antifaschismus

Vom Libanon bis zum Golfkrieg

Zionismus und Israel im Urteil deutscher Linker und Libertärer / Teil II: die 80er und 90er Jahre

| Frank Tiresias

Der antiimperialistische Antizionismus innerhalb der deutschen Linken, der sich insbesondere nach der antizionistischen Wende im Verhältnis zu Israel nach 1967 breit gemacht hatte (1), fand erst zu Beginn der 80er Jahre, genauer im Sommer 1982 zu seinem Höhepunkt. Israel hatte in den Libanon interveniert mit der Begründung, die nordisraelischen Siedlungen vor Anschlägen der PLO zu schützen. Bald jedoch kam es zu einem Dauerbombardement einzelner Stadtteile Beiruts und zu einem Massaker an palästinensischen Flüchtlingen in Sabra und Schatila, das jedoch christliche Bürgerkriegsmilizen aus dem Libanon durchgeführt hatten – in einem Gebiet allerdings, das unter israelischer Militärkontrolle war.

Da es sich damals um einen offensichtlichen Angriffskrieg handelte, war die Verurteilung innerhalb der deutschen Linken einhellig. Da es jedoch gegen diesen Krieg auch innerhalb Israels eine große Protestwelle und eine massenhafte Friedensbewegung gab, die mit dafür verantwortlich waren, dass sich die israelische Armee auch wieder aus dem Libanon zurückzog, sind die von deutschen Linken geradezu reihenweise gebrauchten Vergleiche mit dem Nationalsozialismus gleichermaßen erschreckend. Anstecken – nur, um das damalige Klima zu verdeutlichen – liess sich dabei auch ein permanenter Warner vor linkem Antisemitismus wie Micha Brumlik, Sprecher einer linksoppositionellen jüdischen Gruppe in Frankfurt:

„Eine erste Assoziation drängte sich (mir) auf: Babi Jar! Babi Jar – jenes Massaker, das Ukrainer unter den Augen der SS und deutscher Soldaten an zusammengetriebenen, wehrlosen Juden verübt hatten.“ (2)

