anti-akw

Bewegung lebt von Veränderung

| Markus (GWR-MS)

„Nix hat sich geändert“, mit diesem programmatischen Satz akzentuierte Renate Backhaus vom BUND ihre Rede auf der Anti-Castor-Demonstration in Lüneburg am 10.11.2001. In Anspielung auf die seit dem 11.9. geläufige Floskel sollte verdeutlicht werden, daß sich in Bezug auf die Atompolitik der rotgrünen Bundesregierung nix verändert hat. Soweit ist ihr durchaus auch zuzustimmen. Aber bei der Übertragung auf die Bewegung wird es problematischer. Keine Veränderung kann für die Anti-Atom-Bewegung unmöglich eine Handlungsmaxime sein. Soziale Bewegungen leben von Veränderungen, von immer neuen Ereignissen, sie befinden sich in einem ständigen Prozess von Wandel und Veränderung. Anders wären sie auch nicht überlebensfähig. Und tatsächlich hat der Terrorakt auch bewegungsintern etwas verändert. Die Mobilisierung ist sehr viel schwieriger geworden.

Gut 5000 Menschen folgten dem Aufruf um ihren Protest gegen den erneuten Castortransport nach Gorleben öffentlich zu machen. Wie mensch es nun dreht und wendet: es waren deutlich weniger als noch im März als der letzte Castor nach Gorleben durchgeprügelt wurde (vgl. GWR 258 und GWR 259). Am Wetter kann es nicht gelegen haben. Bei strahlendem Sonnenschein zogen die DemonstratInnen durch die Lüneburger Innenstadt, sehr bunt, vielfältig und fantasievoll, wie wir das kennen, aber doch deutlich ruhiger als gewohnt. Kaum Sprechchöre, keine ausgelassene Stimmung. So recht wollte der Funke nicht überspringen. Auch nicht bei der Abschlusskundgebung, die nach langen Streitereien mit der Bezirksregierung am „Liebesgrund“ stattfinden musste, eine lauschige Wiese außerhalb der Stadtmitte umgeben von meterhohen Mauern. Wie durch ein Nadelöhr strömten die Menschen auf den Kundgebungsplatz durch den einzigen Einlass. Für einen Sonntagspaziergang ein schöner Ort, für die Kundgebung allerdings denkbar ungeeignet. Die VeranstalterInnen wollten auf alle Fälle in der Nähe der Bezirksregierung demonstrieren und ließen sich schließlich nachdem alle anderen Orte nicht genehmigt wurden auf diesen Platz abdrängen. So weit so schlecht.

Den Auftakt der RednerInnen absolvierte Renate Backhaus mit einer engagierten Rede. Kritisch anzumerken ist allerdings ihr Verweis auf den Zusammenhang von Atomenergienutzung und der Gefahr von Terrorakten. Dieser vor allem von den Umweltverbänden aber auch von der BI Lüchow-Dannenberg gebetsmühlenartig vorgetragene Verweis auf die besondere Gefährdung der Atomanlagen durch terroristische Anschläge ist sicherlich bestens geeignet als Horrorszenario die Milzbrandpanik abzulösen, zu einer sachlichen Auseinandersetzung trägt sie jedoch kaum bei. Die unglaublichen Schlampereien in den baden-württembergischen AKWs haben doch wohl deutlich vor Augen geführt, dass es für die Gefährdung von Millionen Menschen keine durchgeknallten Gotteskrieger benötigt. Die Betreiber von Atomanlagen, ohne Bart und Turban, alles nette adrett gekleidete Herren (und wenige Damen) machen das tagtäglich. Natürlich lebt die Bewegung von der Skandalisierung von Ereignissen. Aber die alltäglichen Dinge die den Betrieb von Atomkraftwerken ermöglichen sind durchaus skandalös genug. Im übrigen erscheint mir ein Verweis auf die besondere Gefahr von Terrorakten auch als eine Einladung an Schily und andere SicherheitspolitikerInnen nun in Bezug auf die Einschränkung demokratischer Rechte noch eins drauf zu legen. Diesen Aspekt beleuchtete auch Elke Steven vom Komitee für Grundrechte und Demokratie in ihrem Redebeitrag, der sehr interessant und aufschlussreich aber doch ein wenig emotionslos vorgetragen war. Steven verdeutlichte Robert Jungks alte These, dass der Betrieb von Atomanlagen mit dem Abbau demokratischer Rechte einhergeht. Insbesondere an der ständigen Ausweitung von Demonstrationsverboten mit den absurdesten Begründungen wird dies deutlich. Während die ersten Castortransporte nach Gorleben noch massenhafter ziviler Ungehorsam auf Schiene oder Gleis zumindest möglich war, begann mit dem Castor nach Ahaus 1998 die Strategie der weitreichenden Demonstrationsverbote, wodurch es immer schwieriger wurde an den Ort des Geschehens heran zu kommen. Dies erreichte dieses Mal, insbesondere unter der derzeitigen aufgeheizten Law and Order-Stimmung ihren Höhepunkt.

