Nachdem Anfang November (aktueller Terminspekulatius: um den 5. November) der Castor zurückgeschickt wurde, trifft sich die Anti-Atom-Bewegung vom 23. bis 25. November in Leipzig zu einer Konferenz, um die Sektkorken knallen zu lassen, alte Widerstandserinnerungen aufleben zu lassen, gute BekanntInnen und FreundInnen wiederzutreffen, die spektakulärsten Blockadeaktionen zu prämieren, sich die eingehandelten Wunden zu lecken, lecker VoKü Essen abzufassen … also alles was so ein Treffen reizvoll erscheinen läßt. Wäre da nicht die Vorbereitungscrew des Anti-Atom-Regionalplenum Ost, die dem Ganzen einen gewichtigen Inhalt, ein straffes Programm und gar noch eine konkrete Zielstellung unterjubeln will. Sie sieht sich in der guten Tradition, im halbjährlichen Rhythmus den landesweit verstreuten Initiativen der Anti-Atom-Szene eine Diskussionsplattform zu bieten. Seit 1 1/2 Jahren kam es aus den unterschiedlichsten Gründen nicht zur Ausrichtung einer solchen Konferenz, sodass der jetzigen eine besondere Bedeutung zukommen wird.
War die Anti-Atom-Bewegung in den letzten Jahren kaum wahrnehmbar, so hat sie sich seit März diesen Jahres im Zusammenhang mit dem Castortransport ins Wendland eindrucksvoll zurückgemeldet. Die Ablehnung des ‚Atomkonsens‘ von Atomwirtschaft und Bundesregierung hätte deutlicher kaum ausfallen können, der Castor musste zeitweilig gar rückwärts fahren. Die folgenden Transporte zur ‚Wiederaufarbeitung'(WAA) nach La Hague und Sellafield verursachten zwar lange nicht solch ein Medienereignis, doch jeder Einzelne konnte mittels Blockaden thematisiert werden. Den Betreibern und der Politik gelang es nicht, zum Normalzustand von unbemerkt laufenden Castorfahrten wie vor dem Kontaminierungsskandal von 1998 zurückzukehren. Einige Bundesländer wehren sich bereits dagegen, angesichts der veränderten sicherheitspolitischen Lage seit dem 11.September und den andauernden Anti-Atom-Protesten in diesem Jahr weitere Transporte durchzuführen.
Wir haben den Termin der Konferenz bewußt nach dem wahrscheinlichen Castortransport ins Wendland gelegt, um auch anderen Handlungsfelder ins Blickfeld zu bekommen. Zwar hat sich der Widerstand gegen Castortransporte als wirksames Mittel erwiesen, den ‚Atomstaat auf die Schippe zu nehmen‘ – doch ist diese Ausrichtung recht einseitig, und der Staat richtet sich immer mehr auf den Widerstand ein. Außerdem fallen die Transporte mittelfristig weg. Die neuen Bedingungen des liberalisierten Strommarktes, das Agieren innerhalb der neuen sozialen Bewegung dieses Sommers, der Umgang mit verstärkten Repressionsmaßnahmen, die geplanten Zwischenlager an den AKW-Standorten, die scheinbar neu eröffnete Endlagersuche oder eine Kampagne zu Uran bieten neue Betätigungsfelder.
Bevor sich auf die Umsetzung der Handlungsperspektiven gestürzt werden kann, bedarf es einer reiflichen Analyse. Dies soll in zwei Blöcken geschehen: Block A, „Die aktuelle gesellschaftlich-politische Situation“, und Block B, „Die Anti-Atom-Bewegung als soziale Bewegung“. Die Diskussion dafür ist eröffnet, wir sind in freudiger Erwartung zahlreicher Analysepapiere (Kontakt siehe unten). Diese werden im Vorfeld der Konferenz in einem Reader zusammengefasst und dienen dann als fundierte Grundlage für die Diskussionen an dem Novemberwochenende. Was stellen wir uns konkret unter den beiden Blöcken vor ?