Dies und ähnliche Vergleiche des in der Friedensbewegung und unter AntiimperialistInnen gleichermaßen angesehenen antizionistischen jüdischen Dichters Erich Fried können jedoch das Ausmaß antisemitischer Entgleisungen in der deutschen Linken weder erklären noch entschuldigen. Die „blätter des iz3w“ sprachen vom „Holocaust an den Palästinensern“ (Nr. 102/82), die taz, die damals noch als linksradikal bezeichnet werden muss, mehrfach (15. und 16.6.82) von der „Endlösung der Palästinenserfrage“. Die Fachgruppe Frieden der Hamburger GAL fabulierte von „Abschlachtungsmaschinen der faschistischen Konzentrationslager“ oder vom „elektronisierten Morden der zionistischen Armeen“ (3). Die taz scheute sich gar nicht einmal, einen Leserbrief eines „Harald“ abzudrucken, der den israelischen Präsidenten Begin – der allenfalls als früherer Terrorist denunziert werden konnte – mit Hitler verglich und im selben Atemzug sagte, die Deutschen hätten „2 Mio. und nicht 6“ Mio. Juden vernichtet (4). Dieser plötzliche Ausbruch von Vergleichen mit den Nazis bei einem Angriffskrieg – auf den in den 90er Jahren sogar bei den Bombardements im Golfkrieg und gegen Jugoslawien innerhalb der Linken kaum noch jemand verfallen ist – verweist auf zur damaligen Zeit nicht aufgearbeitete tieferliegende Schichten des Antisemitismus in der deutschen Linken. Antisemitische Äußerungen gab es dabei in allen linken Spektren. Antiimperialistische Gruppen radikalisierten ihre reaktionären Forderungen sogar noch: „Zionisten raus aus Palästina!“ schrieb u.a. das Berliner Palästina-Libanon-Komitee auf sein Flugblatt, was quasi einen israelischen Massenexodus bedeuten würde, denn über 90 Prozent der Israelis waren ZionistInnen und als Palästina galt diesen Gruppen das ganze israelische Staatsgebiet (5). Und am 21.7.82 skandierte eine linke Demonstration vor der Bremer Synagoge (!) gar die Losung: „Juden raus!“ (6). Da ist es fast schon tröstlich, dass in Zeiten, in denen die Friedensbewegung bereits die erste 100.000er Demo hinter sich hatte und damit ihre hohe Mobilisierungsfähigkeit anzeigte, eine bundesweit angesetzte Demo, bei der antiimperialistische und autonome Gruppen im Vorfeld einen gemäßigten Aufruf von in Frankfurt/M. lebenden PalästinenserInnen, Juden/Jüdinnen und Deutschen brüsk zurückwiesen, nur 5000 TeilnehmerInnen hatte. Nach der für sie enttäuschenden Demo wurde der Friedensbewegung deshalb von den Autonomen/Antiimps „eurozentristische Borniertheit“ und gar moralische Indifferenz vorgeworfen (7). Aus dem Antiimp- und RAF-Umfeld tat sich damals besonders Brigitte Heinrich hervor, die in einer öffentlichen Diskussion „zur Begrifflichkeit der deutschen Linken am Beispiel des Libanonkrieges“ in einem Streitgespräch mit Haim Hanegbi von der israelischen Friedensbewegung meinte, bei so viel Taubheit wie in der BRD müsse mensch „schon mal zu Übertreibungen“ (8) greifen. Die wenigen nachdenklichen Stimmen gegen diesen Ausbruch antisemitischer Ressentiments wurden bis hin zu gewaltsamen Angriffen niedergebügelt. Als der Berliner Lokalredakteur der taz, Johann Legner, am 12.7.82 in einem Artikel eine ausgewogenere Berichterstattung einforderte und die Mythologisierung des palästinensischen Widerstandes kritisierte, wurden noch in der gleichen Nacht von einer autonomen „Antifaschistischen Aktionsgruppe“ die Fenster seiner Wohnung eingeworfen und im Hausflur Parolen wie „Zionisten & Faschistenschwein“ gesprüht (9).

Die Zurückdrängung des linken Antisemitismus während der Intifada und ihre Ursachen

Bereits ganz anders sah die Diskussion am Ende der 80er Jahre aus. Als die erste Intifada der PalästinenserInnen in den besetzten Gebieten 1988/89 stattfand und auf der autonomen Hauswand der legendären Hamburger Hafenstrasse jener Boykottaufruf „Boykottiert ‚Israel‘! Waren, Kibbuzim und Strände“ erschien (10), waren die Stimmen innerhalb der deutschen Linken, die anfingen, sich gegen Antisemitismus innerhalb der Linken auszusprechen und deswegen die Zusammenarbeit bei Demonstrationen und Aktionen mit Antiimps aufkündigten, nicht mehr vereinzelt, sondern zu einer selbstbewussten Minderheit geworden. Zu denen, die sich am deutlichsten von einer mit antisemitischen Tendenzen durchsetzten Palästina-Solidarität absetzten, gehörten der Kommunistische Bund und die Graswurzelrevolution/Föderation Gewaltfreier Aktionsgruppen (11).