Die gewohnt leckere Suppe von Rampenplan und anderen Volxküchen konnte die DemonstrantInnen in der Folge nicht mehr zum Verbleib anhalten. In Scharen wanderten die Menschen inzwischen ab, wohl um sich noch einen Schlafplatz im Wendland zu sichern. So hörten sicher nur noch die Hälfte der DemonstrantInnen die lebendige Rede von Jochen Stay. Hier kam endlich noch einmal Stimmung auf. So forderte der X-Tausender und ehemalige Graswurzelrevolution-Koordinationsredakteur, der demnächst bei Robin Wood arbeiten wird, die Anwesenden dazu auf, den Aufruf zu einer Straftat, nämlich der Sitzblockade, symbolisch per Applaus zu unterstützen, was dann auch eindrucksvoll gelang. Zu diesem Zeitpunkt war die Wiese allerdings schon weitgehend leergefegt.

Die insgesamt etwas gedrückte und seltsam entspannte Atmosphäre während dieser Auftaktdemonstration zum Castortransport sollte allerdings nicht darüber hinwegtäuschen, was der Anti-Atom-Bewegung in den letzten Monaten alles geglückt ist. Während z.B. 1997 noch ca. zwei Castoren pro Woche aus deutschen AKWs in die Wiederaufarbeitung nach Sellafield oder La Hague weitgehend unbemerkt und ohne großen Polizeiaufwand rollten, ist es der Bewegung inzwischen gelungen die Castortransporte nicht mehr unbemerkt passieren zu lassen. So wurden alle in diesem Jahr fahrenden Transporte blockiert, so z.B. der letzte im Oktober in Brunsbüttel, Hamburg, Buchholz, Kirchweyhe, Münster, Neuwied und Schifferstadt. Dies ist ein großer Erfolg der Bewegung und sollte auch durch die etwas schwächere Mobilisierung ins Wendland nicht hinwegtäuschen.

Dennoch: ein Überdenken der „Castorfixierung“ der Bewegung sollte Ausgangspunkt von Überlegungen und Diskussionen sein. Eine soziale Bewegung bleibt nur dann lebendig wenn sie die Strategien regelmäßig überprüft, die Handlungsfähigkeit immer wieder kritisch hinterfragt zu kontroversen Diskussionen über zukünftige Schwerpunkte in der Lage ist und ihre Mobilisierungsfähigkeit stets aufs Neue unter Beweis stellt.

„Nix hat sich geändert“, mit diesem programmatischen Satz akzentuierte Renate Backhaus vom BUND ihre Rede auf der Anti-Castor-Demonstration in Lüneburg am 10.11.2001. In Anspielung auf die seit dem 11.9. geläufige Floskel sollte verdeutlicht werden, daß sich in Bezug auf die Atompolitik der rotgrünen Bundesregierung nix verändert hat. Soweit ist ihr durchaus auch zuzustimmen. Aber bei der Übertragung auf die Bewegung wird es problematischer. Keine Veränderung kann für die Anti-Atom-Bewegung unmöglich eine Handlungsmaxime sein. Soziale Bewegungen leben von Veränderungen, von immer neuen Ereignissen, sie befinden sich in einem ständigen Prozess von Wandel und Veränderung. Anders wären sie auch nicht überlebensfähig. Und tatsächlich hat der Terrorakt auch bewegungsintern etwas verändert. Die Mobilisierung ist sehr viel schwieriger geworden.

Gut 5000 Menschen folgten dem Aufruf um ihren Protest gegen den erneuten Castortransport nach Gorleben öffentlich zu machen. Wie mensch es nun dreht und wendet: es waren deutlich weniger als noch im März als der letzte Castor nach Gorleben durchgeprügelt wurde (vgl. GWR 258 und GWR 259). Am Wetter kann es nicht gelegen haben. Bei strahlendem Sonnenschein zogen die DemonstratInnen durch die Lüneburger Innenstadt, sehr bunt, vielfältig und fantasievoll, wie wir das kennen, aber doch deutlich ruhiger als gewohnt. Kaum Sprechchöre, keine ausgelassene Stimmung. So recht wollte der Funke nicht überspringen. Auch nicht bei der Abschlusskundgebung, die nach langen Streitereien mit der Bezirksregierung am „Liebesgrund“ stattfinden musste, eine lauschige Wiese außerhalb der Stadtmitte umgeben von meterhohen Mauern. Wie durch ein Nadelöhr strömten die Menschen auf den Kundgebungsplatz durch den einzigen Einlass. Für einen Sonntagspaziergang ein schöner Ort, für die Kundgebung allerdings denkbar ungeeignet. Die VeranstalterInnen wollten auf alle Fälle in der Nähe der Bezirksregierung demonstrieren und ließen sich schließlich nachdem alle anderen Orte nicht genehmigt wurden auf diesen Platz abdrängen. So weit so schlecht.

