kultur

Das Weltall – düstere Zukunft…

| Theodor Webin

Daß US-amerikanische Fernsehserien im Normalfall aus einem Großteil von Propaganda bestehen, ist eigentlich nichts Neues.

Daß das auch für STARTREK gilt, ebenfalls nicht: Daß Kommunisten gemeint waren, wenn James T. Kirk in „The Original Serials“ (TOS) gegen Klingonen kämpfte, ist kein Geheimnis. Wenn die Enterprise z.B. in der Folge „A private little War“ (TOS 48) Waffen an eine Gruppe liefert, weil die Klingonen dasselbe zuvor mit der gegnerischen Gruppe durchführten, so war dies nichts anderes als eine Legitimation für den Krieg im Vietnam.

Ironisch konterkarikiert wird die kommunistische Identität der Klingonen in „The Next Generation“ (TNG) dadurch, daß der Klingone Worf von einer russischen Familie aufgezogen wurde. Allgemein vertreten die Klingonen in TNG und den nachfolgenden Serien das Klischee des „edlen Wilden“ (vgl. dazu: Melber: Der Weißheit letzter Schluß.). Besonders zu bemerken hier: Der Schlachtruf der Klingonen: „Heute ist ein guter Tag zu sterben!“, urspünglich Schlachtruf der nordamerikanischen Sioux.

Die Rolle der Kommunisten wird in TNG von den „Borg“ übernommen, die alles assimilieren und damit gleichmachen wollen. Als es der Enterprise-D gelingt, individuelles Denken in der Folge „I, Borg“ (TNG 223) in dieses Kollektiv einzuschleusen, kommt es zu der Gefahr einer kriegerischen Diktatur in „Descent“ (TNG 252/253): Eine Metapher für die Angst vor dem ehemaligen Ostblock in den 90er Jahren.

Diese politische Propaganda muß nicht immer negativ sein. Bekanntestes positives Beispiel ist sicherlich Lieutenant Uhura in TOS, einer Suaheli, deren Nachname „Freiheit“ bedeutet. Die Schauspielerin Nichelle Nichols, die Uhura verkörperte, wollte aus der Serie aussteigen und wurde von niemand geringerem als Martin Luther King dazu angehalten, ihre Rolle weiterzuspielen: Als erste „Schwarze“ unter „Weißen“ in einer fortlaufenden Serie.

Dennoch bleibt, was bei „Sience Fiction“ immer suspekt ist: Die Rolle des „Alien“, des Außerirdischen, gleich dem „Fremden“. Da ist es plötzlich wieder ganz legitim, von „Rassen“ zu sprechen, die „Aliens“ sind in ihrer Fremdheit entweder faszinierend oder gefährliche Eindringlinge.Ein besonders ekelhaftes – anders ist es wirklich nicht auszudrücken – Beispiel, wie politische Propaganda im Science Fiction funktioniert, liefert der Roman „Gespensterschiff“, geschrieben von Diane Carey, veröffentlicht im Jahr 1988 und spielend in der Serie „STARTREK – The Next Generation“. Um diesen Roman soll es im Folgenden gehen.

Die Geschichte….

Der Roman beginnt im Jahr 1995. Der „Kalte Krieg“ ist noch nicht vorbei und das Verschwinden eines russischen Kriegsschiffes löst beinahe den „Dritten Weltkrieg“ aus. Das Schiff wurde jedoch samt 5000köpfiger Besatzung von einem außerirdischen Phänomen entführt und die gesamte Besatzung ist dazu verdammt, körperlos auf ewig in diesem Phänomen zu leben.

Dreihundert Jahre später stößt die Enterprise-D auf dieses Phänomen und die russischen Seeleute treten in Kontakt mit der Besatzung der Enterprise – mit einer konkreten Bitte: Sie wollen getötet werden…

Die Ideologie…

Hier beginnt ein philosophisches Dilemma, um das sich schon ganz andere Leute als Diane Carey den Kopf zerbrochen haben: Die Frage nach der Legitimität von Sterbehilfe, oder sagen wir ruhig: Euthanasie.

Einer derjenigen, die sich darüber den Kopf zerbrochen haben, ist der australische Philosoph und „Ethiker“ Peter Singer. Bekannt ist Singer durch sein Buch „Animal Liberation“, das auch in Teilen der (linken?) Tierrechtsszene Beachtung fand. In seinem späteren Buch „Praktische Ethik“ formuliert er seine Thesen noch einmal. Kurz sollen hier Singers Grundgedanken skizziert werden:

Peter Singer unterscheidet zwischen Personen und Nicht-Personen. Personen sind alle, die über ein Bewußtsein ihrer Selbst verfügen, ob nun Mensch oder Tier. Nicht-Personen dagegen sind Tiere, denen ein solches Bewußtsein abgesprochen werden muß und auch Menschen, wie etwa komatösen Patienten, Säuglingen etc. Die Rechte, die wir als „Menschenrechte“ bezeichnen würden, spricht Singer nur den „Personen“ zu, also nicht allen Menschen.

Singer plädiert nun dafür, sowohl eine Gruppe von kranken Menschen zu töten, als auch dafür, lieber diese als sich selbst bewußte Tiere für Experimente zu nutzen.

Das „Praktische“ in Singers „Ethik“ liegt darin, daß eine Gruppe von Menschen, die für die Gesellschaft eine „Last“ darstellt und ihr keinen „Nutzen“ mehr bringt, einfach ausgelöscht wird: Das spart Kosten, und zwar gleich doppelt: Krankenhäuser müssen keine „unnützen Esser“ mehr durchziehen, und diese erfüllen gleich noch einen letzten gesellschaftlichen Zweck als Versuchs“kaninchen“. Und die sich selbst bewußten Tiere, die Personen sind, dürfen weiterleben.