Warum war es jetzt plötzlich zu diesem durchschlagenden Wandel einer nachdenklicheren Diskussion zu Israel gekommen, in der unangebrachte Vergleiche mit den Nazis als antisemitisch kritisiert wurden? Das hatte vor allem mit innenpolitischen Diskussionen in den 80er Jahren zu tun, die die linke und libertäre Öffentlichkeit für Antisemitismus als Herrschaftsform, derer sich auch die BRD-Regierung bediente, sensibilisierte. Angestoßen hatte das wider eigenen Willen der damalige CDU-Generalsekretär Heiner Geißler, der dem Pazifismus der Friedensbewegung eine Mitschuld an Auschwitz unterstellte („Ohne Pazifismus und die pazifistische Bewegung der 20er Jahre wäre Auschwitz überhaupt nicht möglich gewesen.“). Die allgemeine Empörung über diesen Satz wich schließlich einem tieferen Nachdenken, als sich solche Instrumentalisierungen von antisemitischen Vergleichen bei den Herrschenden auf deutliche Weise wiederholten. Bei einer Gesetzesvorlage gegen die Auschwitz-Lüge wollte 1984/85 die neue Kohl-Regierung plötzlich auch die öffentliche Verharmlosung von Gewalt gegen die deutschen Vertriebenen in einem Atemzug benannt und bestraft wissen (12). Und schließlich feierten die NATO-Nachrüster Kohl & Reagan 1985 40 Jahre „Versöhnung“ nach dem Krieg bei einem Reagan-Besuch in der BRD nicht nur in Bergen-Belsen, sondern auch im Soldatenfriedhof Bitburg, auf dem – öffentlich bekannt – auch Soldaten der Waffen-SS begraben waren. Angesichts dieser Frontstellung der friedensbewegten Linken gegen die Art der Vergangenheitspolitik der Herrschenden setzte eine breite Aufarbeitungs- und Analysephase in der deutschen Linken ein (13). Erschrocken war man/frau schließlich auch über die erste direkte Aktion von jüdischen BürgerInnen der BRD gegen Antisemitismus in Deutschland, in Frankfurt/M., als 25 Mitglieder der Frankfurter Jüdischen Gemeinde bei der Premiere des Fassbinder-Stückes „Der Müll, die Stadt und der Tod“ – dem antisemitische Tendenzen bei der Darstellung von Häuserspekulanten als typischen Juden vorgeworfen wurden – die Bühne besetzten und die Aufführung so verhinderten (14).

Langsam trug die verstärkte Tendenz zu Selbstkritik und Aufarbeitung sowohl innerhalb der Linken als auch in der bundesdeutschen Öffentlichkeit Früchte: der Soziologe Habermas wurde mit seiner These von der Singularität der Verbrechen in Auschwitz gar vom Alt-Nazi und Bundespräsidenten Weizsäcker zum Sieger im Historiker-Streit gegen den Aufrechnungshistoriker Ernst Nolte erklärt. Und schliesslich musste Bundestagsvizepräsident Philipp Jenninger im November 1988 gar zurücktreten, als eine unsensible Rede zum Jahrestag der Reichspogromnacht eine allgemeine öffentliche Empörung auslöste. Nur vor dem Hintergrund dieser Diskussionen, die selbst ausgewiesen zynische Kritiker wie Tjark Kunstreich von den 80er Jahren als dem „goldenen Jahrzehnt der Erinnerungsarbeit“ (15) sprechen lassen, ist das Selbstbewusstsein zu erklären, mit dem linke und libertäre KritikerInnen des Antisemitismus von nun an die autonomen und antiimperialistischen Entgleisungen während und nach der Hafenstrasse-Wandparole anprangerten.

Die verqueren Diskussionen während des Golfkriegs 1991

Wer allerdings gedacht hatte, dass sich durch diese gestiegene Sensibilität während der 80er Jahre vergleichbare Diskussionen von nun an erübrigen würden, war nicht nur naiv, sondern sah sich schon 1991 eines besseren belehrt. Die irakische Armee hatte unter Oberbefehl Saddam Husseins in den Kuwait interveniert und die US-geführte Koalition bombardierte im Januar und Februar 1991 den Irak. Dabei war es zu vereinzelten Raketenangriffen des Irak auf Israel gekommen, die zum Glück größtenteils glimpflich abliefen und nicht, wie angedroht, Giftgasangriffe waren.

