1. Was will die Bundeswehr in Mazedonien?
Ein neuer Kriegseinsatz der Bundeswehr ist beschlossene Sache und die Republik schaut verdutzt zu (1). Der „MFOR“-Einsatz in Mazedonien folgt auf „SFOR“- (Bosnien) und „KFOR“ (Kosovo) (2). MFOR soll eine Truppenstärke von 3.500 NATO-Soldaten umfassen, davon 500 von der Bundeswehr. Offizieller Auftrag der NATO-Truppen der Operation „Essential Harvest“ (ein vielsagender Name!) ist „Waffeneinsammeln“ bei den UCK-Truppen innerhalb von 30 Tagen. Sowohl innerhalb der NATO als auch bei der Bundesregierung ist klar, dass die Frist von 30 Tagen für die Bundeswehr- und NATO-Mission unrealistisch ist. Vorausgesetzt, die UCK hält sich an das von ihr nicht unterschriebene von den EU- und US-Vertretern diktierte „Friedensabkommen“, dann wird sie ihre Waffen freiwillig abgeben. Eine freiwillige Waffenabgabe bedürfte aber keiner 3.500 NATO-Soldaten, dies könnten auch andere Institutionen. Ex-Verteidigungsminister Volker Rühe empfahl dafür das Rote Kreuz. Die UCK im Kosovo und die UCK in Mazedonien sind eng personell verflochten, sie haben die gleichen militärischen Führer. Der gesamte Nachschub der UCK in Mazedonien wurde aus dem Kosovo organisiert. Aus dem Kosovo wurde Mazedonien von der UCK beschossen. Die UCK überschritt regelmäßig die Grenze zwischen Kosovo und Mazedonien. Warum soll ein „Waffeneinsammeln“ bei der UCK nun im Bereich Mazedonien funktionieren, obwohl dies seit zwei Jahren, seit dem Ende des NATO-Krieges gegen Jugoslawien, seit Juli 1999 im Bereich Kosovo nicht möglich war? Zuständig für die Grenzüberwachung zwischen dem Kosovo und Mazedonien sind die US-Armee und die Bundeswehr. Die mazedonische Regierung warf deshalb wiederholt auch der Bundeswehr und der deutschen Regierung vor, bei einer Kontrolle der UCK zu versagen.
Offensichtlich gehen alle davon aus, dass es sich um einen – in der Militärsprache – „robusten“ Einsatz, also einen Kampfeinsatz, handelt, nur der Öffentlichkeit und dem Parlament wird das so nicht gesagt. Doch fast alles deutet darauf hin: Die UCK-Abspaltung, albanische Nationalarmee (ANA), hat den „Friedensvertrag“ abgelehnt, sie wird also weiterkämpfen. Aber auch die UCK selbst wird sich nur bedingt an den „Friedensvertrag“ halten. Das mazedonische Parlament hat den Vertrag noch nicht ratifiziert, ob das überhaupt der Fall sein wird, ist offen. Die Amnestie für die UCK-Kämpfer ist noch nicht vollzogen und zudem bei der Bevölkerung in Mazedonien äußerst umstritten, schließlich haben die UCKler Menschen auf dem Gewissen. Nach der Unterzeichnung des Vertrages gingen die Kämpfe – wenn auch abgeflaut – weiter.
In der Tagespresse wurde über die Rolle der Bundeswehr-Einheiten innerhalb der Operation „Essential Harvest“ spekuliert, in der Sonntagsausgabe der FAZ (3) stand, dass der Bundeswehrverband eine Art „Feuerwehrverband“ sei. Im Krisenfall sollen „die Verbände anderer Nationen unterstützt und notfalls verteidigt“ werden. Das „Verteidigungsministerium“ dementierte die Angabe. Ein Kampfauftrag bleibt die MFOR-Mission allemal.
Die frühe Ankündigung einer NATO-Truppe und die jetzt begonnene Stationierung in Mazedonien haben nicht zu einer Abnahme der Spannungen vor Ort geführt, im Gegenteil. Viele Menschen in Mazedonien empfinden schon die bisherige Einmischung von EU, USA und NATO als einseitig zugunsten der UCK. Nicht wenige Menschen wollen die NATO-Truppen gar nicht in Mazedonien haben. Die NATO-Mission „wesentliche Ernte“ ist also in der offiziellen Version unsinnig.