Den Auftakt der RednerInnen absolvierte Renate Backhaus mit einer engagierten Rede. Kritisch anzumerken ist allerdings ihr Verweis auf den Zusammenhang von Atomenergienutzung und der Gefahr von Terrorakten. Dieser vor allem von den Umweltverbänden aber auch von der BI Lüchow-Dannenberg gebetsmühlenartig vorgetragene Verweis auf die besondere Gefährdung der Atomanlagen durch terroristische Anschläge ist sicherlich bestens geeignet als Horrorszenario die Milzbrandpanik abzulösen, zu einer sachlichen Auseinandersetzung trägt sie jedoch kaum bei. Die unglaublichen Schlampereien in den baden-württembergischen AKWs haben doch wohl deutlich vor Augen geführt, dass es für die Gefährdung von Millionen Menschen keine durchgeknallten Gotteskrieger benötigt. Die Betreiber von Atomanlagen, ohne Bart und Turban, alles nette adrett gekleidete Herren (und wenige Damen) machen das tagtäglich. Natürlich lebt die Bewegung von der Skandalisierung von Ereignissen. Aber die alltäglichen Dinge die den Betrieb von Atomkraftwerken ermöglichen sind durchaus skandalös genug. Im übrigen erscheint mir ein Verweis auf die besondere Gefahr von Terrorakten auch als eine Einladung an Schily und andere SicherheitspolitikerInnen nun in Bezug auf die Einschränkung demokratischer Rechte noch eins drauf zu legen. Diesen Aspekt beleuchtete auch Elke Steven vom Komitee für Grundrechte und Demokratie in ihrem Redebeitrag, der sehr interessant und aufschlussreich aber doch ein wenig emotionslos vorgetragen war. Steven verdeutlichte Robert Jungks alte These, dass der Betrieb von Atomanlagen mit dem Abbau demokratischer Rechte einhergeht. Insbesondere an der ständigen Ausweitung von Demonstrationsverboten mit den absurdesten Begründungen wird dies deutlich. Während die ersten Castortransporte nach Gorleben noch massenhafter ziviler Ungehorsam auf Schiene oder Gleis zumindest möglich war, begann mit dem Castor nach Ahaus 1998 die Strategie der weitreichenden Demonstrationsverbote, wodurch es immer schwieriger wurde an den Ort des Geschehens heran zu kommen. Dies erreichte dieses Mal, insbesondere unter der derzeitigen aufgeheizten Law and Order-Stimmung ihren Höhepunkt.

Die gewohnt leckere Suppe von Rampenplan und anderen Volxküchen konnte die DemonstrantInnen in der Folge nicht mehr zum Verbleib anhalten. In Scharen wanderten die Menschen inzwischen ab, wohl um sich noch einen Schlafplatz im Wendland zu sichern. So hörten sicher nur noch die Hälfte der DemonstrantInnen die lebendige Rede von Jochen Stay. Hier kam endlich noch einmal Stimmung auf. So forderte der X-Tausender und ehemalige Graswurzelrevolution-Koordinationsredakteur, der demnächst bei Robin Wood arbeiten wird, die Anwesenden dazu auf, den Aufruf zu einer Straftat, nämlich der Sitzblockade, symbolisch per Applaus zu unterstützen, was dann auch eindrucksvoll gelang. Zu diesem Zeitpunkt war die Wiese allerdings schon weitgehend leergefegt.

Die insgesamt etwas gedrückte und seltsam entspannte Atmosphäre während dieser Auftaktdemonstration zum Castortransport sollte allerdings nicht darüber hinwegtäuschen, was der Anti-Atom-Bewegung in den letzten Monaten alles geglückt ist. Während z.B. 1997 noch ca. zwei Castoren pro Woche aus deutschen AKWs in die Wiederaufarbeitung nach Sellafield oder La Hague weitgehend unbemerkt und ohne großen Polizeiaufwand rollten, ist es der Bewegung inzwischen gelungen die Castortransporte nicht mehr unbemerkt passieren zu lassen. So wurden alle in diesem Jahr fahrenden Transporte blockiert, so z.B. der letzte im Oktober in Brunsbüttel, Hamburg, Buchholz, Kirchweyhe, Münster, Neuwied und Schifferstadt. Dies ist ein großer Erfolg der Bewegung und sollte auch durch die etwas schwächere Mobilisierung ins Wendland nicht hinwegtäuschen.

Dennoch: ein Überdenken der „Castorfixierung“ der Bewegung sollte Ausgangspunkt von Überlegungen und Diskussionen sein. Eine soziale Bewegung bleibt nur dann lebendig wenn sie die Strategien regelmäßig überprüft, die Handlungsfähigkeit immer wieder kritisch hinterfragt zu kontroversen Diskussionen über zukünftige Schwerpunkte in der Lage ist und ihre Mobilisierungsfähigkeit stets aufs Neue unter Beweis stellt.