Die eigentliche Überraschung war innenpolitisch das ebenso heftige wie kurze Wiederaufflammen der Friedensbewegung in der BRD, das von keinem Spektrum erwartet und von vielerlei Ressentiments gegen die Friedensbewegung begleitet worden war – was sich noch bei jedem Krieg in den 90er Jahren dadurch spiegelte, dass immer danach gefragt wurde, wo denn jetzt die Friedensbewegung wäre. Die Autonomen/Antiimps konnten nun ja wohl schlecht weiter von eurozentristischer Borniertheit sprechen und die linken AntizionismuskritikerInnen um die Zeitung „Konkret“ – die wie viele andere Zeitungen diese Tendenz erst so richtig nach dem Zerfall des Staatssozialismus 1989 für sich als neue Legitimationsideologie entdeckte – überschütteten sie geradezu mit Hass und Häme. Wolfgang Pohrt stellte sich in jener legendären Kriegsbefürwortungsnummer 3/91 von „Konkret“ vorbehaltlos auf die Seite der „BILD“-Zeitung und schlug den Gebrauch der israelischen Atombombe vor.

Die empörten LeserInnenreaktionen – „Konkret“ verlor in dieser Zeit über 1000 AbonnentInnen -, die in einer separaten Broschüre veröffentlicht wurden, dokumentierten jedoch auch antisemitische Tendenzen der LeserInnen. Bei den KriegsgegnerInnen wurde eine mangelnde Sensibilität für die Bedrohung Israels durch die irakischen Scud-Raketen wahrgenommen, bei der lange nicht klar war, ob Husseins Ankündigung, sie seien mit Giftgas ausgerüstet, denn stimmen würde. Auch die Tatsache, dass die Antikriegsbewegung wie selbstverständlich Koalitionen mit antiimperialistischen Gruppen einging, führte zur Verbreitung von Antisemitismen, wie ein Skandal um eine Radiosendung von Radio Dreyeckland in Freiburg bewies, bei der ein Rechter seine Thesen vom Befreiungsnationalismus der arabischen Völker in einer Antiimp-Sendung vortragen konnte. Auch die Diskussion um die unglückselige Äußerung des Grünen-Abgeordneten Ströbele, die irakischen Raketenangriffe auf Israel seien die „logische, fast zwingende Konsequenz der Politik Israels“ (16) enthielt vereinzelt antisemitische Beiklänge.

Insgesamt muss jedoch gesagt werden, dass die antisemitischen Tendenzen in der Antikriegsbewegung 1991 von der Qualität her in keiner Weise mit dem Libanon-Feldzug verglichen werden können – der Lernprozess hatte also durchaus auch etwas bewirkt. Und leider wurde die Position der linken KritikerInnen des Antisemitismus dadurch entlegitimiert, dass nahezu durchgängig alle KritikerInnen, von Biermann bis Pohrt, gleichzeitig die Bombardements auf den Irak verteidigten und damit eine kriegsbefürwortende Position einnahmen (17). Dagegen stand die Position der Friedensbewegung, die sich gegen die ideologische Gleichsetzung von Hussein mit Hitler – auch mit der Konnotation: die irakische Bevölkerung sei nicht fähig, sich selbst zu wehren und könne daher nur von außen befreit werden (so z.B. Hans Magnus Enzensberger) – aussprach, gerade in der Tradition der Kritik des linken Antisemitismus, der sich ja in seiner Geschichte vor allem durch deplazierte Vergleiche mit dem Nationalsozialismus durchgesetzt hatte.