2. Waffenlieferungen aus westlichen Staaten oder „einsammeln, was man selbst geliefert hat“ (4)
Der offizielle Auftrag der geplanten NATO- und Bundeswehr-Mission ist das Einsammeln von Waffen der UCK. Doch woher kommen und kamen diese Waffen? „An Waffen und Munition herrscht kein Mangel in Mazedonien. Die Krisenregion quillt über von Waffen, Munition und militärischer Ausrüstung aller Art, die ganz offiziell als Hilfen aus NATO-Staaten und anderen Staaten in diese Region geflossen sind“ (5). „Auch NATO-Länder haben Mazedonien als Müllhalde für ihre alten Rüstungsgüter missbraucht“ (6). Im einzelnen: Waffen hat die US-Regierung offiziell an beide Seiten geliefert. Ca. 70 Prozent der Ausrüstung der UCKler soll aus den USA stammen. „Die USA und Großbritannien schickten Unmengen an leichter Ausrüstung“ (7). Frankreich lieferte Panzerabwehrraketen „Milan“ mit Ausbildungssimulatoren, Flugabwehrradareinrichtungen und militärisches Kleingerät. Griechenland, mit dem es ja mal Konflikte gab lieferte ganz offiziell zwei Bell-UH-1 Hubschrauber, Maschinengewehre und Jeeps. Aus der Türkei kamen Raketenwerfer, Kalaschnikows, 105mm Munition und Uniformen. Aus Bulgarien kamen bereits 1999 94 T-55-Panzer, was darauf schließen läßt, dass die anderen hier genannten Waffen, erst ab 2000 geliefert wurden. Aus der Ukraine kamen 8 Hubschrauber mit Piloten, die sofort mit dem grobkörnigen Beschuss albanischer Dörfer begannen. Aus der ach so neutralen Schweiz wurden Transportfahrzeuge und sinnigerweise Gebirgsausrüstung an Mazedonien verkauft. Quantitativ und qualitativ besonders hervorgetan hat sich Deutschland: Vor drei Jahren: 60 NVA-Schützenpanzer BTR 60, vor einem Jahr noch mal 115 leichte Schützenpanzer „Hermelin“ vom Bundesgrenzschutz, 134 Iltis-Jeeps, kugelsichere Westen, Nachtgläser und Sanitätsmaterial.
Hier wird also eingesammelt, was die westlichen Staaten vorher selbst geliefert haben. Friedenspolitik sieht anders aus: bei einer wirklichen Friedenspolitik wären keine Waffen an die UCK und an Mazedonien geliefert worden. Krieg geht nur mit Waffen, deshalb haben die westlichen Staaten wesentliche Mitschuld an der jetzigen kriegerischen Situation.
3. Einmischungen von außen in Mazedonien, alles wegen der Mitgliedschaft im Nato-Programm „Partnerschaft für den Frieden“ (PfP)
Schon in der jüngsten Geschichte mischten westliche Staaten sich massiv in Mazedonien ein. Der Staat Mazedonien erklärte sich im Herbst 1991 für unabhängig, im März 1992 zog die jugoslawische Volksarmee ab. 1992/1993 gab es Blockademaßnahmen von Griechenland gegen Mazedonien (8). Mazedonien wurde am 08.03.1993 in die UNO aufgenommen, aber nicht unter dem Namen Mazedonien, da die griechische Regierung dagegen massiv Bedenken äußerte, sondern unter „frühere jugoslawische Republik Mazedonien“. Schon 1993 wurden in Mazedonien UNPROFOR-Truppen der UN in Mazedonien stationiert.
Die großen Probleme in Mazedonien für Mazedonien kamen aber Mitte 1998, im Vorfeld des NATO-Angriffskrieges gegen Jugoslawien.
