concert for anarchy

Mal den Teufel an die Wand

Baxi - zwölf neue Lieder für Kopf, Herz und Bauch

| Bernd Drücke

Als „Der Einzelfall“, die erste Schallplatte des Liedermachers und libertären Aktivisten Baxi herauskam, spekulierte Jens Petz Kastner in der Graswurzelrevolution: „Die Auftritte auf anarchistischen Lesungen haben Baxi noch nicht zum Chansonier der Bewegung gemacht. Kann ja noch kommen.“ (GWR 230, Sommer 1998)

Drei Jahre und viele Gigs in Libertären Zentren, besetzten Häusern, Konzerthallen und Szene-Kneipen später, ist es so gekommen. Während etablierte Sänger wie Hannes Wader, Hanns Dieter Hüsch und Co. fast nur noch seichtes, langweiliges Zeug von sich geben, während Yok Quetschenpaua das Handtuch geworfen hat, für Ralf Degenhardt die Schuhe seines Vaters zu groß sind, die neue Blumfeld-CD unters Betäubungsmittelgesetz fällt und der Erich Mühsam-Interpret Patscheider nicht singen kann, hat sich Baxi zu einem „Chansonier der Bewegung“ gemausert. Seine Musik ist inspiriert durch verschiedene „Schulen“, den Blues, den Rock, den französischen Anarchisten und Sänger Georges Brassens, …

Die Pressestimmen zur ersten Platte und zu diversen Auftritten bringen es auf den Punkt:

„Ein Polit-Liedermacher mit Wandergitarre begibt sich natürlich auf szenejournalistisches Glatteis und jeder andere Hausbesetzer-Barde würde von uns auch wohl restlos zerpflückt werden. Warum nicht Baxi? Aus gutem Grund: Seine Musik ist weder Folk-Geklimper noch Biermann-Geschrammel, sondern einfallsreich und hörbar. Seine Texte sind weder Oberschüler-Protest noch heulsusige Betroffenheitsleiern, sondern einfach wahr und witzig. Außerdem kann Baxi auch ´mal über sich selbst lachen – deshalb.“ (Ultimo)

„Baxi überzeugt mit bitterbösen und hoch melodiösen Agitations-Chansons.“ (Osnabrücker Zeitung, 13.4.2000)

„Ich krieg jedes mal eine Gänsehaut wenn ich die Platte höre.“ (Wahrschauer)

„Mal leise, mal sarkastisch und mal knarzig, machte er seiner Abneigung gegen Hass und Gewalt Luft.“  (Sandra Lange, in: Braunschweiger Zeitung, 11.4.2000)

Baxi – „der Prototyp des versierten Politbarden“ (GIG Nr.152, 98/99) – ist Mitglied der Anarcho-Kabarettgruppe Der Blarze Schwock (vgl. GWR 251). Er hat sich mit der im September 2001 herausgekommenen CD „Mal den Teufel an die Wand“ selbst übertroffen. Die monatelange Arbeit im Studio hat sich gelohnt. Während der unplugged eingespielte „Einzelfall“ noch von der Live-Atmosphäre lebt, ist diesmal alles bis ins Detail ausgetüftelt, für manche vielleicht schon fast zu perfekt. Hier finden sich neben einer Interpretation von Tucholskys „Rosen auf den Weg gestreut“ und einem Instrumentalstück zehn selbst geschriebene Lieder mit anspruchsvollen Texten. Von ironisch, makaber, von „Ekel erregend“, von komisch bis melancholisch und melodiös, von antimilitaristisch, Anti-Atom bis sozialrevolutionär und kabarettistisch. Ein Wechselbad der Gefühle und Stilelemente.

Baxi goes Popstar?

„Das überrascht mich jetzt aber. Ich dachte das wäre Punk. Das ist ja richtig gut, anspruchsvoll, schön.“

So der Kommentar eines 50jährigen Graswurzelrevolutionärs – der eher „ruhigere“ als schnelle, laute bis aggressive Musik mag – als ich ihm die „Mal den Teufel an die Wand“-CD vorspielte. Dass dieser Silberling beim Anarchopunk-Label Falling Down Records erschien, kann also falsche Erwartungen wecken. Baxi ist weder Punk noch Hardcore. Baxi ist anders. Baxi ist Kult!

Mein achtjähriger Sohn, der sonst eher auf Hip-Hop und Pop steht, singt den Ohrwurm „Das Gepäck“ schon auswendig mit. Neben „Ondra“ das wohl schönste und eingängigste Lied. Jugendkompatibel, für jede Altersklasse „hit-verdächtig“. Und das wird auch durch das liebevoll gemachte, 12-seitige Textbuch im vierfarbigen Digipack untermauert. Die neue Baxi-CD beweist, dass der Anarchismus musikalisch nicht nur durch Ton Steine Scherben, Cochise, CRASS, die 3 Tornados, John Cage, Gregor Hause, Uli Klan, TUM, The Ex, Chumbawamba und Co. wirkt(e). Baxi bietet – z.T. unterstützt von Szene-Musikern an Bass, Keyboard/Piano, Flöte und Schlagzeug – viel mehr als Agit-P(r)op.

Das Gepäck

Am Bahnhof patrouillieren blaue Fliegen
Die Penner liegen längst noch unter Deck
Eine Rolltreppe schleift mich zu den Zügen
Denn außer mir hab‘ ich kein Gepäck
Der Bahnsteig gähnt
Und dreht sich auf die Seite
Es ist noch früh, ich habe ihn geweckt
Ich lehn mich an und starre in die Weite
An der der kalte Regen gierig leckt

Denn außer mir hab ich kein Gepäck
Denn außer mir hab ich kein Gepäck
Denn außer mir hab ich kein Gepäck
Und vielleicht
Vielleicht schmeiß ich das auch noch weg

Dann wieder diese altbekannte Strecke
Die Bauruinen zähl ich schon nicht mehr
Ich brauche keine Heizung, keine Decke
Ich friere mehr vom innren Raume her

In meinen Träumen bin ich schon Zuhause
Da wo mein Zuhause nicht mehr ist
Der Zug gönnt mir nicht eine Atempause
Und ich spür wie jeder Meter an mir frisst

Denn außer mir hab ich kein Gepäck mehr
Denn außer mir hab ich kein Gepäck
Denn außer mir hab ich kein Gepäck
Und vielleicht
Vielleicht schmeiß ich das auch noch weg

Denn außer…

Anmerkungen

CD: Baxi "Mal den Teufel an die Wand", Falling Down Records, Münster 2001, 43 Minuten, mit Beiheft, Einzelpreis 23 DM plus 3 DM Porto.

LP: Baxi: Der Einzelfall, Falling Down Records, Münster 1998, mit Beiheft, 15 DM. WiederverkäuferInnen erhalten 20% Rabatt.

Bestellungen an:

Falling Down Records
c/o Infoladen Bankrott
Dahlweg 64
D-48153 Münster
falling-down@gmx.de
www.free.de/bankrott

Konzert(e) mit Baxi und dem Blarzen Schwock: "30 Jahre Graswurzelrevolution"- Kongress und Feier, 21.-23.6.2002 in Münster.