Block A: Die aktuelle gesellschaftlich-politische Situation
- Was steckt hinter dem Stichwort „neoliberale Entwicklung“? Das Strommarkt soll hier als Beispiel dienen.
- Welche Auswirkungen wird die Neufassung des Atomgesetzes haben?
- Der Castor als Problem der „Inneren Sicherheit“. Die Ausblendung des politischen Diskurses.
- Aber wir haben doch jetzt den Atomausstieg! Die Befriedungskompetenz von rot/grün.
- Die Folgen des Anschlags vom 11.September: Abschaltung der AKW’s aus Sicherheitsgründen? Rasterfahndung und Gendatei für Atomgegner?
Phase B: Die Anti-Atom-Bewegung als soziale Bewegung
- Führt die Fixierung auf den Castor die Bewegung in eine Sackgasse?
- Diesen Spagat hält keine Bewegung aus! Die verschiedenen Spektren/Gruppen/Ziele/Aktionsformen der Anti-Atom-Bewegung.
- Wie wird intern damit umgegangen? Wie steht es mit der Streitkultur und Kritikfähigkeit?
- „The Summer of Resistance“ – wo steht die Anti-Atom-Bewegung?
- Wie ist es um bisherige Anti-Atom-Kampagnen außerhalb des Wendland-Castors bestellt (z.B. Uran, WAA, Osteuropa, Ökostrom)?
Aus den Ergebnissen dieser Analysephase sollen sich dann Arbeitsgruppen entwickeln, die einzelne Themen konkret bearbeiten und Handlungsansätze aufzeigen. Neben Texten zur Analyse freuen wir uns auch auf Angebote für die Gestaltung einer AG.
Vom Ablauf der Veranstaltung im November versprechen wir uns, dass wir als Anti-Atom-Bewegung uns unserer aktuellen Rolle als soziale Bewegung und den gesellschaftlichen Entwicklungen bewusst werden und daraus Perspektiven unseres Widerstands aufzeigen können. Darüber hinaus sollten über die Analyse hinaus konkrete Widerstandsformen jenseits des Castors entwickelt und ausgebaut werden.
Der vorläufige Ablaufplan
Freitag, 23.11.
19.00 Großes Eröffnungsplenum
20.00 Wie bewerten wir den Widerstand gegen den letzten Castor?
Diskussionsrunde mit BI Lüchow-Dannenberg, Indymedia, Schienencampgruppe, X1000mal quer und Agentur 70
Samstag, 24.11.
10.00 Kurzes Orga-Plenum
10.30 Phase A: Aktuelle gesellschaftlich-politische Situation (Analyse und Diskussion)
12.30 Mittag
14.00 Phase B: Die Anti-Atom-Bewegung als eine soziale Bewegung (Analyse und Diskussion)
18.00 Vortrag mit Vladimir Slivyak (ecodefense! Rußland): Osteuropa – billige Atomenergie für den Westen
20.30 Plenum
22.00 Partytime
Sonntag
10.00 kurzes Orgaplenum
10.30-12.30 AGs zu Handlungsperspektiven
dann Mittagessen
13.30 bis 15.00 Abschlußplenum
Zeitgleich mit unserer Herbstkonferenz findet in Berlin das Bundes-Ökologie-Treffen (BÖT) statt. Wir haben diese Terminüberschneidung zu spät erfahren, um noch umplanen zu können. Wir können uns vorstellen, die Ergebnisse und den Diskussionsstand des BÖT – das nach unserem bisherigen Wissen einen ähnlichen Analyseanspruch hat wie die Herbstkonferenz – in Leipzig auf den Plena und an Tafeln zu dokumentieren.
Konferenzort
Leipzig-Plagwitz
Baumwollspinnerei
Spinnereistr.7
Für Anmeldungen, Anregungen, Analysepapiere (für letztere drängt die Zeit schon!), Hilfsangebote, Lob und Kuchen:
herbstkonferenz@squat.net
presse@anti-atom-sachsen.de
Anti-Atom-Netzwerk Sachsen
Bernhard-Göring-Straße 152
04277 Leipzig
Fax 0341 / 3065179
Tel.: 0177 / 7784043
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