Im Vorfeld der Angriffe auf Jugoslawien wurde Mazedonien als Aufmarschgebiet und für Militärmanöver intensiv genutzt. Begründung für die militärische „Nutzung“ war die Mitgliedschaft Mazedoniens im NATO-Programm „Partnerschaft für den Frieden“, die nichts anderes ist als eine „NATO-Mitgliedschaft light“. In Ländern, die dem PfP-Programm beigetreten sind, „können Soldaten der Allianz auch ohne Zustimmung der Parlamente in dem Bürgerkriegsland stationiert werden.“ (9)
Offiziell „zur Stabilisierung der angrenzenden Staaten Albanien und Mazedonien sind nach Worten (des ehemaligen deutschen Verteidigungsministers Volker) Rühes militärische Übungen im Rahmen des Nato-Programms ‚Partnerschaft für den Frieden‘ (PfP) vorgesehen“ (10), so eine Agenturmeldung im Mai 1998.
Der Beschluss der NATO vom 28.05.1998 lautete wörtlich: „Wir haben beschlossen, PfP-Aktivitäten in Albanien sowie der ehemaligen Jugoslawischen Republik Mazedonien zu erweitern und zu ergänzen, um Sicherheit und Stabilität in diesen Partnerländern zu fördern und gleichzeitig das Interesse der NATO an der Eindämmung der Krise und der Suche nach einer friedlichen Lösung zu signalisieren: Wir setzen von der NATO geleitete Unterstützungsprogramme in Gang, um Albanien und der ehemaligen Jugoslawischen Republik Mazedonien zu helfen, ihre Grenzen zu sichern, und zwar auf der Grundlage erweiterter PfP-Aktivitäten und bilateraler Unterstützung. Wir erweitern eine PfP-Übung in der ehemaligen Jugoslawischen Republik Mazedonien, die für September in diesem Land geplant ist. Wir planen für Ende August eine PfP-Übung in Albanien mit Land- und Luftstreitkräften. (…) Wir erarbeiten ein Konzept für die Einrichtung von PfP-Ausbildungszentren einschließlich der möglichen zukünftigen Nutzung des Truppenübungsplatzes Krivolack in der ehemaligen Jugoslawischen Republik Mazedonien.“ (11)
Die Umsetzung dauerte nicht lange: „Am Montag, 15. Juni 1998, fand über Albanien und Mazedonien das NATO-Manöver ‚DETERMINED FALCON’ (‚Entschlossener Falke’) statt. Die Bundeswehr war mit 8 Tornados an diesem Manöver beteiligt, eine Abstimmung im Bundestag fand dazu – trotz der unleugbaren Eskalationsgefahr – nicht statt. Bei diesem Drohmanöver waren die Militärflugzeuge voll bewaffnet. Die Staaten, über denen die Manöver stattfanden, Albanien und Mazedonien, sind Mitgliedsländer des NATO-Programms ‚Partnerschaft für den Frieden'“ (12). Dieses Manöver war eine Generalprobe für die späteren Angriffe auf Jugoslawien, darauf hatte die Informationsstelle Militarisierung in einer Mitteilung vom 18.06.1998 hingewiesen. (13) IMI warnte eindringlich vor einem Krieg um das Kosovo, der damals noch von vielen für nicht wahrscheinlich gehalten wurde.
Weitere NATO-Manöver wurden auf dem Gelände Mazedoniens durchgeführt: „Der Nordatlantikrat hat im Zusammenhang mit der sicherheitspolitischen Entwicklung in Südosteuropa am 28. Mai 1998 beschlossen, als deutliches Signal für die Bereitschaft zu Kooperation und Solidarität im Bereich der Friedenssicherung die für September 1998 in Mazedonien geplante PfP-Übung „Cooperative Best Effort 98“ mit erweiterter Beteiligung durchzuführen und für August 1998 in Albanien die PfP-Übung „Cooperative Assembly 98″ kurzfristig neu anzusetzen.“ (14)
Parallel zum relativ stabilen Milosevic-Holbrooke-Abkommen vom Herbst 1998 beschloss die NATO eine Militäroperation „Extraction Force“ zu beginnen, deren offizielle Aufgabe es war, das Abkommen von außerhalb Jugoslawiens in Mazedonien zu „überwachen“. Die an der „Extraction Force“ beteiligte 10. Panzerdivision der Bundeswehr, die in Sigmaringen (Baden-Württemberg stationiert ist) beschreibt die Aufgabe von „Exfor“ wie folgt: „Für die Soldaten galt es in erster Linie (!, Anmerkung durch den Verfasser) den Schutz der Beobachter im Kosovo zu gewährleisten.“ (15)