In vielen linken Zusammenhängen ging der Streit quer durch die eigenen Reihen. In der Zeitung des „Sozialistischen Büros“, der „Links“, zum Beispiel standen sich Kriegsbefürworter (Brumlik, Claussen) und Gegner (Joachim Hirsch) gegenüber und konnten danach schließlich nicht mehr zusammenarbeiten – m.E. ein wesentlicher Grund für den Niedergang und die spätere Einstellung der „Links“. Dabei wurde die Diskussion unter den Labeln „Bellizisten versus Pazifisten“ geführt – eine ganz falsche Gegenüberstellung, denn der Begriff des Bellizismus wirkt verharmlosend (im Vergleich etwa zu bisher verwendeten Begriffen wie „Kriegstreiber“) und der Begriff des Pazifismus suggerierte gleichzeitig die nahezu naturgegebene Ohnmacht der Antikriegsposition – der das massenhafte Auftreten der Friedensbewegung gerade widersprach, das mitverantwortlich dafür war, dass der damals schon geplante Bundeswehrkampfeinsatz über die Türkei noch einmal verschoben werden musste.

Micha Brumlik, damals bereits Grünen-Politiker, machte der Friedensbewegung besonders bei der Frage ihrer Nichtzustimmung zur Lieferung von Patriot-Abwehrraketen an Israel den Vorwurf der Unsensibilität und des Antisemitismus. Und hier kann auch einmal auf die eigene Geschichte eingegangen werden, denn auch die „Graswurzelrevolution“ sprach sich gegen die Patriot-Lieferung aus und einzelne gewaltfreie Aktionsgruppen blockierten auch immer wieder die Frankfurter US-Airbase, von der aus u.a. auch Patriot an Israel geliefert worden sind. Der Vorwurf Brumliks hätte – was uns betrifft – sicherlich gestimmt, wenn die Voraussetzungen, die er annahm, ebenfalls gestimmt hätten, wenn nämlich die Patriot-Systeme tatsächlich reine Verteidigungswaffen gewesen wären und zudem wirksam eingesetzt hätten werden können. Brumlik und viele Antisemitismus-KritikerInnen waren jedoch antimilitaristisch viel zu unwissend, um nachvollziehen zu können, dass die Patriot-Systeme in der Praxis nicht nur leicht zu Angriffswaffen umgerüstet werden konnten, sondern vor allem, dass sie in ihrer Funktion als Verteidigungswaffen einmal mehr einen waffentechnologischen Mythos darstellten und also für Israel selbst mehr zur Bedrohung denn zur Sicherheit beitrugen. Wenn AntimilitaristInnen dies wissen und die Lieferung aus diesen Gründen ablehnten, dann geht der Antisemitismus-Vorwurf gegen sie ins Leere. Und die Praxis des Krieges hat dann die Vorbehalte der Patriot-GegnerInnen nur allzu sehr bestätigt:

„Von den über 80 Scuds, die Saddam gegen Israel und Saudi-Arabien abschießen ließ, seien 50 angegriffen und 49 getroffen worden, berichteten stolz die Militärs. Dazu sind nach Expertenmeinung etwa 160 Patriots (Stückpreis: 1,3 Millionen Dollar) abgefeuert worden, die genau Zahl hält das Pentagon noch immer geheim. Die meisten dieser Antiraketen-Raketen hätten sich während der vergeblichen Suche nach ihrem Ziel selbst zerstört, berichtete jetzt William Safire in der ‚New York Times‘, und nicht einmal die Treffer waren annähernd so erfolgreich, wie Raketenabwehrfreunde und SDI-Förderer glauben machen wollen: Die meisten Killer trafen nur den unförmigen Scud-Rumpf, zerstörten aber nicht den mit mehreren hundert Kilo Sprengstoff gefüllten Kopf der Rakete. Der explodierte dann doch noch am Boden. Da die ungenauen Scuds nur gegen ausgedehnte Flächenziele gerichtet werden können, war oft nicht einmal hilfreich, daß der Sprengkopf gelegentlich durch Patriot-Treffer abgelenkt wurde: Eine Scud traf nach dem Zusammenprall mit einer Patriot ein US-Lagerhaus in Saudi-Arabien und tötete 28 GIs – es war der verheerendste Scud-Treffer des ganzen Krieges.“ (18)