Dahinter steckt die neoliberale Ideologie der Effektivität. Das Effektivität jedoch etwas ist, nach dem sich Ethik bemessen darf, würde ich ganz vehement abstreiten.

Die von mir verwendeten Vokabeln deuten es schon an: Peter Singer ist, was Euthanasie betrifft, ein Stichwortgeber der extremen Rechten und wird gerne in Zeitungen wie der „Deutschen National-Zeitung“ rezipiert. Doch leider nicht nur hier: Auf „gesellschaftliche“ Effektivität zählende Mediziner und Ethik-Kommissionen kommen heutzutage zu ganz ähnlichen Schlüssen wie Peter Singer, denn in den Krankenhäusern und den staatlichen medizinischen Einrichtungen muß gespart werden: Wo kämen wir hin, wenn uns Todkranke auf der Tasche liegen? Gegenfrage: Wo kommen wir hin, wenn sich dieses Denken durchsetzt?

In Philosophie-Seminaren beispielsweise zur Bioethik – sowohl an Universitäten als auch an Schulen – ist die „Praktische Ethik“mittlerweile als Lehrbuch ebenfalls beliebt, u.a. weil an ihr das „stichhaltige Argumentieren“, ganz unabhängig vom Inhalt, studiert werden könne. Singers Ethik entspricht mittlerweile jedoch auch dem philosophischen Mainstream an den Universitäten.

Der Sieg der Effektivität…

Und wie sollte es auch anders sein? Im 24. Jahrhundert hat sich die Ideologie Peter Singers und seiner Apologeten durchgesetzt. Beverly Crusher, die Schiffsärztin der Enterprise, weiß darüber zu dozieren, wie dies in heutiger Zeit geschah:“Klinisch gesehen, zog man schließlich eine Grenze zwischen Tieren mit Erinnerungsvermögen und Tieren, die über ihr bloßes Erinnerungsvermögen in der Lage sind, sich ein Bild ihrer zukünftigen Lage zu machen und Wünsche betreffs dieser Zukunft zu artikulieren. […]“ (S.195)

Dr. Crusher zitiert hier fast wörtlich die Definition Peter Singers einer Person. Nach dieser fiktiven Zukunft hat augenscheinlich in absehbarer Zeit die „Praktische Ethik“ sich durchgesetzt und scheint auch in ferner Zukunft noch Lehrbuch an der medizinischen Abteilung der Sternflottenakademie zu sein.

Die Geschichte des Planeten Erde im 20. Jahrhundert, insbesondere der Jahre 1933 – 1945, und das heute glücklicherweise noch übliche Unbehagen bei dem Begriff „Euthanasie“ scheint im 24. Jahrhundert auch in Vergessenheit geraten zu sein. Nochmal Crusher:

„Das Wort Euthanasie (Hervorhebung im Original, T.W.) hat eine andere Bedeutung, als viele Leute meinen. Zum einen ist es ein intransitives Konzept. Es beschreibt etwas, das ihnen zuteil wird, nicht etwas, was man ihnen bewußt zufügt. Ursprünglich bedeutet es einen sanften, ruhigen, guten Tod, normalerweise einfach nur einen Glücksfall (Hervorhebung von mir, T.W.). Im Lauf der Zeit hat es die Gesellschaft dann als Umschreibung dafür verstanden, dem Leben ein schmerzloses Ende zu setzen, um unnötiges Leid zu vermeiden. […]“ (S.188)

Dr. Beverly Crusher scheint mir da etwas vergessen zu haben. Aber vielleicht können wir es Menschen im 24. Jahrhundert verzeihen, wenn sie nicht ganz so viel Ahnung von Geschichte haben…

Diese beiden Zitate sollen genügen, um einen Einblick in das zu geben, was uns heute als ethischer Mainstream verkauft wird. Hüten wir uns vor der Zukunft, wenn sie so aussieht.

Die Autorin Carey hat sich betreffs der ethischen Probleme in ihrem Roman beraten lassen von einem David Forsmark, wie sie in der Danksagung schreibt. Zu befürchten ist, daß auch viele andere Philosophen sie hätten beraten können, ohne daß das Buch einen anderen Tenor gehabt hätte: Singers „Praktische Ethik, das sollte klar geworden sein, schlägt hohe Wellen.

Ach ja: Das Ende des Romans möchte ich auch nicht verschweigen. Die Besatzung der Enterprise-D vernichtet das außerirdische Wesen und gibt damit dem Wunsch der russischen Seeleute nach.

Literatur

Anonym: Als der Astronaut Pirx die Aliens traf. Oder: Wir kriegen euch alle. In: radikal Nr. 155, Mai 1998. S. 7 - 12.

Anton, Uwe und Ronald M. Hahn: STARTREK-Enzyklopädie. Film, TV und Video. München 1995.

Carey, Diane: Gespensterschiff. München 1990.

Jäger, Siegfried und Jobst Paul: Von Menschen und Schweinen. Der Singer-Diskurs und seine Funktion für den Neo-Rassismus. 2. Auflage, Duisburg 1992. (= DISS-Texte Nr. 13)

Melber, Henning: Der Weißheit letzter Schluß. Rassismus und kolonialer Blick. Frankfurt a.M. 1992.

Singer, Peter: Praktische Ethik. 2. Auflage, Stuttgart 1994.