Die Informationsstelle Militarisierung warnte damals vor diesem Militäreinsatz: „Am Freitag, den 13.11.1998 hat der neue Bundestag dem Antrag der neuen Bundesregierung zugestimmt, sich militärisch an den NATO- Operationen im Umfeld des Kosovo zu beteiligen. Wir als Teilnehmer der Mitgliederversammlung und des Kongresses der Informationsstelle Militarisierung (IMI) e.V. bedauern diesen Beschluss. Damit ist der Einsatz von OSZE-Beobachter/innen unter eindeutiger NATO- Dominanz. Es wird nach wie vor nicht zuerst auf Prävention und dann auf Gewalt gesetzt, sondern umgekehrt. Demnächst steht ein zweiter Beschluss zu einem Militäreinsatz der Bundeswehr an. Die Bundeswehr soll sich nach dem Willen der Bundesregierung an der sogenannten „Extraction Force“ der NATO beteiligen, die in Mazedonien stationiert werden soll. Die „Extraction Force“ wird als „Notfalltruppe“ bezeichnet. Dies ist in dieser Form nicht zutreffend. Presseberichte und -kommentare lassen deutlich werden, jetzt geht es um eine weitere neue Qualität der Militäreinsätze der Bundeswehr. Der Kommentar der Frankfurter Rundschau vom 14.11. macht eine Problematik deutlich: Hier werden erstmals Kampfeinsätze der Bundeswehr im Rahmen der NATO eng verzahnt mit zivilen Operationen der OSZE. Eine Trennung ist kaum mehr möglich. (16)
Die Belgrader Regierung wies vergeblich darauf hin, dass die Stationierung der „Extraction Force“ in Mazedonien nicht zum unterzeichneten Abkommen gehörte. Dies, so Jan Oberg, „zwang Mazedonien, eine antijugoslawische Rolle zu spielen, die allen anderen diente, nur nicht dem Land selbst. Belgrad sah von nun an Mazedonien als mögliches Ziel für Vergeltungsaktionen.“ (17)
Während des NATO-Angriffskrieges auf Jugoslawien waren 12.000 NATO-Soldaten in Mazedonien stationiert. Mazedonien glich einem militärisch belagerten Land. „Die USA, Großbritannien und Frankreich hatten dort etwa tausend Kommandotrupps stationiert. „Zu deren wichtigsten Aufgaben gehört es, mit Erkundigungen auf feindlichem Gebiet Luftangriffe oder auch die Ankunft von Bodentruppen vorzubereiten. Die Vorauskommandos am Boden ergänzen die Informationen über Angriffsziele, die bei bemannten und unbemannten Aufklärungsflügen oder durch Spionagesatelliten gesammelt wurden“, so das ZDF. Von britischer Seite ist der „Special Air Service“ (SAS) vor Ort, von französischer das „Commandement des opérations spéciales“ (COS) und die US-Marine-Truppe namens Seal (Sea Air Land). Robert Burns von AP schrieb es in der Frankfurter Rundschau ganz deutlich: „Auch wenn ein Teil der derzeit auf dem Balkan stationierten NATO-Soldaten vornehmlich mit humanitären Hilfsleistungen beschäftigt ist oder sich auf einen Einsatz in einem späteren Friedenskontingent vorbereitet, könnten diese Einheiten doch die Vorhut einer Invasionsstreitmacht bilden. Vorausgesetzt, die NATO-Führung beschließt, dass sie ihre Ziele nur noch mit dem Einsatz von Bodentruppen erreichen kann.“ (18)
Mazedonien wurde somit vor und während des NATO-Angriffskrieges zum Aufmarschgebiet für die NATO-Truppen. Rechtlich konnte die mazedonische Regierung wenig gegen diese militärische Besetzung und Nutzung unternehmen, sie hatte das Programm Partnerschaft für den Frieden (PfP) der NATO unterschrieben.
4. These: Eigentliches Problem des Mazedonienkonflikts sind NATO, EU, Deutschland und die USA
Allgemein wird der derzeitige Konflikt in Mazedonien so dargestellt, dass die NATO, die Europäische Union, die deutsche und die US-amerikanische Regierung Mazedonien nur helfen wollten. Es ginge darum mit Hilfe von außen „ethnische Spannungen“ abzubauen. Deshalb sei ein „Friedenseinsatz“ der NATO und der Bundeswehr notwendig.
