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Handys für den Völkermord

| MB (GWR-MS)

Der Boom in der High-Tech-Industrie, namentlich die Flut immer neuer und immer komplexerer Mobilfunkgeräte hat bedenkliche Folgen – nicht nur gesundheitliche für sogenannte „Dauertelefonierer“, die sich einem erhöhten Krebsrisiko aussetzen, oder mit Blick auf den stetig zunehmenden Elektro-Smog. Im Kongo heizt die Nachfrage nach Rohstoffen für die Herstellung von Handys einen blutigen Bürgerkrieg an und bedroht außerdem die Existenz eines Naturschutzgebietes, in dem eine ohnehin gefährdete Tiergattung vor der völligen Ausrottung steht.

Coltan (Columbit- Tantalit) ist ein seltenes Erz, aus dem das enorm hitze- und säurebeständige Edelmetall Tantal gewonnen wird. „Wie nutzloser schwarzer Schlamm sieht das Zeug aus – nichts, was auf den ersten Blick lohnt“, schreibt die Süddeutsche Zeitung (SZ) in ihrer Ausgabe vom 23. Juni 2001. Coltan ist für westliche Firmen kein „neuer“ Rohstoff. Im High-Tech-Bereich findet es seit langem Verwendung, etwa für Nachtsichtgeräte, im Flugzeugbau oder in der Rüstungsindustrie. Unverzichtbar aber ist Coltan bzw. Tantal vor allem für die Herstellung von Mikro-Prozessoren, wie sie einen Computer in Gang halten – oder eben ein Handy. Heute ist Coltan einer der begehrtesten Rohstoffe der Welt. Allein im Jahr 2000 stieg der Preis für ein Kilo Coltan nach Angaben des Diane Fossey Gorilla Fund von 30 auf über 550 (!) Pfund, umgerechnet etwa 1760 Mark. Für die Menschen in verarmten und ausgebluteten Kongo eine geradezu märchenhafte Geldquelle!

Aber auch die Parteien des Bürgerkrieges, dem nach Schätzungen bisher etwa 2,5 Millionen Menschen zum Opfer fielen, profitieren von den Coltan-Vorkommen im Kahuzi-Biega-Nationalpark im östlichen Kongo. Über die Nachbarländer Burundi, Uganda und Ruanda läuft längst ein schwunghafter Handel mit dem kostbaren Metall, an dem auch deutsche Firmen beteiligt sind. Einem aktuellen UN-Bericht zufolge hat allein die ruandische Armee in 18 Monaten mindestens 250 Millionen Dollar am Handel mit Coltan verdient. Die UN- Experten nennen Coltan einen „Motor des Krieges“ und verlangen vom UN-Sicherheitsrat weitreichende Boykottmaßnahmen gegen den Import des Metalls aus den genannten Ländern. „Wer Coltan aus dem Kongo verwendet“, weiß auch Dr. Sandra Altherr, Sprecherin der Naturschutzorganisation Pro Wildlife, „finanziert nicht nur einen der schlimmsten Kriege weltweit, sondern auch die systematische Ausrottung der dortigen Gorillas“. Denn der Kahuzi-Biega-Nationalpark ist letztes Refugium der Grau-Gorillas, einer eindrucksvollen, aber vollkommen friedlichen und rein vegetarischen Menschenaffenart. Der ohnehin beängstigend magere Bestand ist mittlerweile von 8000 auf 1000 (!) Tiere zurückgegangen – kein Wunder, hat doch der enorme Preisanstieg des „nutzlosen schwarzen Schlamms“ im Kongo einen wahren „Coltan-Rausch“ ausgelöst, „einen Ansturm von rund 15.000 Bergarbeitern, Händlern, Prostituierten und Kriminellen“, so der Diane Fossey Gorilla Fund, die das Metall in illegalen Mienen im Dschungel des Nationalparks abbauen. Die Grau-Gorilla werden nicht nur aus ihrem Lebensraum verdrängt oder als angebliche Bedrohung für die Arbeiter abgeschossen, sie stehen auch durchaus auf der Speisekarte der „Coltan-Jäger“. Dr. Altherr vermutet, daß weder die Regierung in Kinshasa noch die Rebellen der RDC-Goma, die das Gebiet gegenwärtig kontrollieren, sonderlich betrübt sind über diesen Zustand: „Es ist nicht auszuschließen, daß die Zerstörung der Artenvielfalt im Kahuzi-Biega-Nationalpark von den Kriegsparteien sogar gewollt ist. Denn wenn der Nationalpark verwüstet und wertlos geworden ist, steht das lästige Schutzstatut einer Nutzung des Gebietes nicht mehr länger im Wege“.