Hier zeigt sich die ganze Fatalität einer verqueren Diskussion, in welcher Antisemitismus-Kritiker, von antimilitaristischen Kenntnissen unbeleckt, AntimilitaristInnen per se antisemitische Positionen vorwerfen konnten. Gerade in unseren Zusammenhängen war jedoch die Sensibilität gegenüber der von Giftgas bedrohten israelischen Bevölkerung von Anfang des Krieges an zumindest teilweise vorhanden. Als wir zu Bombardementsbeginn die große Massenblockade mit Demo von dann insgesamt 10.000 Menschen vor der Frankfurter Air-Base federführend durchführten, luden wir als Redner auch einen Vertreter des deutsch-israelischen Arbeitskreises ein, der die Ängste der israelischen Bevölkerung gegenüber den DemoteilnehmerInnen vermittelte. Diesen Redebeitrag konnten wir im Demobündnis gegen den erklärten Widerspruch anderer BündnispartnerInnen durchsetzen, weil er uns so wichtig war.

(1) Siehe Teil I dieses Artikels: Ein schmerzhafter Blick zurück. Zionismus und Israel im Urteil deutscher Linker und Libertärer in den Jahren nach 1967/68, in GWR 255, S. 12f.

(2) Brumlik zit. nach Martin Kloke: Israel und die deutsche Linke: zur Geschichte eines schwierigen Verhältnisses, 2. Aufl. 1994, S. 226.

(3) Zit. nach Kloke, S. 225.

(4) Zit. nach Kloke, S. 228.

(5) Zit. nach Kloke, S. 228.

(6) Vgl. Kloke, S. 229.

(7) Vgl. Kloke, S. 222.

(8) Zit. nach Kloke, S. 234.

(9) Vgl. Kloke, S. 235.

(10) Vgl. das Bild, abgedruckt in GWR 255, S. 12.

(11) Für die GWR vgl. vor allem Nr. 131, S. 14/15 und dann mehrere Artikel in GWR 136, Sept. 89 unter dem Titel "Libertäre und Israel/Palästina", S. 1 und 18-22. Vgl. auch verschiedene interne Positionspapiere der Föderation Gewaltfreier Aktionsgruppen im selben Zeitraum.

(12) Vgl. dazu den informativen Aufsatz über die Auschwitz-Lüge von Horst Meier im Jahrbuch II für gewaltfreie und libertäre Aktion, Politik und Kultur, WeZuCo, Kassel 1986.

(13) Vgl. zu Bitburg: Werner Bergmann: Antisemitismus in öffentlichen Konflikten. Kollektives Lernen in der politischen Kultur der Bundesrepublik 1949-1989, Frankfurt/M. 1997, S. 391-424.

(14) Zum Fassbinder-Streit vgl. Bergmann, S. 424-440.

(15) Tjark Kunstreich: Die Befreiung der Deutschen von Auschwitz, Freiburg 2000.

(16) Zit. nach Kloke, S. 319.

(17) Auch Kloke ist in seiner Darstellung der Golfkriegsdiskussion von einseitigen Wahrnehmungen und tendenziösen Darstellung nicht frei. Um nur ein Beispiel unter vielen zu nennen: er unterstellt der gewiss auch kritisierbaren frauenbewegten Zeitung "Emma" antisemitische Positionen, weil sie "Saddam Hussein" als "Bruder" bezeichnet habe. Bei genauerem Hinsehen in die Anmerkung erweist sich die Bruder-Bezeichnung aber als Zitat der arabischen Feministin Fatema Mernessi, also keineswegs als Äußerung aus der deutschen Linken. Kloke arbeitet gerade in diesem Kapitel oft ungenau, vgl. hier S. 317.

(18) Zit. nach Gustav Wagner: Durch die Praxis widerlegt! Hitler-Vergleiche und Patriot-Verkäufer haben es im Frieden schwer, in: Graswurzelrevolution Nr. 155, April 91, S.7, nach Informationen des "Spiegel".