Eine ganze Reihe von Fakten weisen auf etwas anderes hin: NATO, EU, Deutschland und die USA haben eigene Interessen im Mazedonienkonflikt. NATO, EU, Deutschland und die USA haben den Konflikt wesentlich geschürt. Meine These ist also: Das eigentliche Problem sind nicht „ethnische Spannungen“ in Mazedonien, das eigentliche Problem sind die Einflussnahmen von außen, von EU, USA, Deutschland und der NATO auf ein Konfliktgebiet, um das es ökonomisch schlecht bestellt ist, um das es sich aber durchaus lohnt (auch ökonomisch) zu streiten. Das eigentliche Problem des Mazedonienkonflikts sind also, um es zugespitzt zu formulieren, NATO und EU, Deutschland und die USA.
Diese These wird nicht nur hier vertreten, auch Teile der mazedonischen Regierung sagen das ganz deutlich: „Mazedoniens Verteidigungsminister Vlado Buckovski (39) hat in einem Abendblatt-Interview auch die EU und die USA für den Bürgerkrieg in seinem Land verantwortlich gemacht“. (19) Die These der Verantwortlichkeit westlicher Staaten für den Konflikt in Mazedonien mag für viele, die insbesondere westliche Medienberichterstattung gewohnt sind, eine provozierende These sein.
Interessant ist die sich abzeichnende Zusammensetzung der MFOR-Truppe, die britische Armee stellt am meisten Soldaten und den Befehlshaber. Die 500 Bundeswehrsoldaten werden einem französischen Verband zugeordnet. Die USA wollen sich nur mit Unterstützungs- und Sanitätseinheiten am Rande beteiligen. Sie weisen den europäischen NATO-Partnern die MFOR-Aufgabe zu. Es soll ja auch gegen einen wichtigen früheren Verbündeten der US-Regierung, die UCK vorgegangen werden. Am 28.06.2001 meldete das Hamburger Abendblatt „US-Berater halfen Albaner-Rebellen“ (20). US-Truppen schleusten 400 albanische UCKler von der 113. UCK-Brigade aus Aracinovo heraus. (21) Sie hatten von dort Krieg gegen die mazedonische Armee geführt. Interessant war, dass sich unter den UCKlern 17 sogenannte „Instrukteure“ befanden, die aus den USA stammten, ehemalige Militärs waren und nun einer Privat-Firma angehören, die regelmäßig Militärs anderer Länder ausbildet. 70 Prozent der Ausrüstung der UCKler seien US-Fabrikate, „darunter auch modernste Nachtsichtgeräte der dritten Generation“ (22). Das Pentagon auf diesen Sachverhalt angesprochen, sagt: „Ich will diesen Sachverhalt nicht bestätigen“ (23), so Pentagon-Sprecher Paul Philip. „Solche diplomatischen Aussagen gelten US-Journalisten als Bestätigung. Wäre es so, würde die mögliche NATO-Operation vollends zur Farce“ (24), kommentiert Franz-Josef Hutsch im Hamburger Abendblatt.
Die US-Militärs haben also wohl bis zu diesem Vorfall die UCK-Unterstützung intensiv weiterbetrieben. Nun war die US-Regierung gefordert, schließlich waren die UCKler nun keine „Freiheitskämpfer“ wie während des NATO-Krieges mehr, sondern nun auch in offiziellem Sprachgebrauch Terroristen. George W. Bush erlies eine „Executive Order on Depriving Balkan Extremists of Support“ mit der jegliche Kontakte mit den ehemaligen Militärfreunden untersagt wurden (25). Wer aber „Extremisten die finanzielle und materielle Unterstützung“ entziehen will, hat ihnen vorher welche gegeben und das offensichtlich reichlich.
„Mazedoniens Verteidigungsminister Vlado Buckovski (39) hat in einem Abendblatt-Interview auch die EU und die USA für den Bürgerkrieg in seinem Land verantwortlich gemacht“. (26) Wörtlich sagte er: „Wir sind die Leittragenden des anhaltenden Konfliktes zwischen den USA und der EU um eine eigenständige Sicherheits- und Außenpolitik“ (27).
