erdrückenden Überlegenheit sofort auf die beharrlich Sitzenden eingeprügelt und es war nur dem organisierten Auftreten der bis aufs höchste angespannten DorfbewohnerInnen zu verdanken, daß die provozierte Eskalation ausblieb. Damit entfiel die erhoffte Legitimation für die staatliche Gewaltdemonstration vollständig. Gleichwohl blieb bei vielen Beteiligten ein sehr ambivalentes Gefühl zurück. Der Eindruck von der übermächtigen Gewaltmaschine des Staates und der rücksichtslosen sofortigen Zerstörung des Dorfes, überlagerte die Erfahrung des solidarischen Lebens während der 33tägigen Existenz und das gemeinsame Agieren angesichts der aufziehenden Truppen. Mit der Räumung war dieser Zusammenhang schlagartig aufgelöst und es fehlte eine Gelegenheit das niederschmetternde Erlebnis überhaupt gemeinsam zu Verarbeiten. So gibt es zwei Bilder von der Freien Republik Wendland, eines aufgrund des Zusammenlebens im Dorf, der Ausstrahlung des Dorfes in die örtliche und sehr stark auch die mediale Öffentlichkeit und eines geprägt von der Räumung. Die Freie Republik war zum einen die realisierte Utopie, auf einem unwirtlichen, nach dem großen Waldbrand kaum wiederbewachsenen, schwarz sandigen und deshalb ständig staubigen Gelände. Mit einer angepaßten aber sehr fantasievollen Holz- und teils Brandholzarchitektur. Mit einer regional ermöglichten, dörflichen Infrastruktur und einer Selbstverwaltung durch einen Sprecherrat. Obwohl es richtig ist, daß es eigentlich kein Dorf gewesen ist sondern ein kurzer Sommer der Anarchie, der auf Dörfer ausstrahlen könnte wie es Walter Moßmann hinterher in einer Fotodokumentation schrieb.
20 Jahre nach der Besetzung des Bohrlochs 1004 bei Gorleben am 3.Mai 1980
„Schwarzer Sand, schwarzer Sand durch die Asche und schrecklicher Staub“
Noch immer ist Gorleben bedroht, denn die Pläne für eine Atommüll Pilotkonditionierungsanlage (PKA) und ein atomares Endlager bestehen weiter und die Lager für schwach- und mittelradioaktiven Müll bzw. das hochradioaktive Castorlager werden bereits betrieben. Die Bedrohung wächst sogar, weil die Verhandlungen zwischen Regierung und Wirtschaft um einen Ausstieg, vor allem das weitere Laufen der Atomreaktoren sichern sollen. Die Kräfte gegen Atomanlagen werden außerdem desorientiert und manche wiegen sich in der falschen Sicherheit es geschähe schon etwas.
Wann sollte eine Widerstandsaktion gefeiert werden.
Heute wird angemahnt, daß in Deutschland eine zu geringe Bereitschaft bestehe sich zu Feiern, z.B. bezogen auf die EXPO in Hannover.
Im Wendland wird gefeiert, die BI hat eingeladen es gibt wieder eine kulturelle Landpartie.
Gorleben und Wendland sind
Klar, Wende bin ich immer noch und den Wendenpaß, obwohl mir Pässe grundsätzlich suspekt sind, habe ich sorgfältig aufbewahrt.
Wie wurde ich Wende?
Wende konnte jede/r werden, da es nicht auf die Abstammung, sondern auf die gemeinsame Aktivität angekommen ist. Und die war gewiß ein Abenteuer gewesen, ein Abenteuer, auf das frau sich einlassen mußte.
Was war das Besondere an der Freien Republik Wendland?
Was hat sich während der letzten zwanzig Jahre verändert? Ist heute die Zeit der direkten Aktionen vorbei?
Nein.
Die größte Schlepperdemonstration in der Geschichte der Bundesrepublik, die „Stunkparade“ von Gorleben nach Dannenberg vor dem letzen Castortransport mit 650 Zugmaschinen und geschmückten Anhängern sind ein Teil der Widerstandsformen der Bäuerlichen Notgemeinschaft. Es gibt viele Widerstandsmöglichkeiten. Lassen wir uns von den Gesprächen um den „Atomkonsens“ zwischen Industrie und Politik nicht verwirren. Wir müssen die außerparlamentarische Anti-Atom-Bewegung stärken und weiter mit direkten gewaltfreien Aktionen gegen die Atompolitik vorgehen um eine sofortige Stillegung aller Atomanlagen zu erreichen.
Dabei sind uns die Erfahrungen des Jahres 1980 und die Erinnerung an das Leben in der Republik Freies Wendland von Nutzen: Turm und Dorf könnt Ihr zerstören, aber nicht unsere Kraft die es schuf.