5. Entmachtung des Bundestages – Regierung soll allein in den Krieg ziehen können
Das Bundesverfassungsgericht hat in seinem Urteil vom 12.07.1994, mit dem es Auslandseinsätze der Bundeswehr erstmals zuließ u.a. festgelegt, dass der Bundestag in der Regel im Vorhinein mit einfacher Mehrheit zustimmen muss. Aus dem NATO-Angriffskrieg gegen Jugoslawien haben offensichtlich einige wenige Abgeordnete von SPD und Grünen einige Konsequenzen gezogen und haben dem geplanten Mazedonien-Einsatz nicht zugestimmt (28).
In der CDU machen sich derweil die alten außenpolitischen Vordenker Wolfgang Schäuble und Karl Lamers Gedanken, die Voraussetzung einer Zustimmung des Bundestages mit einfacher Mehrheit zu Einsätzen der Bundeswehr auszuhebeln. Schäuble und Lamers wollen allein der Regierung das Recht zubilligen, Truppen in den Krieg zu schicken. „Der Parlamentsvorbehalt beeinträchtigt die Handlungsfähigkeit unseres Landes … Die operative Leitung militärischer Einsätze muss Sache der Regierung und der Bundeswehr sein“, so Karl Lamers gegenüber dem Spiegel (29). Das Parlament könne Entscheidungen dieser Tragweite nicht treffen. Schäuble und Lamers denken damit konsequent zu Ende, was Außenminister Joschka Fischer vor dem Bundesverfassungsgericht bei der Anhörung zur Klage der PDS gegen die neue NATO-Strategie formuliert hat: Die „außenpolitische Handlungsfähigkeit“ sei durch den „Parlamentsvorbehalt“ beeinträchtigt. „Fischer warnt vor Parlament“ (30) titelte die taz. Rupert Scholz (CDU) sah an gleichem Ort den Bundestag mit den ständigen Zustimmungen zu Militäreinsätzen „nahe an die Grenze der Überforderung gebracht“ (31). Bei diesen Überlegungen ist die höchste Alarmstufe angesagt! Noch ist dieser Vorschlag zurückgewiesen worden, doch so manche Schäuble/Lamers-Idee (Kerneuropa etc.) ist heute Stück für Stück Realität.
Die Bundeswehr wird unter dem Vorwand des Mazedonieneinsatzes mehr Geld bekommen. Dieses wird insbesondere für die beschleunigte Herausbildung kriegsführungsfähiger Einheiten („Einsatzkräfte“) und neue Beschaffungen von Kriegsgerät genutzt werden. Es ist dringend Zeit gegen den Mazedonieneinsatz der Bundeswehr mobil zu machen.
Sehenden Auges laufen die Regierenden in einen neuen gefährlichen Kampfeinsatz, die Militarisierung der Außenpolitik wird munter vorangetrieben. Nur die Konstellationen haben sich geändert Bundeswehrverband (und mit ihm viele Soldat/inn/en) und Friedensbewegung gegen den Harakiri-Militäreinsatz, schwarz-gelb läßt sich mit Staatsräson einbinden und „kaufen“, die rot-grüne Regierung kämpft für den nächsten Kriegseinsatz. Und die Bevölkerung? Sie lehnt nach einer vom Militärmagazin IAP veröffentlichten Umfrage von Forsa im Juli 2001 den Mazedonieneinsatz ab: 53 % sind dagegen, 42 % dafür, 5 % wissen nicht. Jetzt gilt es die Ablehnung des Bundeswehreinsatzes auch politisch deutlich zu artikulieren, notwendig sind Aktionen, Protest und Widerstand.
(1) Der Artikel wurde am 21.08., also vor Kabinetts- und Bundestagsentscheidung fertiggestellt.
(2) Die Bundeswehr wird mit diesem Beschluss nicht erstmals in Mazedonien stationiert, ganz im Gegenteil. Seit 1992 sind NATO-Truppen in Mazedonien. Die Bundeswehr ist in Tetovo, Mazedonien derzeit mit 400 Soldaten, die Teil der KFOR sind. Es ist eine Versorgungstruppe, die im wesentlichen für die Logistik des KFOR-Kontigents zuständig ist. Bis zum März 2001 waren unter dem Befehlshaber Oberst Dikmann in Mazedonien noch ca. 1.200 Bundeswehrsoldaten in Mazedonien stationiert. Aber die Bundeswehr kam zwischen die neuen Fronten: Ein Bundeswehr-Soldat erlitt einen Streifschuss. 800 der Bundeswehrsoldaten wurden nach Prizren in das Kosovo verlegt, das ja das eigentliche Ziel des KFOR-Einsatzes ist. In Mazedonien waren die Soldaten, weil sie dort anscheinend sicherer waren.
(3) Sonntagszeitung, 19.08.2001
(4) Mainzer Allgemeine Zeitung, 07.07.2001 (Martin Bommersheim)
(5) IAP-Dienst Sicherheitspolitik, Nr. 8, August 2001, Seite 10
(6) Mainzer Allgemeine Zeitung, 07.07.2001, a.a.O.
(7) IAP-Dienst Sicherheitspolitik, a.a.O.
(8) Vgl. u.a. Dannemann, Peter: Was ist los in Mazedonien, in: Informationsstelle Militarisierung (IMI) e.V. Redaktion Andreas Seifert, Tobias Pflüger, Claudia Haydt: "Intervention? - Mazedonien 2001 - Materialien zur Diskussion über Krieg und Frieden auf dem Balkan und die Rolle der Bundeswehr"
(9) Hamburger Abendblatt 21.06.2001 (Franz-Josef Hutsch)
(10) dpa, 28.05.1998
(11) NATO (1998): Erklärung zum Kosovo anlässlich des Ministertreffens des Nordatlantikrats am 28.05.1998 in Luxemburg, www.nato.int/docu/pr/ 1998/p98-061d.htm
(12) Zit. aus: IMI (1998,1): "Wir meinen, es ist notwendig, zu der derzeitigen Entwicklung im und um den Kosovo Stellung zu beziehen", Beschluss des IMI-Aktiventreffens vom 17.06.98
(13) Zitiert aus: IMI (1998,1), a.a.O.
(14) Zitiert nach: www.parlinkom.gv.at/pd/ pk/1998/PK0513.html
(15) Zitiert nach: www.10panzerdivision.de/ einsatz/exfor/exfor.html
(16) IMI (1998,2): Beschluss der Mitgliederversammlung der Informationsstelle Militarisierung im Rahmen des IMI-Kongresses vom 14./15.11.1998: "Aufforderung an die Mitglieder des Bundestages, dem Antrag der Bundesregierung zur Aufstellung der sogenannten "Extraction Force" die Zustimmung zu verweigern", zitiert nach www.imi-online.de
(17) Oberg, Jan: Mazedonien und der internationale Anteil am Konflikt, in: Wissenschaft und Frieden3/2001
(18) Zitiert nach: Pflüger, Tobias: Der schleichende Übergang zu Bodentruppen oder die NATO auf dem Weg nach Vietnam, in: Graswurzelrevolution 239, Mai 1999
(19) Hamburger Abendblatt, 11.06.2001 (Franz-Josef Hutsch)
(20) Hamburger Abendblatt, 28.06.2001 (Franz-Josef Hutsch)
(21) Vgl. auch die Fernsehsendung Monitor (ARD) Nr. 477 vom 05.07.2001
(22) Hamburger Abendblatt, 28.06.2001, a.a.O.
(23) Hamburger Abendblatt, 28.06.2001, a.a.O.
(24) Hamburger Abendblatt, 28.06.2001, a.a.O.
(25) Vgl."Executive Order on Depriving Balkan Extremists of Support" in: Informationsstelle Militarisierung (IMI) e.V. Redaktion Andreas Seifert, Tobias Pflüger, Claudia Haydt: "Intervention? - Mazedonien 2001 - Materialien zur Diskussion über Krieg und Frieden auf dem Balkan und die Rolle der Bundeswehr"
(26) Hamburger Abendblatt, 11.06.2001 (Franz-Josef Hutsch)
(27) Hamburger Abendblatt, 11.06.2001, a.a.O.
(28) Der Artikel wurde am 21.08., also vor Kabinetts- und Bundestagsentscheidung fertiggestellt.
(29) Der Spiegel, 20.08.2001
(30) taz, 20.06.01
(31) taz, 20.06.01